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Aus der Sonderausgabe „Charlie Hebdo“Haben zu wenige Muslime Humor?

Auch wenn die Gemüter vieler Muslime leicht zu entzünden sind: Ihr Prophet konnte im Gegensatz zu Jesus jedenfalls lachen.

Illustration: Nel Ioan Cozacu

Einer der aktuell beliebtesten Witze der islamischen Welt handelt von einem Mann, der beim Spazieren im Central Park ein kleines Mädchen vor einem Pitbull rettet. Er kämpft mit dem Hund und tötet ihn. Ein Polizist kommt hinzu und verkündet: „Sie sind ein Held! Morgen wird in der Zeitung stehen: ‚Tapferer New Yorker rettet kleinem Mädchen das Leben!‘ “ – „Aber ich bin kein New Yorker“, sagt der Mann. Darauf der Polizist: „Oh, dann wird es heißen: ‚Tapferer Amerikaner rettet kleines Mädchen!‘ “ – „Aber ich bin kein Amerikaner! Ich bin Saudi.“ Die Schlagzeile am nächsten Tag lautet: „Islamistischer Extremist tötet unschuldigen amerikanischen Hund!“

Mohammed selbst war vielleicht nicht der allergrößte Clown unter der Sonne Arabiens. Über diesen modernen Witz aber hätte vielleicht doch gelacht. Manche Zeitgenossen behaupten, er habe beim Lachen sogar die Zähne gezeigt – was beinahe als ausgelassenes Wiehern zu interpretieren wäre. Seine Frau Aischa dagegen erklärte, niemals habe er so sehr gelacht, „dass ich sein Gaumenzäpfchen sehen konnte. Er hat nur gelächelt.“

Als gesichert gilt, dass Mohammed durchaus einen gewissen Humor besaß. Einmal beispielsweise bat er einen Gefährten in sein sehr kleines Zelt mit den Worten, er könne getrost „ganz hereinkommen“. Jesus hingegen muss im ganzen Neuen Testament nie auch nur ein einziges Mal kichern – herzlich bis höhnisch lachen darf er nur im apokryphen Evangelium des Judas.

Im Koran freilich hört der Spaß schon in Sure 9 (Verse 64 bis 66) auf: „Macht euch nur lustig. Allah wird herausbringen, was ihr fürchtet. Und wenn du sie fragst, werden sie gewiss sagen: Wir haben nur … gescherzt. Sag: Habt ihr euch denn über Allah und seine Zeichen und seinen Gesandten lustig gemacht? Entschuldigt euch nicht! Ihr seid ja ungläubig geworden … Wenn wir auch einem Teil von euch verzeihen, so strafen wir einen anderen Teil dafür, dass sie Übeltäter waren.“ Von den entsprechenden Poltereien im Alten Testament unterscheidet sich das nur graduell, und selbst in der Bergpredigt droht Jesus: „Wehe, die ihr jetzt lacht, ihr werdet weinen und klagen“.

Alles verspotten dürfen

An Mohammed also kann’s nicht liegen, dass die Gemüter mancher Muslime durch Literatur (“Die satanischen Verse“) oder Satire so leicht zu entzünden sind. In Lessings frommer Ringparabel steht der Vater (Gott) vor dem Problem, unmöglich jedem seiner drei Söhne (Judentum, Christentum, Islam) den „echten“ Ring (die Wahrheit) schenken zu können – also bekommt jeder einen Ring, sodass der „echte“ nicht mehr erkennbar ist und alle sich so edel verhalten müssen, wie es sich für den Träger des Erbstücks gehört. So weit, so humanistisch. Aus satirischer Sicht haben wir es schlicht mit einem väterlichen Trickbetrüger zu tun, der gefährliche Fälschungen eines „echten“ Rings in Umlauf bringt, den es niemals gab.

Eine solche skeptische Reserve des Einzelnen vor der angeblichen Erhabenheit des Allmächtigen gibt es in jeder Religion. Je jünger und vitaler eine Religion, umso weniger ist sie bereit, diese Reserve innerhalb – oder außerhalb – ihrer Reihen zu dulden. Und das ist ein Umstand, der offensichtlich gerade die pluralistischen und laizistischen Demokratien des Westens unter Spannung setzt. Prinzipiell ist in unseren Gesellschaften kein Kunstwerk, keine Überzeugung, keine Ideologie, keine Philosophie und auch kein Glaubenssystem dagegen immun, kritisch überprüft und beizeiten ins Lächerliche gezogen zu werden. Nichts macht hier mehr „allein selig“, alles Absolute ist bestenfalls da, wo es hingehört – auf dem Rückzug ins Obskure oder Private, wo es sich dem Zugriff der Vernunft entzieht.

Der offenbar schwer verständliche Witz ist, dass säkulare Menschen in einer freien Welt ausnahmslos alles verspotten dürfen. Und doch stand noch nach jedem islamistischen Anschlag immer ein Geistlicher oder Intellektueller auf, um öffentlich die Ausgrenzung und Diskriminierung der Muslime zu beklagen – verbunden mit dem salbungsvollen Bedauern, es würde ihrem kostbaren Glauben nicht genug Respekt erwiesen.

Zwar ist nicht jeder Mensch der Zumutung gewachsen, nach individueller Fasson selig zu werden. Wer es in einer Gesellschaft aushalten will, die ihre ehrwürdigsten Grundsätze gegen den einhegenden Einspruch der Religionen durchgesetzt hat, wird diese Freiheit aushalten müssen. Metaphysische Obdachlosigkeit? Frische Luft! Kollektive Halluzinationen sind schwer einklagbar.

Was zwangsläufig den Narzissmus von Gläubigen kränkt, die zu einem Bewusstsein der Überlegenheit ihrer eigenen Religion erzogen worden sind. Fundamentalisten werde sich von einer gleichgültigen Wirklichkeit immer zurückgesetzt fühlen – überfordert schon von der einfachen Frage, wie stark eigentlich ein Glaube sein kann, der nicht einmal satirische Kritzeleien auf eigene Kosten duldet. Hier verliert die Religion als nützliche Fiktion ihre Funktion, steht die Schizophrenie in voller Blüte.

Von Idioten verehrt

Ich habe das Recht, an orientalische Märchen zu glauben. Aber ich habe kein Recht, anderen Menschen die Regeln und Gesetze aufzuzwingen, die ich aus diesen Märchen ableite. Ich habe das Recht, mich angegriffen zu fühlen, wenn jemand meinen Glauben als blühenden Unsinn bezeichnet. Aber ich habe kein Recht, anderen vorzuschreiben, wie sie sich zu äußern haben, damit ich mich nicht beleidigt fühle.

Sofern bewaffnete Schwachköpfe das Recht nicht in die eigene Hand nehmen, wird es vor Gericht ermittelt. Häufigster Prozessgegner von Charlie Hebdo war die katholische Kirche in Frankreich, gefolgt von Marine Le Pen. 2006 fühlten sich muslimische Organisationen von einer Charlie Hebdo-Karikatur beleidigt, in der ein verzweifelter Mohammed bekundete: „Es ist hart, von Idioten verehrt zu werden.“ Die Anklage lautete auf Rassismus und Missbrauch der Pressefreiheit.

Sieben der damals angeklagten Satiriker, damals in allen Punkten freigesprochen, fielen 2015 der „Selbstjustiz“ islamistischer Extremisten zum Opfer.

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24 Kommentare

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  • Das Problem derer, die zu einem Bewusstsein der Überlegenheit ihrer eigenen Weltsicht erzogen worden sind, teilen manche Gläubige offenbar mit Arno Frank. Vielleicht also hat es ja gar nicht all zu viel mit Religion zu tun?

     

    Ich wüsste wirklich gern, was der Narzissmus Arno Franks dazu sagt, dass ich ihm Humorlosigkeit attestiere angesichts dieses Textes. Fundamentalisten sollen sich ja leicht "zurückgesetzt fühlen", wenn sie glauben, dass sie einem gleichgültig sind - und dann Anzeichen von Schizophrenie erkennen lassen. Da hilft es einem dann auch nichts zu sagen: Sorry, Kumpel, war nicht so gemeint.

     

    Ob Jesus oder Mohamed gelacht hätten über den Hinweis, dass der, der da die Zähne bleckt, ihr Spiegelbild ist, will ich hingegen gar nicht so genau wissen. Die beiden sind mir einfach schon zu lange tot. Genau wie jene sieben Satiriker, die 2006 ganz richtig festgestellt haben: "Es ist hart, von Idioten verehrt zu werden." Ich wünschte wirklich, die Leute wären noch am Leben.

  • Vielleicht wollten die Leute bei Charlie Hebdo auch einfach mal all denen kräftig auf die Füße treten, die jetzt anfangen, ihre Religion zu rechtfertigen.

     

    Denn nicht nur Muslimen fehlt es an Humor. Ist ja immerhin der gleiche Gott, und getroffene Christen beißen.

     

    Und werden dadurch hervorragend von Charlie Hebdo vorgeführt ☺

     

    (ursprünglich geschrieben bei http://taz.de/!5267581/ wo getroffene Christen beißen)

  • "Haben zu wenige Muslime Humor?"

     

    Oder ist, was zu viele Christen für Humor halten, gar keiner?

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      charlie hebdo sind neurdings also christen? uff...schwarz und weiß ergibt selten bunt

      • @6474 (Profil gelöscht):

        Offenbar sind Sie der Durchblicker hier.

  • Danke dafür, dass in der taz auch noch solche Artikel erscheinen dürfen und nicht nur die unerträglichen Kommentare des Herrn Bax, der als unkritischer Lobbyist der konservativen Islamverbände immer wieder von uns fordert, Rücksicht auf die "religiösen Gefühle" zu nehmen. Was schon in sich lächerlich ist, weil allein schon die Existenz von konkurrierenden Religionen und Atheisten diese religiösen Gefühle verletzen kann.

    • @vulkansturm:

      Und wie ist es mit den "Heimatgefühlen"?

      • 6G
        6474 (Profil gelöscht)
        @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        ür heimatgefühle gilt das selbe. ändert das was an schwachsinnigen religösen gefühlen?

        • @6474 (Profil gelöscht):

          Die Frage ging an Kollege VULKANSTURM.

  • Was mich stört ist die Tatsache, dass jeder "Respekt" einfordert. Respekt vor was? Vor einer imaginären Gottheit? Ich fordere Respekt vor meiner freiheitlichen Gesinnung, ich nehme mir das Recht heraus Witze oder Spott über irrationale Gottheiten zu machen. Übrigens, der zitierte Witz war mir neu und ich musste Lachen. Schön so etwas. Erinnert mich an den wo ein Rabbi, ein Kath. Pastor und ein Atheist sich streiten.... Aber den kennt ja nun jeder.

    • @Herbert Priess:

      nennen sie's doch beim wort, sie nehmen's sich heraus ein arschloch zu sein und sich über andere lustig zu machen.

      Klar dürfen sie das machen, kann aber auch mal schief gehn, denn papa staat kann nicht überall auf sie aufpassen.

      vernünftig ist es eben respektvoll mit einandern umzugehen, auch wenn einem die weltsicht der fremden fremd erscheint.

      • 6G
        6028 (Profil gelöscht)
        @Domi Martin:

        "... kann aber auch mal schief gehn, denn papa staat kann nicht überall auf sie aufpassen..."

        Ich höre da eine klammheimliche Freude heraus.

        Was mich stört ist die Asymmetrie der Reaktionen: wenn der Nicht-Gläubige mal spottet, nimmt sich der Gläubige heraus, ihn deswegen physisch zu vernichten.

        Mal angenommen, dass der Gläubige nicht von Grund auf schlecht ist, muss in dem Spott etwas liegen, was ihn bis in seine Grundfesten erschüttert.

        Ich kann mir das nur so erklären, dass auch der gläubigste Mensch ganz tief in sich einen grundsätzlichen Zweifel hat, ob sein Glauben denn wirklich wahr ist.

        Normalerweise werden diese Zweifel durch Wasserfälle von (scheinbaren) Begründungen zurückgedrängt.

        Aber gegen Spott ist nun mal keine Argumentation gewachsen ...

      • @Domi Martin:

        Da Humor zumeist auf jemandes Kosten geht, sind humorvolle Menschen Ihrer Ansicht nach also grundsätzlich Arschlöcher?

         

        Kann Humor denn nicht auch eine sinnvolle Form der Kritik sein, beispielsweise im politischen Kabarett?

         

        Und sind die Arschlöcher nicht eher die Menschen, die wegen eines Witzes oder einer Karikatur töten?

  • So sehr ich den Kommentar von Herrn Bax für grundfalsch halte, so klug und kritisch finde ich diesen hier. Guter Artikel!

  • Humor steht für Selbstreflexion und Selbstreflexion ist die Errungenschaft der Aufklärung. Humor ist somit auch Freiheit, die von Witzchen über Ironie und Selbstironie bis zu bösem schwarzem Humor reicht.

    Ich weiß wenig über den Humor in der Islamischen Welt. Den gibt es sicher. Wenn aber einer das Abendland verteidigen will, dann sollte er als erstes Humor verteidigen und sich darin üben.

    • @Michael Oldenburg:

      Gerade als Deutscher ist man ja weltweit berühmt für vorbildlichen Humor. Deswegen muß man ihn auch immer möglichst dumpf & schrill demonstrieren, siehe Kölle Alaaf, Klimbim, Nonstop Nonsens, Fips Asmussen, Mario Barth und Atze Schröder. Damit es auch ja alle merken, wie witzig wir doch sind.

  • Religion ist selten lustig. Charlie Hebdo wäre ohne diese doch meist recht billigen und schlechten "Witzchen" bei weitem nicht so stark in dem Medien vertreten. Wenn man mal den Anschlag auf das Blatt weg denkt, bleibt da nicht viel. Warum muss es denn so oft der Islam seien über den man Witze macht...

     

    Ich finde das recht billig. 2012 wurde noch ganz anders über dieses Blatt geschrieben. Wenn ein Comedian immer wieder auf diesem Thema rum reiten würde, wäre das auch schnell ausgelutscht und als live show doch recht fragwürdig.

     

    Auch ist die Aussage "Haben Muslime wenig Humor" doch mehr als Plakativ und führt zu nichts. Machen sie doch mal die selben Witze beim Parteitag der CSU über das Christentum, da wird ihnen ganz schnell eine zornige Brise entgegen wehen.

     

    Die nehmen sich da alle nicht viel und ich sehe auch keinen Sinn darin immer wieder darauf herumzureiten.

    • @snowcrash:

      So ist es. Vor den Anschlägen hat doch außer ein paar gealterten Comicfreaks den Namen "Charlie Hebdo" gar niemand gekannnt.

  • naja, nichts gegen ein bisschen spaß, die meisten christen erzählen auch pertus witze.

    Das man sich kein bild von anfertigen soll ist das zweite gebot, aber für jesus und muhhamed gilt es eigtl nicht da sie menschen waren.

     

    Am besten kann man die zeichnungen mit so witzen wie "warum haben frauen kleinere füße? - damit sie näher am herd stehen können " vergleichen. sind einfach schlecht bis beleidigend. Sich über die religion und arten von mitmenschen öffentlich lustig zu machen, ist einfach bescheuert, auch wenn es legal ist.

    • @Domi Martin:

      Der Vergleich hinkt insofern als das sich in einem Fall über eine Ideologie und im anderen Fall über ein Geschlecht lustig gemacht wird. Und das der eine Witz eine Sexistische Klischee ist, der von Charlie Hebdo eine Kritik des Missbrauchs der Religion. Das Verbot sich ein Bildnis zu machen kann ja von den Anhängern der jeweiligen Religion gerne befolgt werden, warum bitte soll es ihnen das Recht geben anderen Menschen vorzuschreiben wie sie über ihre Ideologie zu sprechen oder berichten haben?

      • @Jon Dah:

        nein, aber man kann auch rücksicht auf die kultur der mitmenschen nehmen solange diese einen nicht in seinen rechten verletzt.

        " „Es ist hart, von Idioten verehrt zu werden."

        ist wirklich gute kritik des missbrauchs einer religion (kek?). Nein natürlich ist das nur eine provokation, genauso wie bei dem sexistischen witz.

        • @Domi Martin:

          Mich stört es, wenn Leute über Gott reden. Das hindert die aber nicht daran, zu erzählen, dass ich in die Hölle komme. Sie würden das sogar meinen Kindern erzählen — staatlich alimentiert.

           

          Wenn diese Leute von mir verlangen, ich solle Rücksicht auf ihre Kultur nehmen, sollten sie bitte erstmal aufhören, mich in ihren Geschichten mit Folter zu bedrohen — oder mit Ausschluss aus der Gemeinschaft.

           

          Oder anders gesagt: Natürlich haben alle das Recht, in ihren Geschichten zu schreiben was sie wollen. Inklusive mir, der ich über ihre Geschichten schreiben darf, was ich will.

  • Die meisten Menschen können lachen, aber es gibt Menschen, die immer nur über andere lachen können und nie über sich selbst, und die es auch nicht ertragen, wenn andere über sie lachen. Das sind die Gefährlichen, denn sie nehmen für sich etwas in Anspruch, das sie anderen nicht zugestehen und das hört selten bei Worten auf.