Grüne wollen Vermögensteuer: Vermögen nach links steuern
Nach den Landtagswahlen wird wieder um Inhalte gestritten: Anton Hofreiter und Simone Peter plädieren für eine dezidiert linke Steuerpolitik.
Doch nun, nachdem die Wahlen in Baden-Württemberg überstanden sind, formiert sich in der Ökopartei eine starke Bewegung für eine Vermögensteuer – eine dezidiert linke Forderung in der Steuerpolitik. Führende Grüne im Bund werben jetzt in der taz dafür, das Eigentum von Superreichen in Deutschland wieder zu besteuern. „Wir müssen uns trauen, sehr große Vermögen zu besteuern“, sagt Fraktionschef Anton Hofreiter.
Das Privatvermögen sei in Deutschland so ungleich verteilt wie in keinem anderen Staat der Eurozone, argumentiert Hofreiter. „Das ist ein ökonomisches, aber auch ein demokratisches Problem.“ Nur sehr Reiche könnten sich schwache Kommunen oder ein schwaches Gemeinwesen leisten. Hofreiter, der zum linken Parteiflügel gehört, will im Bundestagswahlkampf 2017 Spitzenkandidat der Grünen werden.
Auch die Parteivorsitzende Simone Peter, ebenfalls eine Linksgrüne, steht hinter der Idee. „Gute Gründe für eine Vermögensteuer gibt es viele“, sagt Peter. Sie wirke nicht nur der massiven Vermögenskonzentration und wachsenden sozialen Ungleichheit entgegen, sondern auch der mangelnden Transparenz. „Dass Vermögen heute gar nicht besteuert wird, macht es einigen Leuten leider zu leicht, ihren Besitz und ihr Einkommen daraus vor dem Fiskus zu verstecken – zum Beispiel in Steueroasen.“
Innovative Unternehmen fördern
Die beiden Spitzengrünen sind mit ihrer Forderung nicht allein. Experten in der Bundestagsfraktion halten eine Einführung der Vermögensteuer für überfällig. „Eine verfassungskonforme Vermögensteuer ist machbar und notwendig“, sagt der Finanzpolitiker Gerhard Schick. Das Ziel müsse sein, die zunehmende Kapitalkonzentration in den Händen von wenigen zu stoppen. „Dafür braucht man eine Vermögensteuer, die relevante Milliardenbeträge ergibt.“
Wer viel besitze, könne sich schlagkräftige Lobbys leisten, sagt Lisa Paus, die Steuerexpertin der Fraktion. „Superreiche haben deshalb mehr Chancen, Themen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Das ist in einer Demokratie problematisch.“ Paus hält die Steuer auch aus Wettbewerbsgründen für nötig. Vermögen konzentriere sich oft in großen Familienunternehmen. „Dieser Trend kann jungen und innovativen Unternehmen den Marktzugang erschweren.“
Mehrere Landesverbände der Partei haben sich zur Vermögensteuer bekannt, zum Beispiel die Grünen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Berlin und Bremen. Ein Grund: Viele Länder und Kommunen haben hohe Schulden, und sie werden durch die Schuldenbremse noch stärker eingeengt. Sie argumentieren also aus der Not heraus.
„Wir wollen keinen bis zur Magersucht verschlankten Staat“, heißt es in einem Thesenpapier des NRW-Fraktionschefs der Grünen, Mehrdad Mostofizadeh. Das Papier, das der taz vorliegt, haben 17 grüne Minister und Landtagsabgeordnete unterschrieben – Linke sind dabei, aber auch mehrere Realos. Schulen, Schwimmbäder, Brücken und Straßen seien in schlechtem Zustand, heißt es in dem Papier. Oft fehle Geld für elementare Reparaturen. Eine Vermögensteuer würde gerade arme und vom Strukturwandel betroffene Regionen entlasten. „Das Ziel einer solchen Steuer soll mehr Fairness und Gerechtigkeit sein.“
Auch Realos sind für die Steuer
Die Länder haben Interesse an der Steuer, denn die Erträge kommen ihnen zugute. Dabei geht es um sehr viel Geld: Selbst wenn sie nur das reichste eine Prozent der Haushalte träfe, würden dem Staat zwischen 10 und 20 Milliarden Euro zufließen. Das hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung im Januar errechnet. Bei den Grünen wird die Steuer deshalb nicht entlang der Flügel diskutiert, auch realpolitische Haushaltsexperten oder Landespolitiker befürworten sie.
Vergangenheit: Eine Vermögensteuer wäre in Deutschland keineswegs neu. Sie existierte bis 1997, es gab sie also zuletzt unter der schwarz-gelben Bundesregierung von Helmut Kohl (CDU).
Gegenwart: Die Kohl-Regierung schaffte die Steuer ab, weil das Verfassungsgericht zuvor bemängelt hatte, sie verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Seitdem hat keine Regierung versucht, die Steuer wieder einzuführen.
Mögliche Zukunft: Die Karlsruher Richter hatten keinen Zwang zur Abschaffung verhängt, sondern nur eine Reform angemahnt.
Die Vorstöße passen in die parteiinterne Agenda. In diesem Jahr diskutieren die Grünen das Thema Gerechtigkeit. Und die Vermögensteuer-Fans fühlen sich von Ökonomen wie Thomas Piketty oder DIW-Chef Marcel Fratzscher bestätigt, die die hohe Ungleichheit in Deutschland anprangern. Das Ziel: Die Vermögensteuer, die im Moment als „mittelfristiges Ziel“ im Wahlprogramm steht, soll dort bleiben. Andere Grüne würden sie dagegen am liebsten herausstreichen.
Fraktionsvize Kerstin Andreae weist auf die Belastung für Unternehmen hin. „Der Knackpunkt ist das Betriebsvermögen.“ Wenn das besteuert wird, das betonen Wirtschaftsverbände, könnten Arbeitsplätze verloren gehen. Andreae sagt: „Falls dies passiert, haben wir mit Zitronen gehandelt.“ Sie schlägt deshalb Alternativen vor – und fordert zum Beispiel „mehr Mut bei der Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer.“ Diese beiden Varianten schälen sich in der Debatte heraus.
Auch taktische Erwägungen spielen eine Rolle. Wirtschaftsverbände wie der DIHK lehnen eine Vermögensteuer strikt ab. Mancher Parteistratege fürchtet, dass es den Grünen mit einer solchen Forderung ergeht wie 2013. Damals starteten die Verbände eine massive Kampagne gegen die Steuerpläne der Grünen, die angeblich Hunderttausende Menschen den Job kosten würden.
Im Moment tagt bei den Grünen intern eine Steuerkommission, die mit grünen Haushältern, Finanz- und Wirtschaftspolitikern besetzt ist. Die Runde trifft sich alle paar Monate unter der Leitung von Parteichefin Peter, dort prallen die Linien aufeinander. Offiziell heißt es bei den Grünen, ein Ergebnis liege bis Mitte Juni vor. Ob das angesichts der Fronten gelingt, ist fraglich. Eine Grüne, die sich mit der Materie auskennt, sagt: „Wir sind bereit, für die Vermögensteuer zu kämpfen.“
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