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Kommentar Netzpolitik der RegierungA sagen, B tun

Kommentar von Svenja Bergt

Die Störerhaftung ist passé – noch ist diese Ankündigung mit Vorsicht zu genießen. Denn die deutsche Netzpolitik ist vor allem eines: unentschieden.

Erstmal den Gesetzentwurf zur Störerhaftung abwarten – denn es gibt immer politische Hintertüren Foto: imago/ITAR-TASS

M anchmal wüsste man wirklich gern, wie genau es in der Bundesregierung eigentlich so zugeht. Aussage nach den Koalitionsverhandlungen: Wir schaffen die umstrittene Störerhaftung ab. Im Gesetz steht dann: Störerhaftung bleibt. Und nun, ein gutes Jahr später: Die Störerhaftung wird abgeschafft. Wirklich! Echt!

Das wäre mal eine gute Nachricht. Denn die Störerhaftung beim WLAN ist ein seltsames Instrument: Warum muss der Inhaber eines Internetanschlusses dafür haften, wenn jemand Drittes darüber eine Rechtsverletzung begeht? Weil auch der Eigentümer einer Bohrmaschine haftet, wenn er sie verleiht und jemand damit verletzt wird? Nein, eben, muss er nicht. Aber genauso unsinnig ist die Störerhaftung beim WLAN und dient damit in der Praxis vor allem einer Förderung der Abmahnindustrie.

Doch ein Problem bleibt: Der Umgang der Bundesregierung mit dem Thema Störerhaftung ist symptomatisch für ihre gesamte Netzpolitik. Die basiert weitgehend auf unterschiedlichen Ausprägungen der Strategien: A sagen, B tun (Netzneutralität), halbherzigem Agieren (Breitbandausbau), Handeln weitgehend ohne System (bei Hasskommentaren) und im Zweifelsfall einfach mehr Überwachung (Vorratsdatenspeicherung). Das, was eine gute Netzpolitik leisten könnte – von Teilhabe bis zum Schutz der Privatsphäre, von Barrierefreiheit bis zur Förderung innovativer und nachhaltiger Geschäftsmodelle –, ist so nicht zu schaffen.

Dass die Netzpolitik der Regierung so ist, wie sie ist, liegt sicher auch am Kompetenz-Hickhack innerhalb des Kabinetts. Allein an der Digitalen Agenda haben drei Ministerien mitgearbeitet – dabei war da das Verbraucherschutzministerium, das in solchen Fällen nicht ganz unwichtig ist, nicht einmal dabei. Und wenn viele ein bisschen zuständig sind, ist es leider manchmal so, dass sich keiner richtig kümmert. Weil sich niemand auskennt. Oder die Interessen der Wirtschaft am Ende doch mehr wiegen als die der Internetnutzer.

So ist auch die Ankündigung, die Störerhaftung beim WLAN jetzt aber wirklich abzuschaffen, mit Vorsicht zu genießen – bis tatsächlich ein Gesetzentwurf vorliegt. Denn mögliche Hintertüren, um es Nutzern, die ihr Netz für Nachbarn, Freunde und Passanten öffnen wollen, schwer zu machen, gibt es genug.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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9 Kommentare

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  • Es gibt noch einen andere Interessengruppe, die die Störerhaftung braucht!

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    Die Telkos! Deren Geschäftsmodell ist es doch in einem Mehrfamilienhaus n Anschlüsse zu verkaufen.

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    Mit einem 50/100MBit Anschluss und einem Standardserver im "Keller" ließe sich locker für kleines Geld ein Mehtfamileienhaus mit Internet, Telefonie, Cloud usw. versorgen wenn die Störerhaftung pauschal wegfallen würde!

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    Meint Sikasuu

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    • @Sikasuu:

      Hmmmm, das ist ein sehr interessanter Aspekt Herr Sikasuu!

       

      Daran habe ich bisher nicht gedacht, Sie mögen aber recht haben!...

      • @Nobodys Hero:

        Wirklich nicht? Haben Sie schonmal in einem Wohngebiet mit wenigstens vierstöckiger Blockrandbebauung die Liste aller empfangbarer WLANs angeschaut? Bei mir in der Wohnung sind es über 20! Die Hälfte davon mit gutem oder sehr gutem Empfang. Da frage ich mich schon jedes Mal: Muss das sein?

        Kontrapunkt: Ich würde nicht mit allen Menschen in unserem Haus im gleichen Netzwerk sitzen wollen. Da ist der Mehraufwand für Sicherungen bei solchen Lösungen schon mitzudenken. Heißt aber nicht, dass man das nicht geregelt bekäme.

  • Eine ausbaufähige Rechtskonstruktion

     

    So bizarr die Rechtskonstruktion „Störerhaftung“ auch sein mag, ist sie doch auch sehr praktisch. Danach kann also jemand für eine Straftat belangt werden, ohne der Täter zu sein. Wenn man dem eigentlichen Täter nicht habhaft wird, greift man sich schuldunabhängig also einfach denjenigen, der das W-Lan und den Internetzugang zur Verfügung stellt. Schade, daß dies nun gekippt werden soll, denn diese eigenwillige Rechtskonstruktion wäre noch ausbaufähig: Kann man eines Unfallverursachers nicht habhaft werden, packt man sich halt „verschuldensunabhängig“ den Autobahnbetreiber (künftig wohl die Autobahn-GmbH). Wird mit einem gestohlenen Auto eine Bank überfallen, ohne die Täter zu fassen, greift man sich halt den Fahrzeughalter. Bei Raubüberfällen in einem Stadtpark wäre dann die Gemeinde dran, schließlich war sie es, die den Tatort „zur Verfügung“ gestellt hat, usw. Der Phantasie sind hier also keine Grenzen gesetzt. Die Bundestagsabgeordneten sollten sich das noch einmal ganz genau überlegen.

  • Ich habe es einfach nicht verstanden. Weiche Interessengruppe hat denn bis heute verhindert, dass die Störerhaftung abgeschafft wird? Die paar Abmahnanwälte? Die Medien- und Musikindustrie? Das muss dann doch eine winzige Gruppe sein? Können denn so winzige Gruppen diesen Staat steuern?

    • @Helga Jodel:

      Ja und sie tun es. Wozu spendet man schließlich?

  • Ich sollte aber schon den Namen desjenigen kennen, an den ich meine Bohrmaschiene verleihe. Gerade auch dann, wenn dieser jemanden damit verletzt, insbesondere bei vorsätzlichem Tun.

    • @Rudolf Fissner:

      Nein, muss ich nicht.

      Ich kann sie auch an jemand fremden verleihen. Und ich muss auch nicht damit rechnen, daß dieser dann jemanden verletzt.

  • "Unentschieden" ist ein Euphemismus der deutschen Netzpolitik. Sie ist gekennzeichnet von Ahnungslosigkeit ("Neuland"), Lobbyhörigkeit und Lügenmärchen. Es ist nicht das erste Mal, dass das Ende des Abmahnunwesens und flächendeckendes Breitband versprochen worden ist. A versprechen und B tun würde ich nicht als "unentschieden" bezeichnen.