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Österreicher chauffiert AsylsuchendeNackt bei der bayerischen Polizei

Er brachte eine Flüchtlingsfamilie zur deutschen Grenze. Nun drohen einem Österreicher bis zu 10 Jahre Haft – wegen des Vorwurfs der Schleuserei.

An der deutschen Grenze war für Wolfgang Wurm Schluss Foto: photocase

Wien taz | Wolfgang Wurm kann es noch immer nicht fassen. „Jetzt bin ich der Schwerkriminalität angeklagt. Ich musste mich nackt ausziehen, bin von allen Seiten fotografiert worden“, erzählt der 47-jährige Oberösterreicher in den ORF-Nachrichten „Zeit im Bild“. Stundenlang saß er in Bayern in Untersuchungshaft, jetzt hat er ein Strafverfahren am Hals, ihm drohen bis zu 10 Jahren Haft. Theoretisch. Praktisch könnte er aber durchaus mit zwei Jahren davonkommen.

Sein „Verbrechen“: Er hat eine Flüchtlingsfamilie zwei Kilometer zur deutschen Grenze chauffiert. Dort wurde er von der bayerischen Polizei festgenommen – und gleich wegen Schleuserei angeklagt.

Deutschland schwelgt seit Wochen in einer „Willkommenskultur“ und feiert die Hilfsbereitschaft, mit der normale Bürger den Flüchtenden begegnen. Diesen zivilgesellschaftlichen Aufbruch gab es auch in Österreich – mit einem kleinen zusätzlichen Detail: Da Österreich direkt an Ungarn grenzt, ist eine regelrechte Bewegung von Leuten entstanden, die Flüchtlinge aus Ungarn nach Österreich chauffierten.

Die genauen Zahlen kennt keiner, aber ganz gewiss haben österreichische Privatleute in den vergangenen Wochen mehrere tausend Flüchtlinge aus Budapest, Györ, Röszke und anderen Orten in Sicherheit gebracht. Dabei sind sie sich der Risiken durchaus bewusst. In Ungarn drohen Strafverfahren, in Österreich sind diese Chauffeurdienste über die Grenze – sofern kein Profitmotiv vorliegt – bloß eine Ordnungswidrigkeit.

Womit aber niemand rechnete: Die wirkliche Repressionsgefahr droht wohl in Bayern. Helfer und Helferinnen, die Flüchtlinge aus Ungarn nicht bloß zum Wiener Westbahnhof chauffierten, sondern gleich über die bayerische Grenze brachten, werden in vielen Fällen von der Justiz verfolgt. Es liegen mehrere Berichte von Aktivisten vor, die Flüchtlingsfamilien bloß über die bayerische Grenze bringen wollten, dabei sogar direkt Polizeidienststellen ansteuerten, damit die Flüchtlinge Asyl beantragen konnten – und schnurstracks in Haft wanderten. Anschließend das komplette Programm: Handschellen, 48 Stunden U-Haft in den eher harmlosen Fällen, Freilassung gegen Kaution und eine Androhung von zwei Jahren Freiheitsstrafe.

Aber die bayerischen Gefängnisse scheinen gerade überzuquellen von vermeintlichen Schleppern – 713, so die offizielle Zahl, warten gerade in Haft auf ihren Prozess. Auch Taxifahrer, die Flüchtende zu einem Solidaritätstarif oder zum ortsüblichen Beförderungstarif fuhren, wurden in Bayern festgenommen. Und das, wohlgemerkt, zu einer Zeit, als Flüchtlinge auch einfach mit der Bahn in Sonderzügen über die Grenze gebracht wurden – und alle klatschten.

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13 Kommentare

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  • Der Unterschied ist schlicht, dass das eine von den Behörden abgesegnet war und das andere nicht. Wenn der BND Daten illegal an die NSA gibt, wird nicht ermittelt. Gibt es aber einen, der Daten ebenso illegal ohne Absprache an die NSA gibt, so gilt dies als Spionage und wird schwer bestraft.

    Verständlich wäre, wenn die Polizei kommerzielle Schleuser oder Schleuser, die das Leben der Flüchtlinge gefährden, verfolgen würde.

    • @Velofisch:

      Der Mann hat am Grenzübergang auf der Grenzlinie angehalten. Die BuPo hat dort den Geflüchteten die Einreise gestattet.

       

      Die Polizei hat die vorgebliche Straftat also selbst ausgeführt.

  • Fragt sich wirklich, was das soll?

     

    Wenn jemand ebenso mit der Bahn legal in Deutschland einreisen kann, würde ich nicht unbedingt eine überflüssige, die Umwelt belastende, Autofahrt machen.

     

    Aber wenn er sie in einem BMW gemacht hätte, hätte Bayern bestimmt Verständnis dafür.

     

    Ich entnehme aus solchen Vorfällen, dass selbst die Bewohner des benachbarten Auslands nicht wissen, in was für einen Staat sie da Flüchtlinge "abschieben" wollen.

  • Blöd gelaufen. Illegaler Grenzübergang. [...] Kommentar gekürzt. Beachten Sie die Netiquette! Die Redaktion

    • @Kappert Joachim:

      Meines Wissens sind die über legale Grenzübergänge, oder was meinten Sie ?

      Der deutsche Staat gibt für Bildung offenbar zu wenig aus, wie auch für die Entwicklung zivilcouragierter Charakter.

    • @Kappert Joachim:

      selber Hirn einschalten, du Schlechtmensch du.

      • @Rider:

        nach dieser Logik müssten sie auch Merkel, Faymann, Bahnchef Grube, ÖBB-Chef, MP Woidke Brandenbg, RBM Müller Berlin usw. einsperren, s.u.

  • Die Bahn macht das ganz legal



    https://www.berlin...teilung.378167.php

    Pressemitteilung vom 25.09.2015



    Am Sonnabend, 26. September 2015, werden erneut Flüchtlinge in Berlin erwartet, die über Österreich nach Deutschland einreisen. Der Sonderzug IC 2492 mit 450 Flüchtlingen soll um 11.00 Uhr am Regionalbahnhof Flughafen Schönefeld eintreffen.



    300 Flüchtlinge wird Berlin aufnehmen, die übrigen übernimmt Brandenburg.

    Die für Berlin bestimmte Gruppe wird mit Bussen der BVG in die Notunterkunft im Olympiapark (Glockenturmstr.) gebracht. Am Bahnhof stehen Einsatzkräfte der Polizei und Feuerwehr sowie Mitarbeiter des LAGeSo und Sprachmittler bereit, um die Flüchtlinge in Empfang zu nehmen und nach Bedarf medizinisch zu versorgen.

    Laut Twitter kommt auch dieser IC - ebenso wie in den vergangene Tagen - aus Salzburg https://twitter.com/@SenGesSoz https://www.berlin...ressemitteilungen/

  • Die Familie muss in Österreich Asyl beantragen. Das ist die geltende Rechtslage.

    • 3G
      3784 (Profil gelöscht)
      @Tim Leuther:

      Es mag zutreffend sein, dass je dringender jemand einen Rat brauche, desto geringer die Wahrscheinlichkeit sei, dass er ihn annehmen werde. Aber einen Versuch ist es wert:

      Es ist das Gesetz, das dem Not leidenden Individuum abverlangt, in Österreich Asyl zu beantragen, und es ist das Recht, das dem Individuum abverlangt, zu seiner Familie zu gehen, wo immer diese auch sei.

      Es ist sich daher zu hüten vor solchen Menschen, die nur zu gerne Gesetz mit Recht verwechseln. Deren Ohren sind ebenso taub für das Recht, wie deren Motive bekannt.

    • @Tim Leuther:

      Quatsch mit Sosse - sie hätten in Griechenland oder Ungarn Asyl beantragen müssen. So jedenfalls der Stand der Dinge von vorvorgestern... Wen schert's noch und was soll dieser formaljuristische Schwachsinn? Konsequent müsste man die Bahn und diverse öffentlich-rechtliche Busgesellschaftem dann auch der illegalen "Fluchthilfe" bezichtigen!

    • @Tim Leuther:

      Was - bitte - genau -

      Wollen Sie damit sagen?!

       

      OWi vs Strafrecht! - get it?!

  • Da wird die Wiederannäherung an ein Regime geplant vom AA und der Bundesregierung, dass über 100.000 Menschen gebombt, ermordet hat, um an der Macht zu bleiben, und wenn diese Leute selbstbestimmt das Regime stürzen wollen und oder selbstbestimmt sich andere Sicherheitsorte suchen, wird mit Repression reagiert.

    Gut, dann gibt es um den Freispruch eben Kämpfe.