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Massenmedien und MeinungsmacheKanzlerin im Schneesturm

Bettina Gaus
Kommentar von Bettina Gaus

Wenn alle von Merkels Rücktritt reden, muss doch etwas dran sein – mag man meinen. Schüren die Medien etwa Verwirrung und Ängste?

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Bundeskanzlerin von einem entsprungenen Schneepflug getötet wird, ist höher als die ihres Sturzes Foto: dpa

Amerikaner nennen es Monstersturm. Wir nennen es: Mittwoch.“ Kanadier spotten im Netz über US-Alarmismus. Kanada ruft bei 60 Zentimeter Schneefall eben nicht gleich den Notstand aus. Russland auch nicht, ebenso wenig wie das Allgäu.

Vielerorts hat man sich an Schnee als Begleiterscheinung des Winters gewöhnt. Übrigens schneit es auch an der Ostküste der USA regelmäßig, und ebenso regelmäßig bleiben dann in der Hauptstadt Behörden und Schulen geschlossen. Was vor allem für eine schlechte Infrastruktur spricht.

Dialog auf Facebook: „Vorsicht: Mann in Maryland von Schneepflug getötet!“ Antwort: „Ok. Ich halte mich von Schneepflügen fern. Aber gestern hat es in Maryland gar nicht geschneit. Ist die Geschichte vielleicht eine andere? Nämlich: Schneepflug geflüchtet?“

Ja, vielleicht ist die Geschichte eine andere. Dieser Eindruck verstärkt sich derzeit auch bei anderen Themen. Zum Beispiel bei der Frage, ob eine Palastrevolution gegen Angela Merkel bevorsteht.

90 Prozent der Menschen wählen nicht AfD

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Bundeskanzlerin von einem entsprungenen Schneepflug getötet wird, ist höher als die ihres Sturzes. Um zu dieser Einschätzung zu kommen, muss man gar nicht viel von Politik verstehen. Die Kenntnis der Grundrechenarten genügt. Kanzlerinnen und Kanzler müssen von einer Mehrheit im Parlament gewählt werden. Das gesunde Volksempfinden allein reicht nicht zum Regieren, nicht einmal dann, wenn eine neue Partei in Umfragen 10 Prozent hinter sich vereinen kann. Also fast die gesamte Bevölkerung – bis auf einen Rest von 90 Prozent.

Teile der Union legen es Merkel zur Last, dass sich mit der AfD jemand rechts von ihr zu etablieren droht. Aber Erbitterung verändert keine Kräfteverhältnisse, und für einen Putsch, der dem rechten Rand gefallen soll, gibt es im Bundestag derzeit keine Mehrheit.

Taz.Am Wochenende 30./31. Januar

Die Waschmaschine hat die Welt verändert – mehr als das Internet, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Chang Ha-joon. Hat er Recht? Über unterschätzte Technik lesen Sie in der Titelgeschichte „Technik, die begeistert“ in der taz.am wochenende vom 30./31. Januar. Außerdem: Die Diagnose „Unheilbar krank“. Was erwarten wir vom Leben, wenn es endet? Und: Deutschland erwägt seine Grenzen zu schließen. Ein Szenario über die Folgen. Das alles gibt es am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Möglich wäre auch eine Koalition von SPD, Grünen und Linkspartei. Theoretisch. Deren Spitzenkandidat hieße Sigmar Gabriel. Genügt die Idee, dass er von Linken und Grünen zum Kanzler gewählt wird, um viele Leute zum Lachen zu bringen? Oder muss man noch auf SPD-Abweichler hinweisen, die ihrem Herzen in geheimer Wahl gern Luft machen möchten? Das wird also auch nichts.

Bleibt die Möglichkeit der Vertrauensfrage. Angela Merkel bekommt – wie abgesprochen – keine Mehrheit. Neuwahlen. Dann verlieren ausgerechnet jene Abgeordneten ihre Mandate, die jetzt Angst vor der AfD haben. Was auch immer sie in Hintergrundgesprächen flüstern mögen: Sie sind die Letzten, die Interesse an einem Sturz der Kanzlerin haben können.

Manchmal hilft, einfach den Verstand einzuschalten

Sind die Medien an allem schuld? Führen sie eine brave Öffentlichkeit gezielt in die Irre, während normale Leute keine Chance haben, den Unfug zu entlarven? Doch, die hätten sie. Manchmal hilft es, den Verstand einzusetzen, um Nachrichten auf ihren eigentlichen Informationsgehalt zu reduzieren.

Das geschieht jedoch selten. In den USA haben Kunden die Supermärkte gestürmt, weil die wegen Schneefalls angekündigt hatten, zwei Tage zu schließen. Leere Regale. Sogar Produkte wie organisches Kokosnussöl waren ausverkauft. Die Gespräche in Familien müssen seltsam verlaufen sein: „Oh, mein Gott – zwei Tage ohne Trader Joe’s! Haben wir wirklich noch genug Kokosnussöl?“

Wenn Medien über einen „Monstersturm“ berichten, glaubt die Öffentlichkeit, dass mehr dahinterstecken muss als der notwendige Griff zur Schneeschippe. Und wenn alle Talkshows es zum Thema machen, dass Merkel vielleicht stürzt, dann wird das eben für eine Möglichkeit gehalten.

Zu Unrecht. Festzuhalten bleibt: Im Osten der USA hat es geschneit, leider hat es dabei einige Todesopfer gegeben. Und: Nicht alle Unionspolitiker schätzen Angela Merkel. Mehr ist nicht, mehr war nicht. Und mehr wird auch nicht sein.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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15 Kommentare

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  • Und was, wenn die Kanzlerin, wie es sogar führende Verfassungsanwälte meinen, im Umgang mit Flüchtlingen gegen die Verfassung verstoßen hat? Dann ist sie politisch erledigt. Und ob das so unwahrscheinlich ist wie die Tötung durch einen Schneepflug, scheint mir doch sehr zweifelhaft! Wer auch nur ein wenig Verstand hat, der sieht die ernsthafte Gefahr, dass unsere Kanzlerin stürzt. Man sollte auch nicht vergessen, dass kein Politiker in der EU ihre Flüchtlingspolitik versteht. Auch in der Bevölkerung versteht die Mehrheit ihre Flüchtlingspolitik nicht.

    Sollte die Kanzlerin nicht die Mehrheit der Bevölkerung vertreten und sich in ihrem Handeln der EU annähern? Und tut sie das? Nein, sie vertritt leider nicht die Mehrheit, und das ist in einer Demokratie gefährlich. Ich denke, sie hat mit ihrer Flüchtlingspolitik ihre politische Karriere beendet.

    • @Mario Liebermann:

      da schau her - " führende Verfassungsrechtsanwälte" -

      Die i kenn - & dess sann neben den

      Profs. a professione - nicht grad wenige -

      Sehn dess anders -

       

      Aber egal - ihre - so viel akzeptable -

      Gibts davon eh nicht -

      Wären bitte - welche, wer - &

      Was genau! & mit welcher -

      Intellel nachvollziebaren Begründung?!

       

      Sorry - ich frag ja nur mal!

      Dann - sag i was -

      Zur Sachen;!¡)

      Stochern im Nebel¿

      Ah nää - Dess schafts -

      Sonst mi;!)

       

      Was wenn ?? -

      Mit Willy Brandt -

      Wenn meine Oma Räder hätt -

      Wärse 'nen Onebus!

      (lübsch;))

  • Anmerkung zum Nebenschauplatz:

    Die Chance vom Schneepflug plattgemacht zu werden ist real; dazu muß man nur die US-Ostküste besuchen. Der wahre coolman fährt einen vollausgestatteten V8-pickup-"truck" mit Scheepflug, der auch im Sommer nicht abgeschraubt wird.

  • Das ist auch immer nur ein Meinungsforschungsinstitut, dass die AfD über 10% sieht. Yougov wurde von einem Abgeordneten der britischen Konservativen gegründet und hatte selbst noch 3 Tage vor der letzten Bundestagswahl Abweichungen vom Ergebnis von bis zu über 3%.

    • @Age Krüger:

      Yougov - Heiligs Blechle -

      Na Servus! Da schau her ~>

       

      Residiert in Kölle -

      Im OvalOffice ~> }%{

      "Jetzt weiß ich -

      Wie der junge Iggy Popp -

      Ausgesehen hat!" - Prusscht!!

       

      Ja wer nur Mozart kennt -

      Salzburger Nockerln - &

      Denn Schnürdelregen!

      Der - der schafft aach -

      Denn Höhen Göll - net!

      Ah na!

       

      Fahrt zum Kaffee auf'n ->

      Obersalzberg -;) &

      Liest sei Zohln -

      Im Schlagobers;) &

      Schümli.at-Satz! &

      Ja - & "Husch husch -

      Sann die andern wech!"

       

      kurz & Mit Karl Kraus - & @A.;)

      "Ga/or net erst ignorieren"

  • Die Medien schreiben gerne etwas herbei, mehr dazu! Oder auch warum BILD so viel und gerne zitiert wird, ist das die neue dpa? Jedenfalls auch ein dickes Lob

  • Endlich mal wieder ein Politiker, der das Zeug zum Staatsmann/-frau hat.

    Schaffen wir das dann kann dieses Jahr der Moment sein, in dem sich die Welt vom hartherzigen Turbokapitalismus hin zu menschlichen Antlitz wandelt; vergleichbar mit Bismarcks Kulturkampf.

  • Verfrühtes Wort zum Sonntag;!¡)

    Amen

  • Dank! Ich fürchtete schon allein mit meiner Einschätzung zu stehen und mir eine entsprechende Klinik suchen zu müssen.

  • Der kritische Wahlmonat März steht vor der Haustür, im Dezember befürchteten die Sozialdemokraten Wahlergebnisse für die AfD um 15%. Ich vermute, wenn es ganz dick kommt, dann muss Merkel zurücktreten. Nur als Bauernopfer, denn sie macht ja nichts falsch.

     

    Es ist natürlich extrem teuer für die Volkswirtschaft, wenn in den USA die Infrasteruktur still steht wegen Schneesturm. Das freut die Rückversicherer.

  • An Merkels Rücktritt glaub ich auch erst, wenn sie ihn erklärt hat. Die CDU hätte dann gewiss ein ernstes Problem, zumindest würde sie es dann erstmals kurzzeitig auch als solches wahrnehmen. Die Union, wenn man das hier überhaupt noch sagen darf, hat ja schon länger so ein Problem als Hauptprogrammpunkt, kommt aber selbst damit nicht recht voran.

    Geht die Welt nach Merkels Rücktritt unter? Nein! Man müsste sich nur schnell jemand anderes suchen, dem man die Schuld für "unseren" unerschöpflichen Reichtum in die Schuhe schieben könnte. Irgendwie sowas wie den "mächtigsten Zwerg der Welt". Ein Whopper, der immer kleiner wird, je mehr man von ihm sieht. Ein Microgiant eben - und möglichst microsoft sollte er natürlich auch sein - nicht nur zu Flüchtlingen, versteht sich.

  • Ein Monstersturm gegen Merkels Politik, aktuell die Flüchtlingspolitik, nutzt allenfalls de AfD.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Treffend kommentiert, leider dort zu wenig verbreitet, wo es an Verstand mangelt.

  • Und doch: Der Schnee von gestern liegt noch und weiterer kommt gewiss.

  • der erste echte, kluge und richtige Artikel zum Thema (egal zu welchem)

     

    Schade, dass diese Art Journalismus halt kein Geld verdient (außer meinen paarEurofünfzig halt)

     

    Zum Ausgleich: Extra-großes Lob!