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Frankreich gegen den ISKein Krieg

Frankreich sieht die Anschläge als „Kriegsakt“ des IS und will entsprechend reagieren. Doch für Terroristen gilt das Strafrecht.

Premierminister Manuel Valls (l.) und Präsident François Hollande. Foto: reuters

Freiburg/Genf taz | „Was sich gestern ereignet hat, ist ein Kriegsakt, und dem gegenüber muss das Land die angemessenen Entscheidungen treffen“, sagte der französische PräsidentFrançoisHollande am Samstag. Premierminister Manuel Valls erklärte: „Ja, wir sind im Krieg.“ Frankreich werde handeln, um diesen Feind zu zerstören.

Noch ist unklar, ob es sich hier nur um markige Rhetorik handelt. Falls die französische Regierung aber auch die völkerrechtliche Lage beschreiben wollte, liegt sie falsch. Völkerrechtlich ist Frankreich nicht „im Krieg“ mit dem IS.

Der „Krieg gegen den Terror“ wurde zum Leitsatz der US-Regierung nach den Anschlägen von 2001. Dabei sahen sich die USA tatsächlich völkerrechtlich im weltweiten Kriegszustand mit al-Qaida, weshalb ihnen die Tötung von Al-Qaida-Kämpfern generell als gerechtfertigt galt. Europäische Völkerrechtler haben diese Sichtweise stets abgelehnt. Terrororganisationen wie al-Qaida müssten mit den Mitteln des Strafrechts bekämpft werden.

Mit Blick auf den Islamischen Staat (IS) stellte sich diese Frage neu. Immerhin führt der IS den Begriff „Staat“ im Namen, und er herrscht auch über große Territorien in Syrien und im Irak. Allerdings ist der IS bisher von niemandem als Staat anerkannt worden. Völkerrechtlich handelt es sich nur um eine illegale Aufstandsbewegung, die von den jeweiligen Regierungen auch militärisch bekämpft werden darf.

Eine Aufgabe der Polizei

Nun hatte Frankreich schon Ende September und Anfang Oktober IS-Ausbildungslager in Syrien bombardiert. Frankreich hatte dabei aber weder die Zustimmung der syrischen Regierung noch ein UN-Mandat. Begründet wurden die Militäraktionen als französische „Selbstverteidigung“, denn in den Lagern würden auch Attentate in Frankreich vorbereitet. Völkerrechtlich überzeugend ist das nicht. Die Verhinderung von Attentaten in Frankreich ist eine Aufgabe der Polizei. Auch angehende Terroristen dürfen nicht vorsorglich hingerichtet werden, schon gar nicht im Ausland.

Doch selbst wenn man die französischen Luftschläge auf IS-Stellungen als rechtswidrig einstuft, wäre dies keine Rechtfertigung für die IS-Anschläge von Paris. Auf eine Verletzung der syrischen Souveränität kann sich nur Syrien berufen, nicht der IS.

Umgekehrt hatten die Pariser IS-Angriffe auch keine derart militärische Qualität, dass nun von einem bewaffneten Konflikt auf französischem Boden ausgegangen werden kann. Dementsprechend ist auch nach den jüngsten Attentaten völkerrechtlich keine militärische Antwort gegen den IS gerechtfertigt.

Nach den Anschlägen von 2001 hatte die Nato den Bündnisfall ausgerufen. Doch konnten die Terroranschläge damals zumindest auch dem afghanischen Taliban-Staat zugerechnet werden, der al-Qaida unterstützte und gewähren ließ. Ob wegen der IS-Anschläge der Bündnisfall möglich wäre, bleibt offen. Allerdings hat Frankreich bisher die Nato gar nicht um Hilfe gebeten.

Eher Rhetorik

Selbst wenn der Bündnisfall festgestellt würde, könnte jeder Nato-Staat selbst entscheiden, auf welche Weise und in welchem Ausmaß er Frankreich unterstützen würde. Es gäbe keinerlei Automatismus. Ein Einsatz der Bundeswehr müsste zudem vom Bundestag beschlossen werden.

Drohungen aus Paris, den Krieg gegen den IS zu verschärfenen, sind wohl eher Rhetorik. Frankreich könnte die Zahl seiner Luftschläge auf IS-Stellungen zwar ausweiten. Mit Luftangriffen können dem IS allerdings nur gewisse Rückschläge zugefügt werden. Militärisch besiegen lässt sich der IS so aber nach Expertenansicht nicht – selbst wenn auch die anderen westlichen und arabischen Staaten ihre Angriffe deutlich steigerten. Schon gar nicht ließe sich der IS aus der im Juni 2014 eroberten, strategisch bedeutsamen Zwei-Millionenstadt Mossul vertreiben. Das gelänge – wenn überhaupt – nur im verlustreichen Straßen- und Häuserkampf mit regulären Bodentruppen. Doch zu deren Entsendung ist die französische Regierung bisher ebenso wenig bereit wie irgendeine andere Regierung.

Bliebe als zusätzliches militärisches Instrument höchstens der Einsatz von Spezialkommandos. Diese könnten – nach dem Vorbild der US-amerikanischen Delta Forces – gezielte Einsätze auf syrischem oder irakischem Territorium durchführen, um führende IS-Mitglieder zu töten oder um kurdische Kämpfer und anderer Gefangenen der IS zu befreien.

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10 Kommentare

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  • Herr Hollande sollte weniger an Krieg, sondern mehr an die rechtsstaatliche Überführung der Geldgeber des IS denken. Das würde weniger Leben kosten und wäre effektiver. Was ist eigentlich mit dem Sponsor von Paris St. Germain?

     

    TAZ 04.09.2014: FRANKFURT/M. | Geldhaus steht zu Großaktionär aus Katar - Die Deutsche Bank sieht trotz Kritik aus Berlin keine Probleme mit ihrem Großaktionär aus Katar. ... Mehrere deutsche Politiker, unter anderem der stellvertretende CDU-Partei- und Fraktionsvize Thomas Strobl, hatten den Verdacht geäußert, dass Katar die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Nordirak unterstützt und dabei auch das Engagement Katars als Investor in Deutschland infrage gestellt. Katar hat die Vorwürfe, das Emirat finanziere die IS, zurückgewiesen. (rtr)

     

    Spiegel 19.05.2014: ... Deutsche-Bank-Aktionär Thani: Ein Scheich von Welt ... Wenn Scheich Hamad Bin Jassim Bin Jabor Al-Thani nach Europa reist, kann er vielerorts auf einen freundlichen Empfang hoffen. In Paris etwa könnte auf einen Besuch beim Ölkonzern Total Chart zeigen, ein Einkauf im Warenhaus Printemps folgen und zum Tagesausklang dann ein Spiel von Paris Saint Germain. In London wiederum kann der Scheich zunächst in der Börse London Stock Exchange Chart zeigen und bei der Großbank Barclays vorbeischauen, um dann nach Einkäufen bei Harrods und Sainsbury's Chart zeigen im Design-Wolkenkratzer The Shard zu Abend zu essen. Was alle genannten Unternehmen verbindet: Die Qatar Investment Authority (QIA), der Staatsfonds von Katar, besitzt sie entweder komplett oder erhebliche Anteile daran.

    • 3G
      3784 (Profil gelöscht)
      @Julianne:

      Island wird der Herr wohl eher meiden wie der Teufel das Weihwasser. Denn dort wartet der Staatsanwalt schon seit ein paar Jahren ungeduldig auf den sauberen Herrn: http://uti.is/?s=al-Thani

      Die Banker sitzen schon ein.

  • Der IS ist eben kein Staat und wird auch nie einer sein. Man kann mit ihm keinen Frieden schließen und man kann ihm auch nicht den Krieg erklären - das ist so beabsichtigt. Wenn Hollande von Krieg spricht, dann meint er, dass ein kriegerischer Angriff auf Frankreich - und das gesamte westliche Leben - stattfindet und damit hat er zweifellos recht. Die Frage, wie man darauf reagieren muss, ist äußerst diffizil und kann auch von Frankreich allein gar nicht beantwortet werden. Ohne Russland mit im Boot zu haben, wird es aus meiner Sicht mittel- und langfristig da wohl keine wirklichen Lösungen geben können. Nur die Rhetorik wird sich erfahrungsgemäß noch deutlich verstärken.

    • @Rainer B.:

      Ich möchte mich deinem Kommentar anschließen insbesondere deiner Meinung zur Bedeutung Russlands.

    • @Rainer B.:

      Der IS ist so ziemlich ein Staat. Nur weil andere Staaten sagen, es sei keiner, weil es den IS aufwerten würde, heißt nicht, das es keiner ist.

      • @Tim Leuther:

        Der IS hat keine öffentlichen Institutionen, keine legitimierten Ansprechpartner und Repräsentanten, keine völkerrechtliche Basis und keine rechtsstaatliche Struktur. Ihm fehlt so ziemlich alles, was einen Staat kennzeichnen könnte. Eine bewaffnete, wildgewordene Horde, die sich eines Territoriums bemächtigt hat, macht gewiss noch keinen Staat aus. Sie können schlechterdings nicht mit Leuten verhandeln, die ihnen erstmal den Kopf abschneiden, weil ihre Nase nicht gefällt.

  • Das die Nichtanerkennung als Staat dazu führen soll das man gegen den IS nicht Krieg führen kann ist schon etwas seltsam. Denn es ist ja offensichtlich das die Anerkennung als Staat deshalb nicht erfolgt, weil dies eine Aufwertung wäre. Und eine Aufwertung ist etwas das will man weder gegnerischen Orgenisationen und Staaten zugestehen.

  • Vielleicht hat ja einfach jeder die Feinde, die zu ihm passen.

     

    Der IS ist kein Staat und Frankreich ist auch nicht im Krieg. So wenig, wie François Hollande Sozialist ist, ist Abu Bakr al-Baghdadi Moslem. Die beiden Männer sind Machtstrategen. Hollande hat jede Menge innenpolitische Probleme, mit denen er nicht klar kommt und von denen er ablenken muss. Baghdadi ist ein Herrscher ohne Land und Volk. Beiden bleibt (gefühlt) nur die Gewalt. Dem, der als Staatsmann an gewisse Regeln gebunden ist, zunächst die rein rhetorische. Dem anderen, der völlig frei drehen darf, eine ganz praktische. Hollande kann, wenn er die Spur nicht demnächst wechselt, im Grunde nur verlieren. Entweder er zerstört das Reglement und bereitet (gemeinsam mit Anderen) den Rückfall der europäischen Zivilisation in die Barbarei vor, oder er verliert diesen Krieg, den er erklärt hat, weil er ihm als kleineres Übel erschienen ist.

     

    Mitunter ist an einer Rede weniger das interessant, was gesagt wird, als vielmehr das, was ungesagt bleibt. Sowohl Hollande als auch Merkel haben in ihren ersten Reaktionen auf die Attentate von Demokratie geredet und davon, dass die verteidigt werden muss. Dass es eine Demokratie ohne funktionierenden Rechtsstaat nicht geben kann und eine Demokratie ohne Frieden und Freiheit nicht nur unsinnig ist, sondern auch unmöglich, hat keiner von beiden erwähnt.

    • @mowgli:

      Wie kommen Sie zu der Behauptung, Abu Bakr al-Baghdadi sei kein Muslim/Moslem?

  • Frankreich ist eines der europäischen Länder, die seit nach 1945 die stärkste militärische Präsenz in der islamischen Welt zeigen. Frankreich hat sich vom Kolonialanspruch immer noch nicht ganz verabschiedet, geschweige denn diese seine Geschichte aufgearbeitet. Das ist ein großes Problem, ein wachsendes Problem.