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Kommentar Niedriglöhne für FlüchtlingeHeikle Konkurrenz

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Flüchtlinge vom Mindestlohn auszunehmen, macht sie zur Dumping-Konkurrenz für Beschäftigte. So werden Schwache gegeneinander aufgehetzt.

Jobs wären gut: Hunderttausende Flüchtlinge sitzen derzeit untätig in Heimen herum und vernichten ihre Lebenszeit. Foto: dpa

M anche Vorschläge verschärfen Probleme, statt sie zu lösen. Die CDU will Arbeitgebern gestatten, Flüchtlinge für das erste halbe Jahr als „Praktikanten“ zu einem Entgelt unterhalb des Mindestlohns von 8,50 Euro zu beschäftigen. Ursprünglich hatte die Union noch gefordert, Flüchtlinge im ersten halben Jahr der Beschäftigung zu einem Entgelt unterhalb des Mindestlohns regulär anzustellen. Nach Protest der SPD hat die Union eilends den Begriff des „Praktikanten“ nachgeschoben, was die Sache aber nicht besser macht.

Denn das Problem bleibt: Flüchtlinge, die zum Billigstlohn arbeiten, werden von anderen Beschäftigten als verhasste Dumping-Konkurrenz begriffen. Nichts ist politisch so schädlich wie Schwache gegeneinander aufzuhetzen.

Das gilt auch für die geplanten Beschäftigungsmaßnahmen. Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) würde gerne 100.000 Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge einrichten, die mit Mehrkosten von etwa 450 Millionen Euro im Jahr zu Buche schlagen. Solche Arbeitsgelegenheiten etwa als Servicekräfte in Flüchtlingsheimen wären sinnvoll, damit könnten Asylberechtigte auch ihre Herkunftssprachen einsetzen. Man wird Strukturen eines zweiten Arbeitsmarktes für Flüchtlinge einführen müssen, denn Hunderttausende von ihnen sitzen derzeit untätig in den Heimen herum und vernichten ihre Lebenszeit, fast so, als wären sie im Gefängnis.

Allerdings: Ein-Euro-Jobs etwa im Flüchtlingsbereich müssen unbedingt auch für einheimische Langzeitarbeitslose verfügbar sein, viele von ihnen haben ja auch Migrationshintergrund. Nur mit dieser Öffnung verhindert man den Neid der ansässigen Chancenarmen auf die Flüchtlinge. Diesen Sozialneid der Schwachen zu verhindern wird die eigentliche Integrationsaufgabe der Zukunft sein. Es wird teuer. Man wird mittelfristig nicht umhin können, dafür Steuerlasten zu erhöhen.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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18 Kommentare

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  • In schöner Kolonialisierungstradition freut man sich in Deutschland doch schon auf all die neuen Sklaven, die freiwillig in unser Land kommen. Das Konkurrenzgeschwätz dient da doch nur der Ablenkung. Ein Hoch auf soviel euphemischen Zynismus.

    • @TV:

      Auf der Quatsch-Skala von 1 bis 10 schießen Sie hier bisher ganz klar den Vogel ab .

      Empfehlung - ...z.B. einfach mal googeln :

      - Wieviele (statistisch erfasste) Arbeitslose gibt es zur Zeit in D ?

      - Wieviele Teilzeit-AN , die eine Vollzeit-Arbeit suchen ?

      - Wieviele "Aufstocker" in miese bezahlten Jobs für Geringqualifizierte gibt es ?

      Und dann doch auch die Frage : In welchen Wirtschaftssektoren könnte die Arbeitskraft der Flüchtlinge überhaupt und in erheblichem Umfang Verwendung finden , ohne an die Arbeitsstelle von bisher Beschäftigten zu treten ?

      Und dann wird ja auch die deutsche Wirtschaft die naheliegende Frage im Auge behalten : Was passiert , wenn die Konjunktur in China , in den USA , in den Peripherie-& Schwellenländern deutlich abwärts geht ?

  • Es ist wie immer eine Frage wie das organisiert und letztlich überwacht wird um Ausnützerei zu verhindern.

     

    Das es immer Unternehmer gibt die das schamlos ausbeuterisch für sich ausnützen ist genauso klar, wie es auch Unternehmer gibt die durchaus gezielt einen solchen Arbeitsplatz kreieren um den Leuten ein Chance zur Integration (Sprachkenntnisse, Kontaktaufnahme, soziales Umfeld finden, Tätigkeit erlernen) zu geben.

     

    Leider wird dieser durchaus versuchenswerte Gedanke zwischen den politischen Lagern zerrieben bevor er fertig gedacht ist. Ist es Faulheit, Kreativlosigkeit, Dogmatismus, Pessimismus, ....

    • @Tom Farmer:

      Ihre Überlegungen übersehen daß es hier, vor allem von unten gesehen, den "freien Markt" gibt, sich die postulierten "idealistischen" Unternehmer quasi automatisch in eine nachteilige Position begeben und dieser "versuchenswerte Gedanke" ein Mindesmaß an Planung oder Regulierung voraussetzte - und um diese Regulierung wird es unendlichen Streit geben.

       

      Und das Problem wird nicht gelöst.

      Heute, "Stuttgarter Nachrichten", S1. "Bislang wenige Jobs im Südwesten. Bei Pilotprojekten wurden 158 Asylbewerber in Arbeit vermittelt". 158 - von wievielen?

      • @Ulrich Frank:

        Es wäre schön endlich eine Entscheidung zu finden wie wir mal starten wollen.... immer nur zu sagen wie schwierig das wohl wieder wird oder gar nicht geht uder ungerecht oder oder ist schlechter als mal einen Fehler zu riskieren.

        • 2G
          2097 (Profil gelöscht)
          @Tom Farmer:

          Fehler kann sich die SPD auf diesem Gebiet nicht mehr leisten, ansonsten ergeht es ihr bald so wie der FDP.

  • 1€ Jobs für einheimische in Flüchtlings Heimen gibt’s schon längst, um das zu recherchieren hätte es wahrscheinlich nur ein Anruf beim jobcenter bedurft.

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    "Man wird mittelfristig nicht umhin können, dafür Steuerlasten zu erhöhen."

    Oh, welche denn, die erneut nur die mittleren und unteren Einkommensschichten überproportional belasten und die oberen Einkommensschichten und Vermögenden wenig bis gar nicht betreffen? Wahrscheinlich wird es keine verfassungskonforme Vermögenssteuer, keinen höheren Spitzensteuersatz, keine Vermögensabgabe und keine angemessenere Erbschaftssteuer geben. Ich befürchte höhere Steuern, insbesondere für die mittleren und unteren Einkommenschichten, wirken auch nicht gerade förderlich für die Willkommenskultur. Außerdem wäre es erfreulich, wenn sich die Einkommens- und Vermögenselite auch mal wieder angemessen an der Sozialen Marktwirtschaft und dem Solidarsystem beteiligt und nicht immer alles am Finanzamt vorbei in Steueroasen transferiert.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @2097 (Profil gelöscht):

      "Oh, welche denn..."

       

      MwSt. 2 Punkte bringen so 20 Mrd/Jahr und mehr Konsum brauchen wir als selbst ausgerufene Exportnation nicht.

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @10236 (Profil gelöscht):

        Eine Mehrwertsteuererhöhung belastet erneut die mittleren und insbesondere die unteren Einkommensschichten überproportional.

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @2097 (Profil gelöscht):

          Sicherlich. Die oberen Einkommensschichten darf man aber nicht belasten, weil sie in den nächsten 10-20 Jahren riesige Summen (über ÖPP) in unsere marode Infrastruktur investieren müssen. So bleibt das Geld zu Hause, der Staat sorgt für die Rendite und alle sind glücklich. Außer natürlich die unteren und mittleren Einkommensschichten, die die Rendite mit ihren Gebühren finanzieren. Aber das merken sie erst mit Verzögerung, wenn überhaupt.

          • 2G
            2097 (Profil gelöscht)
            @10236 (Profil gelöscht):

            Das mit der ÖPP funktioniert nicht, wie sie ja selbst schreiben, da ein eklatanter Zielkonflikt besteht: Die Politik ist am Gemeinwohl orientiert und hat daher bei der Zuordnung von Ressourcen die Interessen jener Menschen wahrzunehmen, die ihre Bedürfnisse nicht oder nur unzureichend durch ihre Kaufkraft nachfragen können. Das Hauptziel eines Unternehmens dagegen ist die Gewinnmaximierung für seine Eigentümer. Dadurch besteht die Gefahr der Verschlechterung des Leistungsangebotes aufgrund der meist monopolartigen Exklusivverträge. Der Staat fördert also Monopole. Keine gute Idee und vollständig undemokratisch, da eine Preisdiktatur das Resultat wäre.

            Um einen New Deal wie unter Roosevelt kommen wir nicht umhin. Das bedeutet einen Spitzensteuersatz von 79% und Erbschaftssteursatz von 77%. Finanztransaktionen lassen sich heute im NSA Zeitalter hervorragend nachverfolgen für die Finanzämter und mit entsprechenden Steuern verhindern. Ansonsten wird sich in Deutschland eine Rechtsradikalisierung etablieren, wie in Frankreich mit der FN. Es kann natürlich sein, dass dies einige Vermögende aus der Kernelite durchaus begrüßen. Die größten Fans hatte Adolf Hitler auch bei amerikanischen Industriellen wie Henry Ford.

  • Nichts ist politisch so schädlich wie Schwache gegeneinander aufzuhetzen? Schön wär's! Leider ist das völlig falsch. Politisch ist nichts lukrativer als genau das.

     

    Nicht erst seit heute. Was jetzt mit den Flüchtlingen passiert, wurde zuvor schon jahrzehntelang an Einheimischen und "Gästen" erprobt. Leider hat es die taz da noch nicht in gleichem Maße interessiert. Erst, als die Betrogenen auf die Suche nach einem Rächer der Enterbten gegangen sind und rechts der Union fündig zu werden glaubten, hat man sie (sehr verschwommen) wahrgenommen. Allerdings nur als persönliches Problem, nicht als politisches.

     

    Dazu passt es dann hervorragend, wenn hier zu lesen steht: "Diesen Sozialneid der Schwachen zu verhindern, wird die eigentliche Integrationsaufgabe der Zukunft sein. Es wird teuer. Man wird mittelfristig nicht umhin können, dafür Steuerlasten zu erhöhen." Wer wird denn gleich grundsätzlich werden?

     

    Man glaubt wohl auch bei taz-ens, man wäre gehobener Mittelstand und hätte etwas zu verlieren, wenn es den Großen an den Geldhahn geht. Zu ein wenig mehr "Steuergerechtigkeit", immerhin, erklärt man sich bereit. Man hat ja schließlich so etwas wie ein Gewissen. Ich sag's ja: Einäugige unter lauter Blinden. Wäre ich richtig reich, würde ich mir DAS Angebot wohl nicht entgehen lassen. Ist ja ein sogenanntes Schnäppchen!

    • @mowgli:

      Vorsicht, Bedeutungssalat!

      Frau Dribbusch verwendet "politisch" hier nach "Polis", also schlecht für Staat und Gesellschaft.

      Sie denken an die z.T. srupellose Taktiererei der Parteipolitik.

      Damit haben Sie genau beide Recht und es wiederspricht sich nur scheinbar.

      Grüße

  • Die "Konkurrenz" der Neuankömmlinge zu den Alteingesessenen ist da und wird bleiben. Mit oder ohne Mindestlohn, und in allen Bereichen (Arbeit, Wohnung, Bildung, Kultur). Wer was anderes erwartet hat, versteht das System nicht. Muss ja nicht gleich schlecht sein ...

     

    Welche Bevölkerungsschichten zuerst "betroffen"sein werden? Auch das erklärt sich doch von allein ...

  • Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge bedeuten häufig einen höheren Einarbeitungsaufwand. Daher macht es durchaus Sinn, die Regelung für Langzeitarbeitslose auch auf Flüchtlinge auszudehnen. Gleichzeitig könnte man dies pro Arbeitgeber begrenzen, damit es nicht missbraucht wird, in dem die Leute alle 6 Monate ausgetauscht werden.

    Dies ist ein sinnvoller Vorschlag und der Artikel nennt kein einziges Gegenargument. Allerdings braucht es deutlich mehr als das. Es braucht vor allem Schulungsmassnahmen: Von der Sprache über allgemeine Erwartungen am Arbeitsplatz bis hin zu fachspezifischer Schulung. Niemand sollte untätig herumsitzen müssen. Schliesslich braucht es überhaupt die Erlaubnis zu arbeiten. Solange Flüchtlinge Arbeitsverbot haben, ist es ein Hohn über "Mindestlohn" zu diskutieren.

    • 3G
      30226 (Profil gelöscht)
      @Velofisch:

      Wo liegt der Nutzen, wenn die Flüchtlinge während ihres AUfenthaltes für 4 Euro die Stunde Flure putzen? Viel besser sind sie mit Schul- Ausbildungs- und Universitätsbesuchen beschäftigt. Das Geld dafür kommt von effektiver Kapital- und Vermögens- und Erbschaftssteuer. Dann haben die Globalisierungsgewinner der 2000er auch die Möglichkeit, ihr Gutmenschentum unter Beweis zu stellen.

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @Velofisch:

      Gibt es denn überhaupt genug Arbeit? Gibt es nicht deutlich mehr Arbeitslose als offene Stellen?

      Und wenn man noch die beschönigten Zahlen in der Arbeistlosenstatistik bedenkt... Berlin hatte 2014 ca. 659.000 Hartz 4 Empfänger, davon ca. 100.000 Auftsocker ...

      Die Arbeistlosenzahl war natürlich deutlich niedriger.