piwik no script img

Kolumne Luft und LiebeEin Laster voller Mädchenkotze

Früher guckten sich Leute Hinrichtungen an, heute Castingshows. Warum „Germany’s Next Topmodel“ weg muss.

Wer GNTM guckt, dem kann schon mal bisschen was hochkommen. Bild: skyla80 / photocase.de

O kay. Wenn „Germany’s Next Topmodel“ (GNTM) jetzt eh schon Thema ist, können wir hier auch noch mal drüber reden. Es gab also eine Bombendrohung im Finale der Sendung, die Halle wurde geräumt, die Show wird nachgeholt. So weit, so gar nicht gut. Natürlich. Es wäre schrecklich gewesen, wenn es da eine Bombe gegeben hätte.

GNTM war aber auch vor der Bombendrohung schon Thema, weil eine neue Studie besagt, dass die Sendung einen starken Einfluss auf Essstörungen hat. Der Psychiater Manfred Lütz hat GNTM daher „mörderisch“ genannt, man nehme dort „eiskalt den Tod junger Mädchen in Kauf“. ProSieben schickte eine Unterlassungserklärung, Lütz unterschrieb nicht.

Die neue Studie ist nicht die erste ihrer Art. Dass Castingsendungen das Körpergefühl und Schönheitsempfinden von Jugendlichen beeinflussen, ist belegt. Jetzt wird von der Kommission für Jugendmedienschutz doch noch mal geprüft, ob GNTM jugendgefährdend ist.

Ich hab das auch mal geprüft. Stelle gerne meine Ergebnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung, bitte schön: Ja, verdammt, natürlich macht GNTM nicht nur krank, es ist auch krank.

Eine perverse Maschine

Die Sendung ist eine perverse, niederträchtige, menschenverachtende Geldmaschine, die kapitalistische Krönung von Sexismus und Neoliberalismus in Form von Frauendressur mit Product Placement, und eine überraschungsarme Aneinanderreihung von Erniedrigungen, bei der junge Menschen dafür ausgezeichnet werden, dass sie geile Gene haben und sich den Regeln der Jury unterwerfen, weil man als Model halt auch einfach mal machen muss, was der Kunde will.

Der verfickte Kunde aber, der wartet auf die allermeisten Mädchen, die GNTM gucken, überhaupt nicht. Die Ausrede, die Show spiegele nur die harten Arbeitsbedingungen der Modewelt, kackt ab. GNTM ist keine Infobroschüre des Berufsinformationszentrums; es ist das meinungsbildende TV-Format einer ganzen Generation. In den letzten Jahren haben sich über 135.000 Menschen beworben, um in der Sendung mitzumachen. Die aktuelle Staffel ist die zehnte: 18-Jährige, die da heute mitmachen, gucken das mitunter, seit sie acht waren.

Da fällt auch der Witz weg, wenn man behauptet, die würden das alles freiwillig machen. Ja, natürlich. Denen wird das ins Hirn getrichtert, seit sie geradeaus gucken können. Klar denken die irgendwann, sie müssten sich ihre Daseinsberechtigung erhungern, erlächeln und erposen.

„Ich hab ein hübsches Gesicht gesehen“, sagt Wolfgang Joop in der ersten Folge der aktuellen Staffel, „aber darunter waren fette Beinchen.“ Dann Werbung: „Mit dem neuen [Produkt] kannst auch du bis zu zweimal mehr abnehmen!“

Eine eitrige Beule, die weg muss

Natürlich ist GNTM nur der Auswuchs einer kranken Gesellschaft, aber das kann keine Rechtfertigung sein; „Auswuchs“ bedeutet hier eine eitrige Beule, die man schnell entfernen sollte, nur halt nicht per Bombe.

Es ist auch nicht so, dass Heidi Klum das personifizierte Böse ist. Klum ist eine, die mit einem kranken System sehr viel Geld verdient. Sie wegen der quiekenden Stimme blöd zu finden, ist diskursmäßig keine Glanzleistung. Auch das Format „Unterhaltung durch Grusel“ ist nicht neu. Früher sind Leute zu Hinrichtungen gegangen, heute gucken sie Castingshows.

Man muss GNTM trotzdem als das beschissenste Event im deutschen Fernsehen bezeichnen, das aufgrund seines enormen Einflusses schon viel zu viel Schaden angerichtet hat. Diese Sendung braucht keine elfte Staffel, sie braucht einen Vierzigtonner voll mit Erbrochenem von bulimiekranken Mädchen, der beim nächsten Finale vorfährt. Und ablädt.

Und nein, das ist keine perversere Fantasie als das Bild von halbnackten jungen Frauen, die auf ihren 20-Zentimenter-High-Heels im Falle eines tatsächlichen Bombenangriffs eines ganz sicher nicht gekonnt hätten: wegrennen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Margarete Stokowski
Autorin
Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff
Mehr zum Thema

39 Kommentare

 / 
  • So wunderbar auf den Punkt gebracht. Danke, Margarete Stokowski!

  • Wissen Sie, was der große Hunter S. Thompson in ähnlicher Situation getan hätte, Frau Stokowski? Er hätte selbst mitgemacht, wäre in die Höhle des Löwen und hätte uns dann eine gepfefferte Gonzo-Story übergebraten.

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    meine eltern haben mir in der kindheit in den frühen neunzigern gesagt das zuviel fernsehen verblödet.

    die hatten keine ahnung.heutzutage ist das fernsehen nur noch horroshow.

     

    ob nun DSDS oder GNTM oder der ultrasexistische bachelor,oder irgendwelche faschistoiden polizisten auf streife:so schlecht und gleichzeitig langweilig war fernsehen noch nie.

     

    man könnte das ganze noch weiterspinnen und sich fragen warum man hierzulande eine allgemeine rundfunkgebühr für moderatoren bezahlt die nicht mal den anschein erwecken müssen neutral zu sein?(jauch,lanz)

    man könnte auch weiterhin fragen warum es andere länder ganz ohne diese rundfunkgebühr hinbekommen gute filme und serien zu drehen während aus deutschland nur schrott kommt?mafiöse strukturen?....

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Nur mal so am Rande:

      Es gibt gar keine Rundfunkgebühren mehr seit 2013. Gebühren sind streng genommen nur die Abgaben für behördliche Leistungen. (z.B. Passgebühren, Meldegebühren etc.)

      Der Beitragsservice, an den der sogenannte Rundfunkbeitrag bezahlt wird, ist überhaupt keine Behörde, sondern eine private Firma mit Eintrag im Handelsregister. Deshalb vermeidet man ja das Wort Gebühren seither. Warum alle an eine private Firma zahlen, ohne irgendeinen Anspruch auf irgendeine Gegenleistung, ist nur damit zu erklären, dass alle glauben, sie würden da immer noch Gebühren für den Fernsehempfang bezahlen. Defakto ist der Rundfunkbeitrag aber eine Steuer (Def. von Steuern = Leistung ohne Gegenleistung) die die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag einfach vereinbart haben, ohne überhaupt jemals die nach Grundgesetz erforderliche Steuerhoheit zur Festsetzung solcher Steuern gehabt zu haben.

  • Ein schöner Text, Frau Stokowski, besten Dank und Glückwunsch!

    Eines allerdings haben Sie nicht geschafft: So ein schöner Totalverriss löst beim Leser ja manchmal das Gefühl aus, "vielleicht sollte ich mir den Dreck ja doch mal ansehen, nur ein einziges Mal, zum Gruseln". So weit werde ich aber trotzdem nicht gehen. Vielleicht beim nächsten Mal!

  • Ich habe mir extra die Kandidatinnen angeschaut und kann nur schwer erkennen, dass diese krankhaft dünn sind. Insbesondere die - wohl Favoritin - Vanessa, hat eine durch und durch normal schlanke Figur. Übrigens hält sich die Anzahl von Bulimie-KH-Behandlungen seit 2005 (ein Jahr vor GNTM) stabil.

    • @klasah:

      Na, wie schön, dass Sie das mal nachgeprüft haben.

    • @klasah:

      Womit der vermeintlich aufklärende/abschreckende Charakter der Sendung, zumindest in der Zielgruppe, zumindest insofern widerlegt wäre, als er mindestens keinen Effekt hat. Möglich wäre aber auch, dass tatsächliche Gegenmaßnahmen neutralisiert wurden.

      Will sagen, diese Zahlen sagen nichts.

  • Wie ich sehe, wurde mein Kommentar kommentarlos gelöscht.

     

    Faru Stokowski teilt zwar gerne aus, bevorzugt mit der großen Kelle,

    Einstecken ist ihre Sache aber nicht.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Tja, mein Guter, der Grat zwischen Polemik und Spott auf der einen und persönlichen Verunglimpfungen auf der anderen Seite ist schmal. Für Sie offenbar zu schmal.

       

      Zur Verfeinerung Ihrer Beiträge empfehle ich gerne: Arthur Schopenhauer, Die Kunst zu beleidigen oder kleines Brevier sprachlicher Grobheiten.

       

      Immer wieder hilfreich!

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Die AutorInnen machen nicht die Moderation. Aufgabe der Moderation wiederum ist es nicht, Beleidungen der AutorInnen freizuschalten.

  • "verdammt...verfickt...kackt ab...", Weia, da ist aber schwer was schief im Emo-Haushalt.

     

    Man muss schon von ausgesuchter Naivität sein, um zu glauben, ein Vertrag bei Klums wäre das große Los. Da kann man auch Galeerensträfling für 'immerhin sicher' halten...

    Ja und wer halt jemandes Modell (sagt ja echt schon der Name) sein will ...

    • @ioannis:

      Ach so. Was für ein unempathischer Mist!

      Warum könnte eine Person denn auf die Idee kommen, Model zu sein? Was könnte sie dazu bewegen/bewegt haben?

      Man muss schon von ausgesuchter Naivität sein, um zu glauben, dass viele 'eigene Entscheidungen' sehr beeinflusst worden sind.

      • @nein_nein:

        *Korrigiere:

         

        im letzten Satz fehlt ein "nicht"!

  • "perverse, niederträchtige, menschenverachtende Geldmaschine, die kapitalistische Krönung von Sexismus und Neoliberalismus" ist eine ziemliche gute Definnition von Fernsehen - gut dass man die Kiste ausschalten kann

  • 3G
    372 (Profil gelöscht)

    Mit Bulimie kann man kein Model werden. Muss man natürlich wissen.

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @372 (Profil gelöscht):

      Wenn man glaubt schlank zu werden, während man bulimisch wird, nützt das Wissen leider nix.

    • @372 (Profil gelöscht):

      Haha, und Rassit*innen werden nicht in den Polizeidienst aufgenommen. Schöne einfache Welt!

  • Am besten wäre es, wenn man die Werbepausen kaufen könnte und dort den LKW voller Kotze laufen zu lassen.

     

    Wenn man indirekte Steuern auf alle schädlichen Sachen (und nicht nur auf Tabak, Alkohol und Benzin) erheben würde, würden die Werbungen bei solchen Sendungen die Staatskasse genügend aufmöbeln, dass neben den Kosten für die Behandlung von Magersucht auch noch Gelder für die Aufklärung übrig bleiben.

    Allerdings hat sich in der EU und auch bei der Merkel-Regierung durchgesetzt nur Raucher und Alkoholtrinker und Energienutzer zu schröpfen.

  • Guter Artikel - endlich mal Klartext, ohne falsche Beißhemmung. Weiter so!

  • Jaja. Die armen Mädels sind ja alle zu dumm, um sich diese abartige Sendung nicht zu Herzen zu nehmen, also muss man sie davor schützen - mit Verboten, Vierzigtonnern voll Halbverdautem, was auch immer. Selberdenken funktioniert halt nicht - zumindest nicht so, dass die von Frau Stokowski für richtig befundenen Ergebnisse dabei herauskämen.

     

    Das ist letztlich arm und wenig emanzipatorisch. Die eigentliche Frage ist doch die: Wieso wollen eigentlich so viele Mädchen genau da hin??

     

    Klum liefert doch eigentlich die perfekte Abschreckung: Ein an vielen Stellen sogar überzogenes Zerrbild von dem, was ein Model im Beruf so alles durchstehen muss. Sie lässt sie körperlich und seelisch leiden, die Joops dieser Welt Frauen abkanzeln, die - nach seinen Maßstäben - erheblich besser aussehen dürften als die allermeisten Zuschauerinnen. Und die? Wollen das auch!!

     

    Wie kommen die auf diesen - vor allem intellektuell - schmalen Ast?

    Jetzt hilft natürlich wieder die Opfer-Theorie: Der neoliberale, sexistische Kapitalismus und seine Medienschergen haben das denen so eingeimpft, arme, willenlose Schäfchen, die sie sind. Aber mal im Ernst, dieser Schönheitswahn ist doch einfach mal ein ganzes Stück zu flach und zu unplausibel, um durch reine Indoktrination durchsetzbar zu sein. Selbst das böse Fernsehen wäre voll von alternativen Wertesystemen, und ließe sich eine Mentalität so beliebig von außen bestimmen, hätte es doch der Umerziehungsapparat zumindest EINES sozialistischen Staates der Vergangenheit mal schaffen müssen, aus seinen Kindern durchweg gute Sozialisten zu machen. War aber Essig. Also wo kommt das her?

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Normalo:

      Vorbehaltlose Zustimmung zu Ihren zutreffenden Ausführungen. Vor allem die Behauptung der vorgeblichen Verführung greift entscheiden zu kurz (so wie früher in der Debatte über Gewaltdarstellungen). Sie lässt Entscheidendes außer Acht: eine Sendung wie GNTM bedient Bedürfnisse auf Konsumentinnenseite, und seinen diese noch so abartig. Michael Buselmeier hat diesen Gebrauchswert in den 1970ern als "Glückliches Bewußtsein" bezeichnet.

       

      Solange Menschen solchen Idealen nacheifern und sich demütigen lassen, ohne es bemerken und sich dafür noch bedanken, läuft einiges falsch.

       

      Volljährige haben diese "Freiheit". Anders sieht es bei Minderjährigen aus. Die muss man schützen. Manchmal auch vor sich selbst. Auch gegen deren Widerspruch. Hier liegt der qualitative Unterschied zwischen Erwachsenen, die die Folgen absehen können und Nicht-Erwachsenen, denen diese Möglichkeiten fehlen.

       

      Deshalb - wie ich schon unten schrieb: ZENSUR!!!

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Die Sendung "[...]bedient Bedürfnisse auf Konsumentinnenseite[...]"

        und ist damit exakt was die Autorin schreibt, nämlich die "[...]kapitalistische Krönung von Sexismus und Neoliberalismus[...]". Die Kernfrage ist also die nach Ethik auf dem 'Markt': Welche Mittel rechtfertigt der Zweck pekuniärer Akkumulation? Ich hoffe, ihre Antwort lautet nicht: Alle. Und wenn dem nicht so ist, lässt sich eine derartige Sendung leicht in Frage stellen, was die Autorin hier berechtigterweise vehement getan hat.

        Es ist darüber hinaus vollkommen unangebracht mithilfe einer Umformulierung von Aussagen der Autorin in "[...]Kapitalismus UND [meine Hervorhebung] Medienschergen[...]" konspirationstheoretische Nuancen zu insinuieren. Es wird wohl niemand bestreiten, dass werbefinanziertes Privatfernsehen nach marktwirtschaftlichen Prinzipien funktioniert. Die Frage bleibt allerdings in welchem Maße bei der Produktion und Publikation auch andere Erwägungen angestellt werden sollten. Ebenjenes Maß scheint in vielen Fällen - in Medien ebenso wie in der Wirtschaft - verloren gegangen zu sein.

        • @unabhängig_allparteilich:

          Die Frage, wenn auf einem Markt Angebote reüssieren, die man für nicht reüssierenswert hält, bleibt:

           

          Woher kommt die Nachfrage danach und hat nicht jeder Mensch das Recht, zu mögen und zu glotzen, was ihm in den Kram passt?

           

          Markt ist letztlich eine Form von Demokratie (bzw. umgekehrt, je nach Organisation). Was ist demokratischer, als die Leute selbst entscheiden zu lassen, was sie sehen (wollen)? Das links wie rechts zumindest unterschwellig vorhandene Bedürfnis, den Pöbel vor seinen eigenen Wertungsfehlern zu bewahren, vergisst bisweilen, dass solche Diskussionen primär darum, was "man" den Menschen an ANGEBOT zumuten - eigentlich treffender: anvertrauen - kann und was nicht, stark ins Elitäre und Autoritäre gehen.

          • @Normalo:

            Woher die Nachfrage kommt? Keine ganz schlechte Frage. Ich fürchte, nur nicht ganz so leicht zu beantworten. Und darüber hinaus aus Perspektive des Artikels und meines und anderer Kommentare einigermaßen irrelevant, weil nachgelagert, da die Verantwortung, wenn auch nicht nur, so doch in erster Linie beim Verkäufer liegt.

            Die Kritik des Artikels und meine Frage gehen daher nicht an die Empfänger sondern an die Sender (inklusive Produzenten) derartiger Angebote und vor allem den Kontext, in dem sie möglich bis erstrebenswert sind. Meines Erachtens stimmt mit diesem Kontext etwas nicht. Inwieweit da den Akteuren im vorliegenden Fall ein Vorwurf gemacht werden kann, vermag ich nicht zu beurteilen. Keines der möglichen Motive ist schmeichelhaft: Ingnoranz, Profitgier, Zynismus, Bösartigkeit...

            Was ihre Quasi-Gleichsetzung betrifft, kann ich dem Grundgedanken folgen, halte sie insgesamt aber für ziemlich diskutabel.

            Wogegen ich mich ausspreche ist der marktradikale Anspruch absoluter Freiheit mit dem hier ein Angebot wie GNTM gerechtfertigt wird. Es wird geguckt (bringt Geld), also hat es Berechtigung!? Das darf doch nicht im Ernst das einzige Kriterium sein. Hier stößt der Markt ganz klar an seine Grenzen.

             

            Zuletzt geht die Gegenüberstellung von Demokratie/Markt (als vermeintlich gut) und Elitarismus/Autoritarismus (als vermeintlich schlecht) schon allein deshalb ins Leere, weil niemand Verbote oder Bevormundung gefordert hat, sondern lediglich die Einbeziehung weiterer nicht-pekuniärer Kriterien im Entscheidungsprozess.

            • @unabhängig_allparteilich:

              Sie sagen, niemand fordere Bevormundung, wollen aber dem Fernsehzuschauer die Entscheidung darüber abgenommen sehen, was geschaut werden kann (!). Aus meiner Sicht widerspricht sich das.

               

              Die Frage ist genau, wo der Entscheidungsprozess richtigerweise abläuft. Natürlich sollte nicht Alles erlaubt sein was gefällt. Aber die Entmündigung dessen, dem es gefällt, ist genauso wenig hilfreich, wenn man entscheidungsfähige, emanzipierte Verbraucher haben will.

               

              Ich höre in der Diskussion die Tatsache, dass so viele Menschen Formate wie GNTM verfolgen, weitgehend als wesentliches Argument dafür verwendet, dass man sie erst recht absetzen müsste (egal ob "man" nun der verantwortliche Sender, der Staat oder das versammelte Gutmenschentum ist). Tatsächlich ist aber - nicht nur aus rein ökonomischer sondern auch aus demokratischer Sicht - die große Gefolgschaft eher ein Argument GEGEN einen Stopp des Formats: Als Demokrat bin ich erstmal verpflichtet, den Leuten, die gerne weiter Heidi beim Drangsalieren zuschauen wollen, zu erklären, warum ich ihnen das vorenthalten (lassen) möchte und - noch wichtiger - warum ich mich nicht traue, ihnen selbst die Entscheidung darüber zu überlassen.

               

              Denn so sehr Sie diese Entscheidung des armen, ungeschützten Pöbels auch verniedlichen mögen: Ein Angebot hat keinerlei Wirkung, wenn es nicht in autonomer Entscheidung des Indivduums auch angenommen wird. Wäre die Nachfrageseite nicht empfangswillig, könnte das Angebot in den Wind schießen, bzw. - moderner Marktforschung sei dank - würde im Zweifel gar nicht erst unterbreitet.

               

              Daher ist die Konzentration der Vorwürfe auf die Angebotsseite nur ein (Selbst-)Täuschungsmanöver. Eigentlich geht es darum, die Nachfrageseite vor sich selbst und der eigenen (vermeintlichen) Unfähigkeit zu schützen, das "Richtige" zu tun.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Ich stimme mit ihnen überein, was die Schutzbedürftigkeit von Minderjährigen betrifft. Aber eine entsprechende Zensur wäre aus meiner Sicht ein zu tiefer Eingriff in die Freiheitsrechte sowohl der Medien alsauch der einzelnen Bürger - insbesondere im Hinblick auf den begrenzten Effekt, den sie im Zweifel hätte. Für den Schutz Minderjähriger vor sich selbst sind primär die einzigen Menschen zuständig, die diesen Schutz einigermaßen wirksam bewerkstelligen können, und zwar die Eltern. Wenn Donnerstags abends Heidis Kleiner Horrorladen lockt, muss halt die Glotze ausbleiben - oder man macht sich die.

         

        Bedenken Sie, dass eine Zensur mit tiefgehend pädagogischen Jugendschutzzielen ein absoluter Persilschein für die zuständige Stelle wäre. Wer Inhalte verbieten kann, weil er ihnen langfristige negative Folgen auf Heranwachsende zuschreibt, kann so ziemlich Alles verbieten. Magermodels sind ja bei Weitem nicht das einzige "denkbar negative" Rollenmodell im Fernsehen. Denken Sie an Volksmusiksendungen mit ihren - je nach Ansicht - zutiefst anachronistischen Menschenbildern, Barney Stinson, die bekifften Teenies aus den "Wilden Siebzigern" - aber auch Nachrichtenberichte über im Namen Gottes mordende IS-Kämpfer, millionenscheffelnde Investment-Banker (die mit ihrer Tour davonkommen) etc..

        • @Normalo:

          Sorry, unvollständiger Satz:

           

          ...oder man macht sich die Mühe, schaut mit und weist auf die konzeptionellen Schwächen des Traumbildes sowie das wenig subtile Zusammenspiel der Sendung und ihrer (ätzend häufigen und langen) Werbeblocks hin.

  • Ich kenn die Sendung nicht - wahrscheinlich deshalb, weil ich ein Mann bin und gar kein Fernsehgerät habe. Nach allem, was ich so von der Sache lese, muss man das auch nicht sehen und sollte man sich den Scheiß nicht freiwillig antun. Ich bin jedenfalls froh, dass diesmal keine Tierbildchen dabei waren.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Als Vater einer 19 jährigen Tochter, die in jüngeren Jahren den zweifelhaften Versuchungen von GNTM erlegen ist, stimme ich den Ausführungen Margarete Stokowskis im Kern voll zu.

     

    Natürlich ist die quiekende Stimme Heidi Klums nicht das wirkliche Problem, sondern rundet die ganze Unappetitlichkeit nur ab. Auch die senilen Alterstorheiten eines Wolfgang Joop sind nur ein Apercu.

     

    Während ich als Jugendlicher den Jugendschutz der1960er verdammt habe, sehne ich ihn heute herbei. Der Ruf nach freiwilliger Selbstbeschränkung ist lange genug ungehört verhallt.

     

    ZEIT FÜR ZENSUR!!!

     

    Ps. Noch ein Hoch auf Manfred Lütz!

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Der Ruf nach Zensur.

      Jetzt muss ICH gleich Kotzen.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Cuchillo:

        Horrido!!!

         

        Ein Hoch auf all jene, die sich auf das Feld der Argumentation begeben! Und auf jene, die schweigen, wenn sie nichts zu sagen haben!

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Unsinn, es ist NIE Zeit für Zensur. Erziehen Sie Ihre Tochter zu einer selbstbewussten Frau, dann hat sie einen Scheiss wie GNTM nicht nötig. Kritischer Medienkonsum wäre auch Teil eines solchen Erziehungsauftrags. Aber Zensur zu schreien ist erbärmlich.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Peter Rosenstein:

        Ach, wie gerne würde ich einmal, ein einziges Mal nur, bei Ihnen im wirklichen Leben Mäuschen spielen. Würde schauen, ob Sie selbst überhaupt eine Tochter haben, also wissen, wovon Sie sprechen. Wie Sie ggf. dieses sensible Verhältnis zwischen Freiheit einerseits und Verantwortung andererseits gestalten. Würde Sie fragen, mit welcher sachlichen Berechtigung Sie sich herausnehmen, meine Erziehung zu kritisieren, obwohl Sie weder meine Tochter, mich noch die familiäre Situation kennen.

         

        Sprache ist übrigens verräterisch. Ganz besonders solche Worte wie IMMER, ALLE, ALLES oder NIE. Falls es Sie interessieren sollte, sage ich Ihnen auch gerne, worauf diese Worte hindeuten.

      • @Peter Rosenstein:

        "Erziehen Sie Ihre Tochter zu einer selbstbewussten Frau"

         

        Das ist ziemlich zynisch! Ist ja nicht so, dass es in unserer Welt nur den Einfluss der Eltern gäbe. Ansonsten bräuchten wir Sippenhaft für die Kinder von Straftäter*innen.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Dhimitry:

          Danke für die geistige Unterstützung.

           

          In einem perönlichen Gespräch könnte ich einiges dazu sagen, in einem öffentlichen Portal gibt es Grenzen der Mitteilbarkeit von persönlichen Inhalten.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Peter Rosenstein:

        Erbärmlich kommt von Erbarmen. Und ich habe Erbarmen mit Menschen, die sich selbst alleine nicht schützen können.

         

        Erziehung zum Selbstbewußtsein ist kein Widerspruch zu Zensur, reicht aber (siehe: GNTM) manchmal alleine nicht aus.

         

        Die reine Lehre hat auch hier ihre Grenzen.

      • @Peter Rosenstein:

        Zensur halte ich auch nicht für eine Lösung, außer freiwillige Selbstzensur, die vermutlich aufgrund der Kritik bald kommt im Falle von GNTM – hoffentlich.

         

        Aber alles auf die Erziehung zu schieben... ist das nicht auch ein bisschen zu einfach? Mit wem verbringt die Tochter mehr Zeit, mit dem Vater oder mit Schulfreundinnen? Was denken Sie, auf wen hört sie mehr?

         

        Und was soll der Vater machen, wenn die Freundinnen seine Erziehungsversuche zunichte machen, ihr den Umgang mit denen verbieten? Von der Schule nehmen? Was schlagen Sie vor?

  • Ein wundervoll feinfühliger Artikel der den jungen Tussen ins Gewissen gehen wird. Sie werden ihre neoliberale Attitüde ablegen, ganz fest an ihre Mami kuscheln und leise vor sich hin greinen.

     

    mit Dank und besten Grüßen