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Kleiner Sieg im Kampf der Mapuche gegen das Fracking

Argentinien Umweltaktivistin Relmu Ñamku wird vom Vorwurf des Mordversuchs freigesprochen

Erstmals bestand ein Geschworenen­gericht zur Hälfte aus Mapuche

BUENOS AIRES taz | Argentiniens Mapuchevolk jubelt: Ein multiethnisch besetztes Geschworenengericht hat die Umweltaktivistin Relmu Ñamku am Mittwoch vom Vorwurf des Mordversuchs freigesprochen. Die Mapuche war angeklagt, bei der Räumung einer Blockade eine Justizangestellte durch einen Steinwurf lebensgefährlich verletzt zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte 15 Jahre Gefängnis gefordert.

Der Vorfall ereignete sich im Dezember 2012 rund 30 Kilometer von der Kleinstadt Zapala entfernt in der patagonischen Provinz Neuquén. Die Mapuchegemeinschaft Winkul Newen hatte den Durchgang über ihr angestammtes Territorium blockiert. Die Gemeinschaft wehrte sich damit zum wiederholten Mal gegen die bereits verursachten Umweltverschmutzungen auf ihrem Gebiet durch den damaligen US-Ölmulti ­Apache und das drohende Fracking.

Bei einer am 28. Dezember 2012 angeordneten Räumung kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen Polizei und den Blockierern, Steine flogen. Ein Stein traf die Justizangestellte. Was zunächst als Körperverletzung angezeigt wurde, wurde später von der Staatsanwaltschaft als Mordversuch ausgelegt und Relmu Ñamku zur Last gelegt. Hinzu kam eine Anklage wegen schwerer Sachbeschädigung, wegen der auch die beiden Mapuche Mauricio Rain und Martín Maliqueo mitangeklagt wurden.

Die Mapuche befürchteten, dass hier ein juristisches Exempel statuiert werden sollte. „Der Prozess war überzogen und hatte eine rassistische Textur“, so Relmu Ñamku, Den Mapuche-Anwälten gelang es jedoch nicht nur, das Verfahren in Zapala stattfinden zu lassen, sondern auch vor einem Geschworenengericht mit Angehörigen der Mapuche: sechs der zwölf Geschworenen waren Mapuche.

Am Mittwoch sprach die Jury die Angeklagten frei. Relmu Ñamku wurde lediglich der leichten Sachbeschädigung für schuldig befunden. „Die Jury besaß weitaus mehr Weisheit und urteilte mit breiteren juristischen Kriterien, als es ein lediglich technisch agierender Richter getan hätte“, kommentierte Ñamkus Verteidiger Dario Kosovsky den Prozess.

Ausschlaggebend seien nicht nur die Unverhältnismäßigkeit der Anklage und der Mangel an Beweisen gewesen, sondern auch der Hintergrund des Konflikts: die Schwäche einer Gemeinschaft angesichts des Vordringens der Ölfirmen auf ihr Gebiet, ohne vorher um ihre Meinung gefragt zu haben

Der Kampf der Mapuche gegen die Ausbeutung von Öl- und Gasvorkommen auf ihren traditionellen Ländereien ist nicht neu. Seit Argentinien jedoch um das Jahr 2010 dem Frackingfieber verfallen ist, nehmen die Auseinandersetzungen nicht nur zahlenmäßig, sondern auch an Schärfe zu. Vor allem im ­Neuquén-Becken lagern große Vorkommen – die Sierra de la Vaca Muerta gilt als weltweit zweitgrößte Lagerstätte für Schieferöl und -gas nach den Vorkommen im US-Bundesstaat Texas. Jürgen Vogt

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