: Schluss mit den braunen Tiraden
HETZE Innenminister de Maizière verbietet das Neonazi-Portal „Altermedia“: Dort gebe es „übelste rassistische Beiträge“. Die Bundesanwaltschaft lässt zwei Betreiber festnehmen. Die Szene surft aber längst woanders
Aus Berlin Konrad Litschko
Ein Gruß zum 80. Geburtstag des Holocaust-Leugners Horst Mahler: „unsere besten Glückwünsche“. Eine Hetztirade gegen „fremdartige Invasoren“ und „importierte Alis“, die „Jagd auf weißes Fleisch“ machten. Oder Ergüsse, wie das Judentum „hinter dem Überfremdungswahnsinn die Fäden zieht“.
Mit solchen Beiträgen wartete zuletzt das rechtsextreme Internetportal „Altermedia“ auf. Nun ist Schluss. Am Mittwoch verbot Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) das Portal nach dem Vereinsgesetz. Altermedia verbreite „übelste rassistische Kommentare und Beiträge“, rufe zu Straftaten auf und rechtfertige Taten des Nationalsozialismus, sagte de Maizière. „Ein solches Verhalten ist mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar. Der Rechtsstaat toleriert keine Hasskriminalität.“
Gleichzeitig ließ die Bundesanwaltschaft 60 Polizisten Wohnungen in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Berlin, Thüringen und im spanischen Lloret de Mar durchsuchen.
Zwei „Rädelsführer“ wurden festgenommen: die 47-jährige Jutta V., wohnhaft bei Bielefeld, und der 27-jährige Ralph Thomas K. aus St. Georgen in Baden-Württemberg. Der Vorwurf: Die beiden hätten zusammen mit drei weiteren Betreibern eine „kriminelle Vereinigung“ gebildet, um „volksverhetzende Äußerungen“ zu verbreiten.
Damit holen die Sicherheitsbehörden zum ganz großen Schlag aus. Der aber wird nur bedingt der jüngsten Bedeutung des Neonazi-Portals gerecht.
Das ging 2002 online, als selbsternannte „Gegenöffentlichkeit“. Die Seite entwickelte sich zur zentralen Plattform der Szene. Interna wurden verbreitet, Richtungskämpfe ausdiskutiert.
Bis zu vier Millionen Zugriffe jährlich soll das Portal zeitweise gezählt haben. Zuletzt allerdings ließ die Reichweite deutlich nach, der Takt neuer Artikel wurde immer größer, viele Texte behandelten nur noch die alte Garde der Szene wie Horst Mahler.
Die rechtsextreme Szene hat ihre Kommunikation derweil längst auf kleinere Portale verteilt – oder auf Facebook. „Soziale Netzwerke spielen mittlerweile eine größere Rolle“, konstatiert der Verfassungsschutz. Ausgetauscht werde sich über Facebook-Profile oder Mitteilungsdienste. Der Szene biete das einen Vorteil: Ihre Propaganda verteilt sich nicht mehr nur über die klassisch rechtsextremen Kanäle und erreicht schneller Außenstehende.
Der Ton auf „Altermedia“ stach dagegen weiter durch seine ungenierte Brutalität heraus. Bundespräsident Joachim Gauck wurde gedroht, als „einer der ersten den Laternenorden am Band zu erhalten“. Über Migranten hieß es: „Um den Negern ein heimatliches Gefühl zu vermitteln, sollte ein Autoreifen mit etwas Holz darin genügen.“ Noch in einem der letzten Kommentare vor dem Verbot war die Rede von „verquirlter jüdischer Jauche“ oder dem Einsatz von Pfefferspray gegen „die Bullerei“. Die Grünen bezeichneten das Verbot daher auch als „überfällig“. Viel zu lange habe das Portal seine „menschenverachtende Ideologie verbreitet“.
Einen ersten Rückschlag erlitt das Portal aber bereits 2011. Da wurde der damalige Betreiber der Seite zu einer mehrjährigen Strafe verurteilt: Axel Möller, ein 51-jähriger, schnauzbärtiger Neonazi aus Stralsund. Der gab sich noch vor Gericht unbelehrbar: Er bereue nichts, sagte er, sein Geständnis sei ein „sehr stolzes“. Mitte 2015 wurde er aus der Haft entlassen.
Zu den jetzt Beschuldigten gehört Möller laut Ermittlern nicht. Aber auch einer seiner Nachfolger ist kein Unbekannter: Der verhaftete Ralph Thomas K. soll in seiner Heimat bereits Neonazi-Konzerte und „Nein zum Heim“-Aufmärsche gegen Asylunterkünfte organisiert haben. 2014 kandidierte er für die rechtsextreme „Deutsche Liga für Volk und Heimat“.
Für die Ermittler war Ralph K. neben Jutta V. der zentrale „Altermedia“-Administrator. V. war für die Beamten ein unbeschriebenes Blatt: Straftaten oder eine politische Gruppe können sie ihr nach taz-Informationen nicht zuordnen. Zusammen mit Ralph K. sei V. für die inhaltliche Ausrichtung des Portals zuständig gewesen und habe „umfassende Zugriffsrechte“ gehabt. Zusammen mit den drei weiteren Betreibern hätten sie die Beiträge freigeschaltet – inklusive verbotener NS-Parolen, Holocaust-Leugnung oder Gewaltaufrufe gegen Migranten. Nach taz-Informationen war unter ihnen auch eine Thüringer Rechtsextremistin, die in ihrem „Kulturhaus“ bereits die NPD beherbergte.
Das Verbot der Internet-Plattform „Altermedia Deutschland“ am Mittwoch kam just an dem Tag, an dem in vielen Ländern der Welt der Opfer des Nationalsozialismus gedacht wird. Bei einer Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag in Dresden appellierte die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch: Der Satz „Wir sind das Volk“ müsse von den Demokraten ernster genommen werden: „Überlassen Sie das Wir nicht den Falschen, den ideologischen Scharfmachern und Hetzern.“
In Berlin lobte die 84-jährige Holocaust-Überlebende und Schriftstellerin Ruth Klüger vor dem Bundestag die Politik von Kanzlerin Angela Merkel: Deutschland, das vor 80 Jahren für die schlimmsten Verbrechen des Jahrhunderts verantwortlich gewesen sei, habe „den Beifall der Welt gewonnen dank seiner geöffneten Grenzen und der Großzügigkeit, mit der Sie syrische und andere Flüchtlinge aufgenommen haben und noch aufnehmen.“ (epd, taz)
Dass sich nun die oberste Anklagebehörde, die Bundesanwaltschaft, einschaltet, wird mit der „besonderen Bedeutung“ des Falls begründet. Das Bundesinnenministerium attestiert den „Altermedia“-Betreibern ein „hochgradig konspiratives“ Vorgehen. Der Server der Seite sei eigens in Russland betrieben worden. Russische Sicherheitsbehörden hätten daher die Ermittlungen unterstützt, ebenso wie spanische, da einer der Mitbeschuldigten im Land wohnt.
Schon der erste „Altermedia“-Server stand im Ausland: in den USA. Er wurde bereits 2012 stillgelegt. Die russischen Behörden seien nun gebeten worden, den Server „im Laufe der nächsten Tage abzuschalten“, so die Bundesanwaltschaft. Offenbar ging es schneller: Am späten Mittwochvormittag war die „Altermedia“-Seite schon nicht mehr aufrufbar.
In der rechtsextremen Szene kann man das offenbar verschmerzen. Beim Prozess gegen Axel Möller im Jahr 2011 gab es noch eine Kampagne: „Wir sind alle Altermedia.“ Nun, nach dem Ende, herrschte vor allem: Stille.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen