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Russen wollen bohren Ein Widerspruch in sich

Die Umweltorganisation Greenpeace protestiert gegen die Ölförderung des russischen Konzerns DEA im Nationalpark Wattenmeer

Protestaktion im Wattenmeer Foto: Christian Charisius (dpa)

HAMBURG taz | Jörg Feddern hält Naturschutz und Erdölförderung für unvereinbar. „Der Nationalpark Wattenmeer darf nicht dem schmutzigen Geschäft mit dem Öl zum Opfer fallen“, fordert der Mann von Greenpeace. Und deshalb protestierten die Umweltschützer aus der Hamburger Hafencity am gestrigen Donnerstag gegen die aktuellen Bohrpläne des russischen Konzerns DEA im schleswig-holsteinischen Teil des Wattenmeer-Nationalparks. Die Politik müsse, fordert jedenfalls Feddern, „diesem riskanten Vorhaben eine Riegel vorschieben“.

Damit sind die grünen Umweltminister Robert Habeck (Schleswig-Holstein) und Stefan Wenzel (Niedersachsen) gemeint, in deren Zuständigkeitsbereich die Bohrpläne fallen. Deren Entscheidungen stehen aber noch aus.

Mit dem Greenpeace-Schiff „Beluga II“ waren die Ökoaktivisten am Vormittag von Cuxhaven aus in die Nähe der Bohrplattform Mittelplate gefahren. Bei Niedrigwasser stellten sie im Schlick einen sechs Meter hohen hölzernen Bohrturm auf und hissten Transparente. Seit 1987 bohrt die Deutsche Erdöl AG (DEA) auf dieser Sandbank nach Erdöl, seit 2015 wird die ehemalige Tochter des Energiemultis RWE vom russischen Oligarchen Michail Fridmann kontrolliert. Gut 30 Millionen Tonnen hat die DEA im größten Ölfeld Deutschlands bereits gefördert, nochmal 20 Millionen Tonnen werden in weiteren Vorkommen vermutet, die durch vier Probebohrungen erschlossen werden sollen. „Wenn das wirtschaftlich sinnvoll ist, werden wir das Öl auch fördern“, bestätigt DEA-Sprecher Derek Mösche die Pläne.

Drei Bohrstellen befinden sich in unmittelbarer Nähe zur Mittelplate im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, die vierte liegt südlich der Elbmündung im niedersächsischen Wattenmeer. Beide Nationalparks wie auch der hamburgische Anteil sind seit 2011 von der Unesco als Weltnaturerbe anerkannt, für die Ölförderung auf Mittelplate indes gibt es Ausnahmeregelungen. Bis Ende 2041 darf der Ölkonzern dort im Grundsatz noch fördern, neue Bohrungen müssen aber nach Bundesbergrecht (siehe Kasten) einzeln genehmigt werden. „Wir arbeiten seit 28 Jahren unfallfrei“, sagt Mösche, „der Schutz des Wattenmeers ist auch uns sehr wichtig.“ Für die Positionen von Greenpeace äußert der DEA-Sprecher „großen Respekt“, wenngleich sie mit denen seines Unternehmens „wohl kaum vereinbar“ seien.

Jörg Feddern hält die Erdölförderung in einem Nationalpark und Weltnaturerbe „für einen Widerspruch in sich“. Außerdem sei das Fördern des fossilen Rohstoffs „ein klimapolitischer Anachronismus“, findet der Aktivist. „Das Zeugs sollte im Boden bleiben.“ Auch der Hinweis auf fast drei Jahrzehnte störungsfreien Betriebs kann Feddern nicht überzeugen: „Alle Technik kann auch kaputtgehen.“ Wenn bei einem Unfall Öl austrete und die Meeresumwelt verschmutze, habe das „verheerende Auswirkungen auf das sensible Ökosystem im Wattenmeer“. Zudem gehe die Kosten-Nutzen-Rechnung einseitig zu Lasten der Natur. 20 Millionen Tonnen Erdöl deckten den deutschen Bedarf für gerade mal zwei Monate ab – dafür dürfe kein „für die wunderbare Tier- und Pflanzenwelt im Watt hochriskantes Geschäft“ gewagt werden, findet Feddern.

„Es ist kein Geheimnis, dass ich weitere Ölbohrungen im Wattenmeer falsch finde“, beteuerte gestern auf Anfrage der taz Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Robert Habeck. Anträge an sein Ministerium müssten jedoch „sorgsam nach Recht und Gesetz“ geprüft werden. Allerdings, so Habeck, „würde mir ein Stein vom Herzen fallen, wenn wir letztendlich nicht genehmigen müssten“. Muss Habeck auch gar nicht, sagt Feddern. Eine naturschutzrechtliche Genehmigung der Anträge könne bei überwiegendem öffentlichen Interesse versagt werden: „Und das ist bei einem Weltnaturerbe offensichtlich“, sagt Feddern.

Mösche hingegen beharrt auf der grundsätzlichen Betriebserlaubnis. So lange eine Nachfrage nach Erdöl besteht, werde diese auch bedient werden: „Wir fördern bis zum letzten Tropfen.“

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