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Kita-LeiterInnen unter Druck gesetztGewerkschaft warnt vor Neiddebatte

In Thüringen müssen Kita-Leiterinnen Beschwerdebriefe von Eltern an die Stadt beantworten und Gehaltstabellen aushängen. Die GEW protestiert.

Streikende Kita-ErzieherInnen in Erfurt sollen den Eltern erklären, warum sie nicht in der Kita sind. Bild: dpa

BERLIN taz | Die zweite Woche bleiben tausende Kitas bundesweit geschlossen. Das setzt vor allem Eltern zu, die eine alternative Betreuung für ihre Kinder organisieren müssen. Die Stadt Erfurt hat offenbar versucht, die streikenden ErzieherInnen in den kommunalen Kitas mit den Nöten der Eltern unter Druck zu setzen.

Nach Informationen der taz leitete das Jugendamt Beschwerdebriefe von Eltern, die sich an die Stadt gewandt hatten und eine Rückzahlung ihrer Kita-Beiträge forderten an die KitaleiterInnen weiter mit der Bitte um Stellungnahme. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft protestierte dagegen. „Das war nicht rechtens, die Stadt versucht hier den Schwarzen Peter den Einrichtungen zuzuschieben“, sagte GEW-Sprecher Michael Kummer der taz.

Außerdem beklagt die GEW, dass die streikenden Einrichtungen verpflichtet worden seien Anzeigen des Kommunalen Arbeitgeberverbands auszuhängen. Unter der Überschrift „Sind die Streiks der Erzieher/innen im öffentlichen Dienst gerechtfertigt“ führte der Verband Spitzengehälter von bis zu 4.748,69 Euro auf. „So wird eine Neid-Debatte geschürt“, meint Kummer. Die Gehälter seien „idealisiert“. Sie spiegelten eben nicht die Einkommensrealität an den Thüringer Einrichtungen wider.

Das angegebene Spitzengehalt sei ein Endgehalt von Leiterinnen, allerdings nur nach 17 Dienstjahren und auch nur für große Einrichtungen. Das träfe lediglich auf einen kleinen Teil der Beschäftigten zu. Zudem seien in Thüringen über 70 Prozent der ErzieherInnen zwangsweise teilzeit angestellt.

Beratungen, wie weitergestreikt wird

Eine Sprecherin der Stadt Erfurt bestätigte, dass in einem Fall der Brief eines Elternbeirats an die Kita mit der Bitte um Kenntnisnahme an die Kita weitergeleitet worden sei. Aushänge mit den Gehaltstabellen seien nicht bekannt.

Am Mittwoch lädt die Gewerkschaft verdi zur bundesweiten Streikdelegierten-Konferenz nach Fulda ein. Dort wollen rund 330 Entsandte aus den bestreikten Einrichtungen beraten, wie es weitergeht.

Die Gewerkschaften verdi, GEW und der Beamtenbund fordern, dass Erzieher und Sozialpädagogen deutlich besser bezahlt werden. Ende April hatten sie nach gescheiterten Verhandlungen den unbefristeten Streik ausgerufen.

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8 Kommentare

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Als gelernter Diplom-Pädagoge mit Uni-Abschluss habe ich in meinen fünfunddreißig Berufsjahren nicht ein Arbeitsverhältnis gehabt, in dem ich nach dieser Qualifikation bezahlt worden bin. Ende der Fahnenstange - wenn überhaupt nach BAT oder analog entlohnt wurde, war eine Vergütung (der Name spricht bereits Hohn) als Sozialpädagoge (FH).

     

    Die vom Kommunalen Arbeitgeberverband angegeben Zahlen haben weder ich noch Kollegen von mir jemals erhalten. Es sind nichts anderes als LUFTNUMMERN.

     

    "Öfter mal die Fresse halten" kann man diesen Demagogen nur zurufen.

  • Ja, nu, das ist nunmal so, dass man den Quatsch, den ein Arbeitgeber anordnet als Arbeitnehmer idR auch durchführen muss. Wenn der einen Aushang verlangt, gehört das leider zu den Dienstpflichten, dem auch nachzukommen. Gegen manche bescheuerte Vorschriften könnte man auch mal streiken.

     

    Und ich weiß nicht, wie das in Kindergärten abläuft, aber im Heimbereich gehörte die Kommunikation mit den Eltern durchaus zu unseren Aufgaben. Eigentlich waren wir für alle Eltern dankbar, der Arbeitsbewältigung anzuhören.

  • Spitzengehälter von 4.748,69 Euro taugen meines Erachtens jetzt eher nicht dazu, die Gehälter der Betreuer rosig aussehen zu lassen. Klar, ist nicht total kläglich, aber wenn das das absolute Maximum ist, das ich im Leben jemals erreichen kann?

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Schluss mit dem Egoismus!

    Das bedingungslose Grundeinkommen muss kommen!

    Dann sind Streiks überflüssig!

    • @7964 (Profil gelöscht):

      Wie es aussieht haben Sie weder verstanden, worum es bei Streiks allgemein und bei diesem im Speziellen geht, noch was das Prinzip des bedingungslosen Grundeinkommens ist.

    • @7964 (Profil gelöscht):

      Sie glauben also, dass die Erzieherinnen mit dem Grundeinkommen zufrieden wären und trotzdem auf Ihre Kinder aufpassen würden? Naja, das funktioniert wohl eher nicht!

      • @Fridolin:

        Warum nicht? Gerade bei Erzieher_innen kann ich mir gut vorstellen, dass der Inhalt des Berufes durchaus in die Berufswahl mit reinspielte.

         

        Dass das bedingungslose Grundeinkommen praktisch nicht funktioniert, steht auf einem anderen Blatt.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @BigRed:

          Ob das bedingungslose Grundeinkommen funktioniert oder nicht funktioniert, kann sich nur an einem Ort zeigen: der gesellschaftlichen Praxis. Und dort gibt es bekanntermaßen keines. Also steht es auch auf keinem anderen Blatt.