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Kommentar AbgasskandalKriminelle Untätigkeit

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Alle wissen, dass Autohersteller bei Abgaswerten tricksen. Doch Verkehrsminister Dobrindt scheint das völlig egal zu sein.

Der Schutzheilige der Autoindustrie, Alexander Dobrindt (mitte), besichtigt den Pilgerweg A8 Foto: dpa

A llmählich fehlen einem als Beobachter des Diesel-Abgasskandals die Worte angesichts der Dreistigkeit, mit der CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt das Thema aussitzt. Mehr als ein halbes Jahr ist es her, dass Volkswagen eingeräumt hat, eine illegale Abschalteinrichtung zu nutzen, die dafür sorgt, dass Grenzwerte nur im Labor eingehalten werden. Seit mehreren Monaten ist bekannt, dass auch andere Hersteller die Abgasreinigung auf der Straße stark drosseln – mit abenteuerlichen Begründungen.

Passiert ist seitdem praktisch nichts. Die Autos, die ein Vielfaches des erlaubten Stickoxid-Wertes ausstoßen, sind nach wie vor auf den deutschen Straßen unterwegs und vergiften Tag für Tag die Menschen. Das Verkehrsministerium hat zwar umfangreiche Abgastests durchführen lassen. Doch deren Ergebnisse hält Dobrindt seit Monaten geheim – offenbar in der irren Hoffnung, dass sich das öffentliche Interesse am Skandal irgendwann legt.

Längst bekannt sind hingegen die Ergebnisse von Abgastests, die Umweltverbände und Medien auf eigene Kosten durchgeführt haben. Reaktion der zuständigen Behörden: Fehlanzeige.

Selbst als der Autokonzern Daimler nach einem dieser Tests einräumen musste, dass die Abgasreinigung bei Mercedes-Modellen bei niedrigen Temperaturen gedrosselt wird, um den Motor zu schonen, ist nichts passiert. Das zuständige Kraftfahrtbundesamt, das Dobrindt untersteht, wollte zunächst prüfen, ob Daimler sich hier möglicherweise zu Recht auf eine Ausnahmeregelung beruft. Ergebnis: keins.

Dobrindt schont die Industrie und nimmt dafür Gesundheitsschäden in Kauf

Inzwischen liegt zu dieser Frage trotzdem eine klare Aussage aus neutraler Quelle vor: Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hält das Vorgehen von Daimler für eindeutig rechtswidrig. Und was tun Dobrindt und seine Behörde? Wieder nichts.

Diese Untätigkeit ist inzwischen nicht mehr nur ein politischer Skandal, sondern sie nimmt allmählich kriminelle Züge an. Der Verkehrsminister nimmt massive Gesundheitsschäden durch giftige Abgase in Kauf, um die Autoindustrie zu schonen. Auf Einsicht ist bei Dobrindt nach den bisherigen Erfahrungen leider nicht mehr zu hoffen, und die mitregierende SPD lässt ihn gewähren. Stoppen können die staatliche Arbeitsverweigerung darum wohl nur die Gerichte – oder die Wähler.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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11 Kommentare

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  • Jaja, die Mär vom sauberen Diesel. Mein oller 200D Bj. 75 hat damals nicht stärker gerußt als seine modernen "Hochleistungs"-Nachfahren.

  • Solange mir NABU, BUND und wie sie nicht alle heißen keinen Arbeitsplatz anbietet um meine Familie zu ernähren um mein Häuschen abzuzahlen:

    Danke, Alexander!

     

    Um es klar zu stellen - ich finde es eine absolute Unverschämtheit der Autoindustrie gesetzliche Regelungen nicht einzuhalten (egal wie weltfremd die sind).

    Mir persönlich sind aber die Kollateralschäden zu groß wenn man jetzt auf die Autoindustrie einprügelt.

     

    Bis hier die Blutgier befriedigt ist weil man einen der pösen Manager fallen sieht sind zigfach mehr Leiharbeiter schon am Boden.

    • @Thomas_Ba_Wü:

      Besser am Boden als am Fließband. Wer mal Leihsklave war, weiß das.

  • Dobrindt ist etwa zweieinhalb Jahre im Amt. Hat er in der Zeit eigentlich irgendwas geleistet? Der Mann wartet doch nur die nächste Bundestagswahl ab. Bis dahin hat sich Pofalla einen schönen Posten ausgedacht, den er dem lieben Alexander bei der Deutschen Bahn anbieten kann.

  • Bitte etwas mehr Verständnis für die Politik! Eine Partei oder Regierung kann im günstigsten Fall immer nur ihre besten Leute an die Spitze setzen. Und wenn Parteien nur noch Unbrauchbares zu bieten haben, dann ist es zwangsläufig, das vom verbliebenen Schrott das Beste ausgewählt wird.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Natürlich lässt die "mitregierende" SPD ihn gewähren. Zum Einen kann niemand ernsthaft in diesem Haufen eine Regierung erkennen (Interessenvertretung treffender), zum Anderen folgt die Gabriel-SPD nur den Vorgaben aus der Industrie. Und die flüstert dieser ehemaligen Arbeitnehmervertretung das beliebte Totschlagsargument ein, es ginge um Arbeitsplätze.

  • "Stoppen können die staatliche Arbeitsverweigerung darum wohl nur die Gerichte – oder die Wähler."

     

    Letzteres halte ich für wenig wahrscheinlich. Das Thema ist vielen Leuten wahrscheinlich "zu abstrakt" und falls nicht, wird auf die Arbeitsplätze verwiesen.

     

    So jedenfalls mein trauriger Eindruck.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Dobrindt ist als 'Ausländermaut-Minister' von Seehofer eingesetzt worden und erfüllt jetzt seinen Dienst. Von Umweltproblemen und Betrug der deutschen Fahrzeughersteller wusste er nichts und will es auch nicht wissen.

    Wenn ein Dobrindt einmal als Generalsekretär der CSU trainiert wurde, bleibt er nach allen Erfahrungen ein Leben lang dabei.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @4932 (Profil gelöscht):

      Mit seinen eigentlichen Aufgaben ist der Mann eindeutig überfordert.

      Viel lieber verbringt er seine Arbeitszeit auf zu eröffnenden Straßenabschnitten und Brücken, in der rechten Hand eine Schere, in der linken ein Plastikband.

  • Ganz einfach. Der Kerl hat seinen üppig dotierten Beratervertrag bei irgendeinem Fabrikanten verbrennungsmotorisierter Blechisten schon längst unterzeichnet. Oder bei irgendeiner Industrielobbyorganisation aus deren Dreck-Ecke. Mit der Klausel, Füße und Maul solange still zu halten und alles, was gegen deren Interessen gerichtet ist, zu hintertreiben, solange er sich noch im Ministerium zu Lasten von uns steuerahlenden Idioten die Taschen vollstopft.

     

    Die Zeiten eines Seebohm sind lange vorbei. Der riskierte noch Dresche aus der Fuhrmannsecke, weil er den Güterverkehr auf die Bahn bringen wollte und das Höchstgewicht von 50 t für LKW im Nachkriegsdeutschland herunterschraubte

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Dobrindts schon Jahre ausgeübter Job des Untätigseins dürfte anstrengender sein als man vermutet.

    Schließlich muss er ständig Kritik von sich, seinem Amt, von der Autoindustrie und ihrer übermächtigen Lobby fern- und nebenbei auch noch mit aller Kraft das Mautthema aus den Medien heraushalten

    Da lobe ich mir die DUH, die den Mut aufbringt, gegen Daimlers Abgaswerteschummeleien zu klagen.

    Davon weiß der Minister wahrscheinlich gar nichts.