: Feine Christenmenschen
Nicht gegendarstellungsfähig (XXIX): Jony Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Geliebter Rechtsstaat
Weil er vom UN-Sicherheitsrat wegen Terror-Kontakten auf eine Liste gesetzt und in Deutschland neun Monate in Auslieferungshaft hockte, wurden einem Kaufmann die Konten eingefroren, seiner Gattin wurde mit Hinweis auf die „Embargo-Bestimmungen“ von Weltsicherheitsrat und EU die Sozialhilfe verweigert.
Das Sozialgericht Hamburg hat jetzt der Ehefrau die Sozialhilfe gewährt – allerdings mit einer bemerkenswerten Begründung: Das Gericht geht nicht davon aus, dass die Ehefrau ihrem Mann nichts von ihrer knapp bemessenen Sozialhilfe abgeben wird: „Es darf (…) davon ausgegangen werden, dass sie das Geld für ihren Lebensunterhalt verbraucht, und nicht ihrem Ehemann zur Verfügung stellt, auch nicht teilweise.“ Artikel 6 unserer Verfassung schützt die Ehe als Grundrecht, aber die Verweigerung der Sozialhilfe eines Verdächtigen werteten die Richter dennoch nicht als Rechtsverstoß – es genügte ihnen die Unterstellung, dass die Ehefrau ihre schmalen Mahlzeiten ungerührt neben dem darbenden Ehemann verzehrt, ohne ihn daran teilhaben zu lassen. Feine Christenmenschen sind das.
Wie übrigens auch unser Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD. Seiner Homepage zufolge ist der Mann noch nie einer ehrlichen (also staatsfernen) Arbeit nachgegangen, hat nie für einen privaten Arbeitgeber geschuftet. Als Zeitsoldat, Referent von verschiedenen Großkopfeten oder hauptamtlicher Bekleider diverser Polit- und Parteiämter stand er stets im Sold der Öffentlichkeit.
Auf dem Bundespresseball fragt ihn eine TV-Reporterin, was er sich wünscht: „Dass Sie eine ehrliche Steuerzahlerin werden“, so seine fröhliche Antwort.
Das ist die Welt der Steinbrücks und Münteferings: Das Staatsvolk ist eine Horde von Steuerhinterziehern, die man Mores lehren wird. Was zeigt das fröhliche Lachen, mit dem Münte die Eröffnung der Kabinettssitzungen begleitet, im Wissen, dass er und seinesgleichen in den nächsten vier Jahren die letzten öffentlichen Vermögen verprassen werden, um die gierigen Heere der Staatsdiener weiter nahezu ungeschmälert zu alimentieren? Es zeigt nackten Spott für die, die nicht in dieser behaglichen Lage sind.
Und wenn diese Figuren in vier Jahren achselzuckend die Bühne verlassen, dann werden eben ihre Nachfolger das Staatsschiff in gewohnt guter Laune „lenken“ – und das steuerhinterziehende Volk für die öffentliche Armut verantwortlich machen.
Unser Autor ist Rechtsanwalt und Strafverteidiger in Berlin
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