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Kommentar AfD in den MedienSehnsucht nach rechter Partei

Ines Kappert
Kommentar von Ines Kappert

Mit dem schmutzigen Rand der Gesellschaft habe er nichts gemein. Medien machen sich Bernd Luckes Ansichten zu eigen. Respekt dagegen verdient die „Bild“.

Bernd Lucke im Visier der Kamera Bild: reuters

D ie Deutschen mögen's ja nun mal sachlich. Hitzigen Rassismus finden sie geschmacklos, kühle Hetze kommt ihnen indessen entgegen. Weswegen sich in einer der besten deutschen Tageszeitungen, der Süddeutschen, folgende Schlagzeile findet: „Lucke-Lager warnt vor deutschem Front National“.

Besser kann man sich die Haltung, die den nun allerorts zitierten „Weckruf“ des Herrn Lucke auszeichnet, nicht zu eigen machen. Der behauptet in wohllektorierten Worten, dass er und seine Getreuen für sauberes, systemstabilisierendes Denken stünden. Mit dem schmutzigen Rand der Gesellschaft hätten sie nichts gemein.

Oh doch, das haben sie. Denn weder ist ihr Hass auf Frauen mit Karriere oder die Umdeutung der Euro-Krise als Schuld der Südeuropäer rational noch hat irgendjemand Fremdes Frauke Petry zur Co-Chefin gemacht. Das war Bernd Lucke hübsch selbst.

Petry und Lucke sind nicht das Gleiche, aber sie gehören zusammen. Sie sind zwei Seiten derselben Medaille und die verkauft Hass als Lebensinhalt. Auch der bürgerliche Antisemitismus war mit dem völkischen nicht identisch, aber er hat ihm den Weg geebnet. Der eine will sich nicht die Hände schmutzig machen und ventiliert und verankert daher Kriterien zur grundsätzlichen Entwertung von Menschen, der andere will die Vernichtung.

Henkels Gebrabbel

Und nur zusammen sind sie erfolgreich. Was auch Lucke begriffen hat. Mit kleinbürgerlicher Euro-Kritik lassen sich keine Massen mobilisieren, da braucht's schon die völkische Hetze gegen „den Flüchtling“ als Parasit der heutigen Zeit. Dass ausgerechnet Lucke sich nun als Garant gegen einen deutschen Front National inszenieren darf und dieser Spin fast ausnahmslos übernommen wird, hat natürlich auch etwas Komisches.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung allerdings eruiert eine Lachnummer anderer Natur. Voller Trauer schreibt Jörg Altenbockum, Leitartikler und Leiter des Inlandsressorts: „Schnurrt die Lucke-Partei zu einem 'Weckruf' zusammen, wird nicht nur ihr Anspruch, eine neue Volkspartei aufzubauen, als Lachnummer enden, sondern überhaupt der Ausflug der wissenschaftlichen Eurogegner in die Politik gescheitert sein.“ Olaf Henkels Gebrabbel als wissenschaftlich zu bezeichnen, darauf wäre vermutlich noch nicht mal sein größter Lobby-Verein, das Staatsfernsehen, gekommen. Doch in diese Lücke stößt dank Altenbockum ja nun ein Flaggschiff des Bildungsbürgertums.

Doch ein kleines Licht leuchtet am Abgrund der bürgerlichen Sehnsucht nach einer ordentlichen rechten Partei in Deutschland: Bild-Zeitung. Sie beerdigt Lucke auf der Seite 2 schmucklos in Schwarz-Weiß und schreibt ihm einen Nachruf, der ganz ohne Bedauern für das Ende der hasserfüllten Spießerpartei auskommt: „Wie süß es klang, als sich die Krabbelgruppe, die sich vor dem Euro in die Windel machte, aufmachte: 'Ha, he, ho, der Euro ist k.o. – ihr erster bitter-süßer Brech- und Schüttelreim.“ Die Häme ist nicht vollendet elegant formuliert, trotzdem: Respekt.

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Ines Kappert
Gunda-Werner-Institut
leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.
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24 Kommentare

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  • @DHIMITRY Bevor es zur AfD kam, gab es Klagen vor den Bundesverfassungsgericht und von dt. Ökonomen Sammelpetitionen an die Regierung wg. des Euro. Die wenigsten davon gingen in die AfD. Z. B. Sinn, die Targetfalle, nicht. Schauen Sie in die euroskeptische, angelsächsische Welt... Frauke Petry hat einen Doktor in Chemie. Auch ganz schön. "Verschwörungstheoretisch zusammengefaßt": Pegida wurde skandalisiert, damit >die Linke

  • Ich wiederhole mich jedes Mal, wenn es um die AfD geht, aber ich verstehe nicht wirklich, worum es da geht. Die Neoliberalen tönen ebenfalls recht deutschnational, und die "Nationalkonservativen" sind auch durch und durch neoliberal. Der einzige Konflikt, den ich da erkennen kann, ist einer um die taktisch klügere Außendarstellung ...

  • Schmuddel-Lucke will uns den Saubermann machen.

  • 6G
    628 (Profil gelöscht)

    Es besteht in Deutschland auf jeden Fall Sehnsucht nach einer rechten Partei, das steht fest. Es gibt so viele Menschen mit verqueren Ansichten à la Sarrazin und Pirincci, dass ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass wir dauerhaft von einer rechten Partei verschont bleiben werden. Fakt ist aber, dass der Deutsche seine Ressentiments und rassistischen Neigungen schön bürgerlich verpackt haben will. Deshalb haben es die Pro-Bewegung und die NPD auch nicht sehr weit gebracht.

  • Das Anliegen der BILD war & ist seit AfD-Gründung (und der „Sizilianer“ hat´s weiter unten bereits angedeutet) den Alleinvertretungsanspruch in Sachen Wutbürger-Gestammel, Verbreitung von nichtmal-Halbwissen oder schlicht ausländerfeindlichem Ressentiments zu behalten.

     

    Diekmanns Strategie ist seit langem die BILD quasi als außerparlamentarische, rechtspopulistische Partei agieren zu lassen, um das Wählermilieu aber letztlich dann nicht rechtsradikalen Partei-Rattenfängern zu überlassen sondern es stets zur nächsten Bundestagswahl wieder gezielt der Mutti-Partei zuzuführen. Die „Märkte“ erfreut´s dann stets und alles geht weiter seinen neoliberalen Casino-Kapitalimus-Gang.

  • Vergleicht man, angeregt durch Sie, Frau Ines Kappert, den Kommentar der Bild-Zeitung, mit den Ihrigen, dann kann man tatsächlich sagen: Respekt vor der Bildzeitung. In der Bildzeitung wird wissenschaftliche Euro-Kritik nicht in die Tonne getreten, mit Antisemitismus hantiert und Karriere-Frauen (Frauke Petry) nicht Haß auf Karriere-Frauen als Antriebskraft unterstellt. Kurz: Ihr Kommentar ist mehr als befremdlich, der der Bildzeitung o. k.

    • @Baldur Jahn:

      Haha, bellt da ein getroffener Hund?

      • @Dhimitry:

        @DHIMITRY Lasen Sie ein "enteignet Ines" heraus - oder hören Sie nur schlecht?

        • @Baldur Jahn:

          Was hat denn mein Hörvermögen mit ihrem Beitrag zu tun.

           

          Mich machen nur Formulierungen wie "wissenschaftliche Euro-Kritik" und "Karriere-Frauen" im Bezug auf die AFD stutzig.

           

          Wissenschaftlich stehen die Pappnasen von der AFD ziemlich alleine dar und ein Unternehmen in die Pleite zu wirtschaften halte ich nicht für eine Karriere!

          • @Dhimitry:

            Ihre „Ohren“ von mir, hängt mit „meinem Bellen“ von Ihnen zusammen. Sehr viele Ökonomen – in D und der Welt – sehen das Projekt „Euro“ sehr kritisch. Freilich, Ökonomie und Literatur sind keine Naturwissenschaften. Frauke Petry ist Dr. der Chemie. Aus meiner Perspektive ist das schon eine ganz schöne Karriere.

  • Ich glaube nicht, dass der FAZ viel an dem Aufkommen der AfD liegt. Selbst Altenbockum lese ich nicht als Trauerspiel. Die BILD war von Anfang an dagegen, Oberboss-Richtlinie. Das passt nach wie vor ins Schema. Aber die FAZ kann eine Teilung des Konservativen Flügels eigentlich nicht wollen. Dann war die ganze Annäherungsarbeit der letzten Jahre an das großkoalitionäre Mittelzentrum für die Katz... Warum sollten sie für eine 5-10% Partei (mehr wird's doch eh' nicht) ihre 60-80% Position aufgeben?! So radikal sind die nicht. Ausgerechnet die FAZ!

  • Hallo AFD, da tritt euch eine schöne Frau kräfig in den Arsch. Das muss euch doch ärgern. Gute Arbeit, Ines Kappert. Wie dumm degegen die Perty ... ist ja bekannt.

    • 1G
      19122 (Profil gelöscht)
      @RPH:

      Frau "Perty" wurde anno 2004 magna cum laude zur Doktorin der Naturwissenschaften promoviert. Mehr Beweis der Nicht-Dummheit ist fast unmöglich.

      • @19122 (Profil gelöscht):

        Es gibt da so eine ganz besondere Dummheit.

        • 1G
          19122 (Profil gelöscht)
          @RPH:

          ... Die da wäre, nicht Ihrer Meinung zu sein. Ich setze mehr auf objektive Maßstäbe kognitiver Fähigkeiten. Googeln Sie mal nach dem sogenannten "Dunning-Kruger-Effekt".

  • Puh, und ich dachte schon nur mir fällt das auf, dass das ne Haus eigene Kampagne der AFD zur angeblichen Wandlung in eine liberale Volkspartei ist. Alle Medien stürzen sich drauf und tun so als würde die AFD ihr rechtes Wesen einfach ablegen und zukünftig mit sauberen Händen wählbar sein. Erschreckend wie das anprangern des "bösen AFD-Teils" aufeinmal den etwas weniger "bösen" Mist legitimiert.

  • Schöner Kommentar - aber viel zu viel Respekt vor diesem "Bild"-Blättchen.

     

    Das kann schließlich mit Fug und Recht von seinen Inhalten behaupten, zuerst und schon seit langem AfD und Pegida gewesen zu sein. Und es sieht nicht danach aus, dass sich dies mit der eventuellen Selbstzerstörung der AfD ändern wird.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Als Schopenhauer-Leser und Freund stilvoller Beleidigungen sage ich nur: Chapeau!!!

  • ...es geht natürlich um Frau Kappert's Beitrag - ich bitte Frau Pohl um Entschuldigung...

  • Treffender, toller Artikel!

  • Respekt für den Schüttelreim, der dem Fliegenden Holländer abgeguckt ist? Oder für die Häme? Da wird sich wie auch immer Herr Dieckmann freuen. Schon toll, wie der meanstream sich überall einnistet. Jedenfalls schon sehr traditionell, wie da eine neue Formation abgebügelt wird, die immerhin der Eigenverantwortlichkeit überschaubarer geographischer Einheiten – um es mal allgemein verständlich zu formulieren – das Wort redet und damit sogar eine gewisse Popularität genießt, die dem EU-betriebenen Abbau von regionalen Entscheidungsinstanzen entgegenwirken will. Sehr geehrte Frau Pohl, mitunter sitzen Sie dem rechts-links-Schema auf und übersehen dabei, dass eine Schwächung der EU-Integration die Spielräume innerhalb der einzelnen Staaten vergrößern würde…

  • Paula , Moderatorin

    Danke für den Hinweis, schon korrigiert.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Schlauer Artikel - blöder Rechtschreibfehler:

    "Respekt dagegen verdiehnt die „Bild“."

    • @571 (Profil gelöscht):

      Für mich wäre das kein Rechtschreib-, sondern in erster Linie ein Sinnfehler ...^^