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Frankreichs AKW-BetreiberVor dem Finanz-GAU

Das AKW Fessenheim soll zügig vom Netz gehen. Für den Rückbau der französischen Atomkraftwerke gibt es aber fast keine Rücklagen. Zudem fehlt es an Erfahrung.

Fessenheimer Idylle: Das AKW soll 2016 abgeschaltet werden. Bild: dpa

PARIS taz | Für Präsident François Hollande ist es eine beschlossene Sache: Spätestens Ende 2016 wird das AKW Fessenheim im Elsass abgeschaltet. Es soll der Anfang zu einem langsamen Ausstieg sein – allerdings wird er wesentlich teurer als gedacht.

Bis 2025 will Frankreich den Anteil des aus Kernenergie produzierten Stromes von 75 auf 50 Prozent reduzierten. Allen voran Électricité de France (EDF) scheint damit vor immensen technischen und schier unüberwindbaren finanziellen Probleme zu stehen.

Die Erfahrungen mit der Demontage von Reaktoren sind spärlich und basieren meist auf Präzedenzfällen in den USA. In Frankreich wird zurzeit erst eine Anlage in Brennilis in der Bretagne entsorgt. Schon jetzt sollen dort die Kosten dafür zwanzigmal höher sein als ursprünglich geschätzt.

Keine Lösung für die Endlagerung

Während Japan den Abbruch seiner Kernanlagen mit fast 40 Milliarden, Großbritannien mit 46 Milliarden und Deutschland sogar mit bis zu 62 Milliarden Euro veranschlagt, spricht EDF noch von Gesamtauslagen von lediglich 18,4 Milliarden – bei wesentlich mehr Reaktoren. EDF hat dafür lediglich 2,3 Milliarden Euro Rücklagen gesammelt. Nicht enthalten sind die Kosten der Endlagerung des Atommülls, für die Frankreich weiterhin keine Lösung gefunden hat.

Aufgrund der häufigen Pannen und Altersgebrechen war das Ende des ältesten noch betriebenen AKWs in Fessenheim eigentlich absehbar. Die Instandhaltung und die Sicherheit erfordern laut dem kürzlich vorgelegten Stresstest der EU eine Reihe von zusätzlichen Investitionen, vor allem um den Überschwemmungs- und Erdbebenrisiken an diesem Standort Rechnung zu tragen.

Logischerweise müsste der von Hollande angekündigte Betriebsstopp auch das Ende der Investitionen in die Sicherheit bedeuten. Das ist aber mit dem Chef der französischen Behörde für die Sicherheit der Atomanlagen (ASN), André-Claude Lacoste, trotz der nur noch kurzen Laufzeit nicht zu machen. Damit sich die Aufrüstung rentiere, müsse EDF alles Interesse haben, Fessenheim so lange wie möglich weiterlaufen zu lassen. Zudem Dauere die Prozedur vom Stilllegungsbeschluss bis zur Veröffentlichung der Dekrete mindestens fünf Jahre. Allerdings könne EDF den Betrieb des Reaktors jederzeit vorher beenden und mit dem Rückbau beginnen.

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6 Kommentare

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  • W
    wauz

    Kostenexplosionen sind Lüge

     

    Es war vor Jahren im Gesundheitswesen nicht wahr und ist heute bei den Strompreisen immer noch gelogen. Wo monopolistisch/kartellmäßig die Preise bestimmt werden, gibt es keinen klassischen Markt nach Adam Smith mehr. Strom und Benzin sind teuer, weil Energiekonzerne willkürlich die Preise setzen können.

    Das ist der eine Teil der Wahrheit.

    Der andere Teil ist die Antwort auf die Frage, was wäre wenn... Energie billig wäre? Juppheidi, lass man laufen, kost' ja nüscht!

    Energie muss als knappes Gut teuer sein, als ein Teil des Verteilmechanismusses. Die Alternative wäre die Rationierung. (Die Diskussion möchte ich lieber nicht erleben!)

    Wenn man also die Illusion eines Marktes aufrecht erhalten will, muss man:

    a) den wirtschaftlich durchsetzbaren Maximalpreis einfordern und die daraus resultierenden überschießenden Gewinne per Steuer abschöpfen (Stromsteuer/Kraftstoffsteuer hochsetzen)

    b) verhindern, dass gewisse Verbraucher völlig übertriebene Rabatte erhalten (Industrietarife!)

    c) durch Vergesellschaftung zumindest eines Teils der Ressourcen und der ganzen Vertriebswege beim Strom die Monopolisierung durch Privatkonzerne zurückdrehen. (Staatliches Monopol gegen privates setzen)

    Atomkraft ist sauteuer, und damit ein No-Go. Gewinn damit macht nur der, der die Kosten der Gesellschaft aufbürden kann. Billiger Atomstrom war von Anfang an eine bewusste Lüge, die in der Zeit des Kalten Krieges auf Grund der verbreiteten Angst gezogen hat.

    Im Übrigen ist der GAU beim Atomkraftwerk das sichere Ereignis, dass eintritt, sobald die externe Stromversorgung zusammenbricht. Es ist mehr eine Frage von Glück als von Technik, dass man dieses recht lange hinauszögern kann. Und den Atommüll werden wir nicht los. Nie!

  • T
    thomak

    jaja, die Atomindustrie ist total böse + alle anderen sind immer nur den guten Taten zugetan (lol)

     

    Wenn die Strompreise in Deutschland weiter uferlos ins Unendliche wachsen, dann wird die fanzösische Industrie plötzlich sehr vorteilhaft dastehen, und deutsche Produktionen werden an günstigere Standorte verlegt. Dann wird uns unser gutes Gefühl, die Welt nachhaltig verbessert zu haben, über die üble wirtschaftliche Entwicklung weghelfen, oder nicht?

  • B
    Beeger

    Atomarer Strom ist und bleibt der teuerste. Konservativ gerechnet immer noch ca. 50cent/kWh. Irgendwann wird diese Summe bezahlt werden. Wenn es über die Steuerlast geht, entlasten wir doch auch die Niedrigverdiener. So, what? Zwar auch die von der EEG Umlage freigestellte Industrie, aber das kann duch ein wenig Lobbyarbeit zurechtgerückt werden. P.S: Atommüllentsorgung mit einem Preis zu hinterlegen ist vielleicht etwas optimistisch wie aktuell ASSE zeigt.

    Also: französisches laisse faire und gut. Ich lebe 2050 nicht mehr und mein Sohn geht sowieso nicht vor die Tür. Ansonsten sind die Vorschläge vcn Bruno doch so fundiert "dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Bei uns explodieren die Strompreise, weil eine dogmatisierte Atom-Ausstiegspolitik Förderungen unkonzeptioniert verteilt - hauptsache Öko. Aber Frankreich steht vor dem finanziellen Super-Gau?

  • BP
    BRUNO (NICHT PROBLEM BÄR)

    Wie wäre es mit Abbausubventionen von staatlicher Seite her?!?!! Für die wohl nicht nur Geistig Armen der Atomindustrie und ihrer Lobby.

     

    Dafür werden dann halt eben mal üppige Finanzielle Einschnitte in der Sozialpolitik Frankreichs gemacht.

    Oder noch besser, gleich einen krassen Europaweiten Atomaren-Krisen-Abbau-Rettungsschirm einrichten. Dann klappt das schon mit den Kosten.

    Geramo, Geramo, liebe Franzosen, etwas mehr Kreativität wenn ich bitten darf.

    Schaut über euren Tellerrand hinaus zu euren Deutschen Nachbarn. Da könnt ihr eure Hausaufgaben machen wie, was, wo und wann finanzierbar gemacht werden kann.

    Also ihr Sozial schwachen am Rande der Gesellschaft.

    Zieht euch Warm an denn der Winter wird bitter kalt. Eure Hilfe und eurer Kunst auf Verzicht wird in naher Zukunft sicherlich wieder gebraucht.

    Damit die Atomaren Pappnasen ihre Kosten in den Griff bekommen. Chapeau und grüße, euer Geramo Pappnasen Charmeur. :O)

  • M
    menschenfreund

    Ich bitte um Verzeiung:

    Langsam kommt mir die Atomindustrie und jede, die sie befürworten und/oder befördern, wie eine Ansammlung höchst krimineller Vereinigungen vor. Befördert von Geldgier und grenzenloser Dummheit; insgesamt von einer epochalen Verantwortungslosigkeit.