Artgerechte Tierhaltung in Bremen: Bürger fordern Billigfleischbremse
Gestützt auf 5.383 Unterzeichner für einen Bürgerantrag will ein Bündnis die Stadt Bremen zwingen, die Kantinenverpflegung umzustellen.
Sollten die Forderungen vom Parlament unterstützt werden, wäre Bremen die erste Stadt Deutschlands mit einer offiziellen Billigfleischbremse.
Am Donnerstag übergaben Bargfrede und seine MitstreiterInnen ihr Unterschriftenpaket an den Parlamentspräsidenten Christian Weber (SPD) zur Prüfung. Seit Einführung 1994 ist es das zwölfte Mal, dass ein Bürgerantrag in Bremen eingereicht wird und es ist der zweite, seitdem das Quorum auf 4.000 UnterstützerInnen für kommunale und 5.000 für landespolitische Belange jeweils etwa halbiert wurde.
Konkret fordert der ABB-Antrag, dass die Stadt bereits ab 1. Januar dort, wo sie selbst, etwa bei Rathaus-Empfängen, als Gastgeberin auftritt, auf tierische Produkte ausschließlich aus artgerechter Haltung zurückgreifen solle.
Das Agrarpolitische Bündnis Bremen (ABB) ist ein Zusammenschluss lokaler Initiativen mit überregionalen Nichtregierungsorganisationen.
Seine Mitglieder sind der Agrarpolitische Arbeitskreis im Landkreis Verden und umzu, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der Umweltverband BUND, Brot für die Welt, die Bremer Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft, der Ökomarkt Bremen, Pro Vieh, die Verbraucher AnStiftung sowie der Verein Sozialökologie.
Das Instrument des Bürgerantrags gibt es in Bremen seit 1994. Anders als Bürgerbegehren und -entscheid erzwingt es aber lediglich eine ergebnisoffene Befassung und Beschlussfassung des Parlaments zu einem bestimmten Thema.
Bis Ende 2015 müsse der Senat in der Bürgerschaft einen Aktionsplan vorlegen, wie bis spätestens 2020 die gesamte öffentliche Verpflegung – von Kita- und Krankenhausküchen über Schul- und Hochschulmensen bis zu Behördenkantinen – aus dem Verbrauch von Produkten einer industriellen Massentierhaltung aussteigen könne.
Auch dann, wenn deren Betrieb durch private Caterer gewährleistet wird. „Gerade für die Gesundheit der Kinder sehe ich die Stadt in der Verantwortung“, betont Bargfrede. „Nach unseren Vorstellungen sollte das auch den Fleischkonsum reduzieren“, stellte Jutta Draub-Ketelaar klar.
Probleme bereiten könnte die Beschaffung: Die Landwirtschaft tut sich naturgemäß schwer dabei, auf einen sprunghaften Anstieg der Nachfrage zu reagieren. „Von einem Tag auf den anderen kann Bremen nicht auf artgerecht erzeugtes Fleisch umstellen“, sagt auch Rolf Ahrenholz, der aus dem Landkreis Verden die Bremer Initiative unterstützt. „Wir gehen deshalb auch von einer schrittweisen Einführung aus.“
Gleichwohl bereiten dem Bündnis die eigenen Fristen mittlerweile Sorge: „Dass bis Dezember ein richtig durchdachter Aktionsplan vorliegt, kann man im November eigentlich nicht mehr verlangen“, räumt Bargfrede ein.
Ursprünglich sei man davon ausgegangen, dass eine gesetzlich vorgesehene Online-Zeichnung des Antrags möglich wäre. Daran habe sich der Zeitplan orientiert. „Wenn die Politik sich jetzt hinter diesen Fristen verstecken würde, um den Antrag für unzulässig zu erklären, wäre das aus unserer Sicht arg formalistisch.“
Tatsächlich dürfte es Rot-Grün schwerfallen, das zu rechtfertigen. Denn ihr Koalitionsvertrag verbreitet sich im Unterkapitel „Ernährung“ seitenlang über das Ziel einer „ökologisch-sozialen Transformationspolitik“ und den wünschenswerten Einsatz regionaler, saisonaler Lebensmittel aus nachhaltigem Anbau. Bremen betreibe dabei, „um Zeichen zu setzen“, eine „Politik mit dem Einkaufskorb“, verspricht der Vertrag.
Allerdings: Der Vertrag bleibt dabei recht unkonkret – und bei den ABB-Aktiven weckt das ungute Erinnerungen an die vergangene Legislatur. Denn auch in der hatten SPD und Grüne versprochen, „auf den biologischen Landbau, artgerechte Tierhaltung, die Regionalvermarktung“ zu setzen und durch ein „Projekt Biostadt“ zur regionalen, umweltbewussten und gesunden Ernährung beizutragen.
Als diese frommen Wünsche jedoch durch die Grünenfraktion in einen Antrag gegossen worden waren, wollte der große Partner damit nichts mehr zu tun haben. Er wurde nach interfraktioneller Beratung kassiert.
„Deshalb machen wir das ja“, sagt Draub-Ketelaar. Dabei dürfte sowohl die durch die Warnung der Weltgesundheitsorganisation neu entfachte Diskussion über den überhöhten Fleischkonsum die Chancen fürs Anliegen verbessern.
Andererseits hat man sich bemüht, der begründeten Sorge, die Preise für Kita- und Schulessen könnten in der Folge explodieren, die Dringlichkeit zu nehmen: In München hat die auf die Beratung von Großküchen spezialisierte Firma a‘verdis die tatsächlichen Preissteigerungen pro Menü durch den Wechsel auf artgerecht erzeugte Tierprodukte ermittelt.
Derzufolge ergäben sich Mehrkosten von 2,46 Euro pro Monat durch den Einsatz von Neuland-Fleisch, was „gemittelt gerade einmal 0,12 Euro pro Mahlzeit Mehrkosten“ bedeute. Notfalls, so Bargfrede, müsse diese Mehrbelastung bei den Finanzschwachen durch die öffentliche Hand ausgeglichen werden. „Das muss der Gesetzgeber in den Griff kriegen.“
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