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Schlagloch NSU-ErmittlungenDas Jahr der Handtaschennazis

Kommentar von Hilal Sezgin und Hilal Sezgin

Ein Jahr voller NSU-Pannenmeldungen und Gesülze der Verantwortlichen: 2012 ist das Jahr, in dem ich den Glauben an den deutschen Rechtsstaat verlor.

Wo selbst die Akten hinter Gitter kommen: NSU-Ausschuss. Bild: dpa

M anche Jahre tragen Signaturen. 1989 zum Beispiel wird für viele Deutsche immer das Jahr des Mauerfalls sein, 2001 für einen Gutteil der Welt das Jahr von „Nine Eleven“. Und 2012 ist in meiner Zählweise – aber sicher nicht nur in meiner – das Jahr, in dem ich den Glauben an Deutschland als funktionierenden Rechtsstaat verlor.

Nicht dass sich dieser Glauben je bis zur Euphorie gesteigert hätte. Aber es gab doch einige Punkte, die schienen bei uns ganz gut geregelt. Die deutsche Justiz mochte nicht perfekt sein, doch unter den fairsten der Welt. Auch deutsche Polizisten misshandelten bisweilen, aber man konnte sagen: Fehler passieren überall einmal. Und wenn ich die Wahl hätte, in einem deutschen oder einem französischen Gefängnis einsitzen zu müssen, dann nähme ich immer noch lieber das deutsche. Das Ganze war also nicht ideal, schien aber vom Prinzip her auf dem richtigen Weg.

Doch nach der Dauerbeschallung mit „Pannenmeldungen“ zur NSU in diesem Jahr, jede Woche etwas Neues zum Haaresträuben, fragt man sich allmählich, ob es überhaupt so etwas gibt wie einen anvisierten Weg und ein planerisches Konzept im deutschen Polizei-, Überwachungs- und Nazidschungel. Ich brauche das alles nicht zu wiederholen. Wir haben uns ja schon völlig daran gewöhnt, dass unsere Sicherheitsapparate in einem fort versagen, wegsehen, die falsche Seite unterstützen oder sonst wie, jeder nach seinen Möglichkeiten, zur allgemeinen Gefahrenlage beitragen.

privat
HILAL SEZGIN

ist Journalistin und Schriftstellerin. Sie lebt in der Lüneburger Heide. Zuletzt erschien von ihr: "Landleben. Von einer, die raus zog" (DuMont Verlag). 2010 erhielt sie den European Muslim Women of Influence Award.

Kürzlich hörte ich im Autoradio, dass in New York irgendwelche Polizeiakten zu Konfetti verarbeitet und während einer Parade ausgestreut worden waren. Früher hätte ich gelacht über so viel Blödheit, jetzt aber schrak ich auf und dachte: Hoppla, das haben unsere Geheimdienste noch gar nicht gemacht! Wieso ist unser MAD nicht drauf gekommen – zu mad vielleicht? Man kann den Gedanken kaum fassen, dass ein anderes Land auf dem Gebiet der Polizei- und Geheimdienstpannen mal eine Idee gehabt haben soll, auf der nicht Made in Germany stand.

Erst Ausländer hauen, dann Handtaschen klauen

Aber ich sollte keine Witze darüber machen, dafür ist die Sache zu ernst. Das Problem ist bloß: Ich kann das alles einfach nicht mehr ernst nehmen – all das legitimierende, entschuldigende Gesülze. Das staatliche Gewaltmonopol ist ein heikles, aber in einem modernen Staat vermutlich unverzichtbares Konstrukt. Und der gewaltigen Legitimationslast dieses Konstruktes müssen Kompetenzen, Verantwortungen und Kontrollmechanismen entsprechen. Das sehe ich nicht. Das sieht wohl niemand mehr, der 2012, dem Jahr schwindenden Vertrauens, die Meldungen zur Zwickauer Zelle verfolgt hat.

Und wir erlebten ja nicht nur ein Jahr grotesken Versagens unserer Sicherheitseinrichtungen, sondern auch eine nicht enden wollende Kette des Im-Stich-gelassen-Werdens. „Wir“ heißt jetzt mal: Wir mit dem migrantischen Hintergrund. Wir mit Teint. Wir werden nicht genug beschützt.

Ende November stellte der NRW-Innenminister Ralf Jäger die Kriminalstatistiken zu Rechtsextremismus vor und legte dar, dass Nazis außer spezifisch rechtsextremen Delikten auch andere begingen. Dabei wählte er die aussagekräftige Formulierung: „Das zeigt, dass Rechtsextremisten eine Gefahr für unsere gesamte Gesellschaft sind. Heute verprügelt ein Neonazi einen Ausländer, morgen stiehlt er einer alten Frau die Handtasche.“

Man beachte dreierlei: erstens das Wort „Ausländer“. Zweitens den Schluss, dass Nazis erst, indem sie auch Nicht-„Ausländer“ bedrohen, eine gesamtgesellschaftliche Gefahr würden. Drittens die mit dieser Reihenfolge ausgedrückte implizite Wertung. Wer heute bloß Ausländer verprügelt, stiehlt morgen vielleicht eingeborene Handtaschen!

Nazis? Ach was, Messingdiebe!

Von dem Pressesprecher des Ministeriums erfuhr ich am Telefon, das sei „nicht so gemeint“ gewesen, sondern man habe ja nur so argumentiert, weil „an den Stammtischen“ so gedacht werde. Und diesen Leuten wolle man eben zeigen, dass „Nazis nicht nur politisch sind, sondern auch kriminell“. (Meine Nachfrage, ob Körperverletzung nicht auch kriminell sei, bejahte er allerdings sofort.)

Kürzlich wurde hier in der Nähe ein Nazi verprügelt. Die berichtende Lokalreporterin war völlig schockiert: „Wenn solche Dinge Schule machen!“ Nun, auch ich bin gegen das Verprügeln von Nazis (außer in Notwehr). Allerdings würde ich mir wünschen, dass mehr Reporter ihr Augenmerk darauf richten, dass kein Tag vergeht, an dem nicht jemand von einem Nazi geschlagen, bespuckt oder rassistisch verhöhnt wird. Das Verprügeln von Menschen durch Nazis hat längst „Schule gemacht“!

Verblüffend auch, wie schnell sich in solch einem Fall klären lässt, dass es sich sozusagen um politisches Verprügeln gehandelt hat – also wenn das Opfer ein Nazi war. Umgekehrt ist es viel schwieriger. Wenn Nazis Schweineblut vor Moscheen ausschütten oder Stolpersteine aus dem Pflaster brechen, ist das nämlich erst einmal nur Sachbeschädigung oder Diebstahl. Die Gesinnung ist da gaaanz schwer nachzuweisen. Ich sprach mit der erwähnten Lokalreporterin, erzählte von den Stolpersteinen. Sie fragte: „Woraus sind die denn – aus Messing? Vielleicht haben sie es deswegen gemacht!“

Und dennoch gab es in den letzten Monaten einiges, was mich sehr berührte. Da marschierten Flüchtlinge nach Berlin, campierten bei Wind und Wetter vor dem Brandenburger Tor. Traten in Hungerstreik, demonstrierten für Grundrechte, die sie nach jetziger Rechtslage nicht haben. Rechtlos, Rechtloser, Flüchtling in Deutschland. Die Polizei hat ihnen, salopp gesagt, die Matratzen unterm Hintern geklaut. Ihnen den Wärmebus abgestellt.

Es war ein ständiges Theater aus Grotesken und Schikanen, aber über sechs Wochen haben die Protestierenden durchgehalten. Ausgerechnet sie besitzen anscheinend, was viele andere dieses Jahr verloren: den Glauben, dass die Bundesrepublik noch ein vernünftigen Argumenten zugänglicher, demokratischer Rechtsstaat ist.

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Hilal Sezgin studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete mehrere Jahre im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in der Lüneburger Heide. Zuletzt von ihr in Buchform: „Nichtstun ist keine Lösung. Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs.“ DuMont Buchverlag 2017.
Hilal Sezgin studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete mehrere Jahre im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in der Lüneburger Heide. Zuletzt von ihr in Buchform: „Nichtstun ist keine Lösung. Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs.“ DuMont Buchverlag 2017.
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26 Kommentare

 / 
  • I
    itso

    Als Deutscher mit Teint, der seit ca. zwei Jahren täglich beleidigt wird. dafür aber noch nie von den einschlägigen (aber wirklich vorhandenden)einschlägigen Strukturen bedroht. (Wohl aber übervorteilt, und mit absolut mangelndem Respekt behandelt) Verstehe ich, dass dieser Artikel nicht für den allgemeinen Gutmenschen hier in D geschrieben wurde.

     

    Menschen die mir meine Multi-Kulturelle Vergangangenheit absprechen, die ich über 30 Jahre lang erlebt habe, und hier in Berlin Touristisch Verwässert auch weiterhin erlebe, können nicht meine festen Bezugspunkte stellen..

  • T
    taz-Zensor

    Von einer Autorin, welche den "European Muslim Women of Influence Award" bekommen hat, darf man eine seriöse Berichterstattung vermutlich nicht verlangen.

     

    Nun ja, wer das Ende der Döner-Morde mit dem Fall der Berliner Mauer oder 9/11 vergleicht, hat wohl ohnehin niemals die Absicht gehabt, sachlich zu berichten.

     

    Dabei erlaube ich mir die Frage, wie die Journalisten denn einem Mörderduo meint begegnen zu können, welche die ekelhaften Morde ohne personenbezogenes Motiv durchführt. Ohne Augenzeugen war keiner dieser Morde aufzuklären, nur durch die Spuren des bei Banküberfällen geraubten Geldes.

     

    Gut, ficht die Autorin nicht an. Es gehr ja auch nur darum, alle zwei Stunden einen "NSU-Artikel" zu bringen und irgendwie die (fraglos Verbrecher) der NPD mit der NSU in einen Zusammenhang zu bringen.

    Ob sich wohl Jonny K. , auf dem Alexanderplatz ermordet, gefreut hätte, nur ein Prozent der Aufmerksamkeit zu erlangen? Dessen Mörder sind bekannt und immer noch auf freiem Fuß in der Türkei - das ist ein Skandal.

     

    Die SoKo "Döner" war die größte jemals ermittelnde Sonderkommission.

     

    2012 war ein schlechtes Jahr - zumindest für das Ansehen der Presse.

  • K
    kto

    Liebe Frau Sezgin, Sie beklagen: "Das Verprügeln von Menschen durch Nazis hat längst 'Schule gemacht'!" Stimmt, aber so sehr Sie es auch herbeizuschreiben versuchen, Sie werden in Deutschland kaum jemanden finden, der das beschönigt. Im Gegenteil: Die Lichterketten, Straßen- oder Platzumbenennungen sind in diesem Land kaum noch zu zählen, weil wir gottlob aus unserer Geschichte gelernt haben. Nur weil ein NRW-Minister das Wort "Ausländer" benutzt, ist er noch kein Nazi, und weil sein Satzbau ungeschickt war, dürfen Sie nicht unterstellen, für ihn seien ja "bloß" Ausländer verprügelt worden. Skandalös ist einzig Ihre tendenziöse Unterstellung, nicht seine Wortwahl! Sie wollen offenbar die Deutschen "ohne Teint" in eine Dauerschuldkrise treiben, die sie so nicht verdient haben. Da sind Sie freilich nicht allein. Wir haben noch im Ohr, wie Herr Mazyek (Zentralrat der Muslime) "uns" die Verwendung des Begriffs "Döner-Morde" um die Ohren schlug, weil er "unseren" und den Rassismus der Polizei scheinbar damit gut belegen konnte. Dass aber sogar die "TurkishPress" den gleichen Begriff und die gleiche abwegige Spur unter Berufung auf türkische Geheimdienstkreise ins angeblich türkisch-kriminelle Milieu eine Zeitlang verfolgte (in "'Döner-Morde' wegen Wettschulden?", 12.12.2009 von Fikret Deniz), war Ihnen und allen anderen islamischen Zuwortmeldern keine Erwähnung wert! Der "TurkishPress"-Artikel wurde inzwischen klammheimlich vom Netz genommen; Google hat ihn noch.

     

    Ihre Einäugigkeit macht Sie unglaubwürdig. Wie viele Menschen "mit" (meist Frauen) und solche "ohne Teint" wurden in den vergangenen 12 Monaten von Menschen "mit Teint" in diesem Land nicht nur verprügelt, sondern gemessert und zu Tode geschlägert? Johnny K. war da nur einer unter tausenden – hat die Community, auf deren Konto dies geht, sich dafür jemals entschuldigt oder den Tätern öffentlich ins Gewissen geredet? In den Niederlanden hat die Marokkanisch-Niederländische Gemeinschaft im Okt. 2009 in einem dramatischen Appell die eigene Jugend aufgefordert, ihr gewalttätiges Verhalten sofort abzulegen: "Juist Nederlanders van Marokkaanse komaf moeten alles in het werk stellen om deze criminaliteit te stoppen..." ("Stop criminaliteit Marokkaans-Nederlandse jeugd!", De Volkskrant, 12.10.2009; nur noch über Google). Unterschrieben von Unie van Marokkaanse Moskeeorganisaties in Nederland (UMMON), Vereniging Imams Nederland (VIN), Samenwerkingsverband van Marokkaanse Nederlanders (SMN) sowie ca. 40 Imamen. Sie wären um Einiges glaubwürdiger, würden Sie sich auch mal um gute Ideen "made in Holland" kümmern und dafür sorgen, dass diese sich hierzulande in migrantischen Verbands- und Betroffenenkreisen herumsprechen.

  • A
    anke

    Wenn Sie glauben, Frau Sezgin, seinen Glauben (genauer: das Vertrauen in seine Mitmenschen) könnte man verliert wie ein Taschentuch, dann haben sie das Phänomen noch nicht erlebt. Nein, es steht keine Jahreszahl an so einem "Ereignis". Es handelt sich dabei nämlich gar nicht um einen Vorfall, sondern um einen Prozess. Um einen vergleichsweise zähen sogar.

     

    Anders, als der Einsturz des WTC oder der Berliner Mauer, dauert der Verlust einer Überzeugung Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Vor allem im höheren Alter. Dann nämlich werden die Überzeugungen als integraler Bestandteil der eigenen Persönlichkeit empfunden. Man kann sie gar nicht mehr "verlieren", ohne es als schmerzhaft zu empfinden und gegen den Verlust zu kämpfen. Eigentlich geht man seiner Überzeugungen als Erwachsener höchstens noch in der Art verlustig, in der man als taz-Kolumnist den Außenspiegel verliert oder als alte Frau die Handtasche. Mit ähnlichem Ergebnis übrigens.

     

    Ich wundere mich jedenfalls nicht darüber, dass ausgerechnet ein Häuflein Flüchtling agiert, als wäre "die Bundesrepublik noch ein vernünftigen Argumenten zugänglicher, demokratischer Rechtsstaat". Diese Leute sind zwar von der "Staatsmacht" noch deutlich schlimmer schikaniert, missachtet und desillusioniert worden als die meisten anderen Menschen in diesem Land (und wenn irgendwer an einer "nicht enden wollenden Kette des Im-Stich-gelassen-Werdens" hängt, dann ja wohl sie). Aber erstens: Diese Leute sind fremd. Sie brauchen einen Teil der Demütigungen schlicht nicht zu verstehen, wenn sie nicht wollen. Und zweitens: Was hätten sie schon davon, würden sie die Hoffnung auf Deutschland aufgeben? Wo sollten sie denn hin, wenn sie sich eingestehen müssten, dass sie sich im Ziel all ihrer Träume und Hoffnungen noch schlimmer behandelt werden als da, wo sie unter Lebensgefahr hergekommen sind?

  • T
    teestube

    "Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Sicherheitsapparate versagen"

     

    Das müssen wir aushalten...

  • P
    Punktestand

    Ich wander aus. Ich hab die Schnauze voll. Ich bewege meinen Teutonenarsch nach weiß-der-Geier-wohin und überlass dieses Land all den Idioten, die keine drei wahren Worte über Neonazis lesen können ohne wie die Pubertärlinge loszuplärren, daß Türken aber auch gefährlich seien und Araber noch viel gefährlicher und bläh und brä und bluh. Die allen Ernstes aufrechnen, wer wem öfter was auf die Schnauze gegeben hätte, ganz so, als sei das friedliche Zusammenleben ein Fußballspiel mit Punktestand.

    Von mir aus könnt Ihr Euren Pokal im ethnischen Wettbewerb haben und ihn Euch hinschieben, wo die Sonne niemals scheint. Ihr habt gewonnen, die Moslems sind viel, viel böser, als Ihr! Backt Euch ein Ei drauf! Mir geht das so was von auf die Nüsse. Ich gewinne zunehmend die Gewissheit, daß ich in einem Kindergarten aufgewachsen und aus diesem auch nie herausgekommen bin!

  • EW
    Es wird schlechter

    "Allerdings würde ich mir wünschen, dass mehr Reporter ihr Augenmerk darauf richten, dass kein Tag vergeht, an dem nicht jemand von einem Nazi geschlagen, bespuckt oder rassistisch verhöhnt wird."

     

    Das wäre schön. Es ist allerdings auch schwer, wenn man selbst dauernd unter der Gefahr von Angriffen türkischer oder arabischer Gewalttäter lebt. Rassismus, Sexismus und Gewalt gibt es da laut jeder Kriminalitätsstatistik viel mehr. Indem man diese verschwinden lässt und ignoriert ändert man die Realität nicht. In dieser Realität wächst vielerorts eine ganze Generation auf. Man wechselt die Schule, fährt kilometreweite Umwege zum Badesee statt ins Freibad und lässt beim Ausgehen Vorsicht walten. Wie "es wirklich ist" erklärt einem dann die vereinigte Medienfront aus dem Rotweinviertel, deren Kinder ein Gymnasium besuchen und sonst wie die Eltern "bunt" ganz toll finden solange es sie nicht betrifft. Dazu kommen dann Gerichtsurteile im "Namen des Volkes" wie gerade bei der Vergewaltigung am Herrmannplatz. Jeder ist sich selbst der Nächste. Gewalttäter abschieben, Recht zu sprechen, andere polizeiliche Methoden anzuwenden oder gar demokratisch mitzubestimmen wie und mit wem man leben will ist nicht zu erwarten. Doppelmoral und Opferselektion umso mehr. Deshalb wird sich nichts zum Besseren ändern sondern die Probleme werden schlimmer. Demokratische Mitbestimmung zur "Einwanderung", "Integration" und dem medial nicht mehr existierendem "Multikulti" gibt es nicht und wird es nicht geben. Triste Nazizonen im Osten bekommen ein Gegenstück im Westen, No-Go Gegenden in Westdeutschen Städten werden zu Todeszonen ohne staatliche Kontrolle wie in Frankreich, Kriminelle Großsippen bleiben und neue werden geholt, Nazigruppen wachsen, Islamisten werden mehr. Bevor man links einen Fehler zugibt und die Theorie der Realität anpasst lässt man lieber bis zum bitteren Ende Leute sterben. Ob Türken oder Deutsche ist dabei egal. Neu ist das nicht. Nur haben die Türken noch ein Land in das sie gehen können wenn es hier unerträglich wird. Deutsche nicht.

  • H
    Hobbit

    "Man beachte dreierlei: erstens das Wort „Ausländer“. Zweitens den Schluss, dass Nazis erst, indem sie auch Nicht-„Ausländer“ bedrohen, eine gesamtgesellschaftliche Gefahr würden. Drittens die mit dieser Reihenfolge ausgedrückte implizite Wertung. Wer heute bloß Ausländer verprügelt, stiehlt morgen vielleicht eingeborene Handtaschen!"

     

    Unglaublich, zu was für einer völlig verdrehten Wahrnehmung und die Grenzen den Grotesken sprengenden Interpretation manche Leute fähig sind. Die Aktion von Jäger ist ja bereits eine äußerst fragwürdige Auslegung der Gesetze und vor allem ein Verfälschung der Statistik. Und ihm das dann noch als immer noch nicht ausreichend aufs Butterbrot schmieren zu wollen, zeugt schon von einem äußerst bedenklichen Demokratieverständnis. Der Glaube an den Rechtsstaat wird eher durch solche Aktionen von Jäger in den Abgrund gestoßen, als durch die Arbeit der Polizei. Anders als es viele Journalisten nämlich glauben machen wollen, ist in dem Fall noch nichts, aber auch gar nichts geklärt. Es bleibt nur, noch einmal darauf hinzuweisen, daß selbst türkische Stellen auf mögliche Verstrickungen ins Drogenmilieu bzw. zum organisierten Verbrechen hingewiesen haben. Komischerweise werden alle diese Spuren fallen gelassen, seitdem die Mär vom Nazi-Terror aufgekommen ist.

     

    Naja, mag Frau Szegin ruhig weiter vor sich hin phantasieren. Das kann doch niemand bei klarem Verstand mehr ernst nehmen. Interessant auch, daß sie sich selbst und den sogenannten Menschen mit Teint (was ist denn das wieder für ein absurder Ausdruck) wieder eine Sonderrolle zukommen läßt und sich außerhalb der Gesellschaft stellt und damit deintegrierend wirkt...

  • K
    kameramann2

    An Taintlose Deutsche:

    Aber den Unterschied von Mitwirkung der staatlichen Organe und Handlungen ohne Letzteres aus dem Affekt

    (die genauso verwerflich sind) können Sie schon erkennen? Oder liegt's doch am fehlenden Taint der Beamten?

     

    Gruß aus Berlin

  • K
    Krischan

    Guten Abend, Frau Hilal,

     

    Sie sprechen mir aus dem Seelchen.

    Aber - geteiltes Leid ist halbes Leid.

     

    2012 ist nämlich für mich kein besonderes Jahr. Wie in den Jahren zuvor werden wir von rumänischen Diebesbanden ausgeplündert, von türkischen oder arabischen Jungs zusammengeschlagen und vom Kolat oder vom Erdogan in die Pflicht genommen...

     

    Ach, liebe Hilal, in diesem Lande leben wir Teintlosen und Null-Hintergründler schon längst wie Fremdlinge in eigenem Lande.

     

    Beste Grüße,

    Ihr Krischan

  • C
    cmemory

    Und was soll uns das jetzt sagen? Ist ja schade das Sie ihren "Glauben" verloren haben, aber vielleicht war das ja mal Zeit. Alternativen zeigen Sie keine auf. Deutschland ist nach wie vor eines der sichersten Länder der Welt, auch für Leute mit teint. Das ist nachprüfbarer Fakt und zeichnet ein weitaus differenzierteres Bild.

  • R
    RenaBu

    Ein sehr gut geschriebener Artikel der mir ganz aus dem Herzen spricht!

     

    Vielen Dank!

  • H
    huhn

    Ja, es geht mir ähnlich mit dem Stichjahr. Nur, ging das Vertrauen weniger deshalb verloren, weil die Dinge passiert sind (man muss ja prinzipiell mit allem rechnen), sondern, weil alle NSU-Aufklärung bis heute unglaubwürdig bleibt.

     

    Daran haben auch Untersuchungsausschüsse, Anklageschriften und das routinemäßiges Entsetzen auf Politikerseite nichts geändert.

     

    Irgendwie war das posthume NSU-Fahndungsplakat für mich der Knacks in puncto Vertrauen. Das einzig Wahre an der ganzen traurigen Geschichte sind wohl die geschredderten Akten.

  • J
    Jörn

    "Glauben an den Rechtstaat"

    Ich möchte gerne an den Rechtstaat und nicht den "Rechtsstaat" glauben. Jeder Staat hat seine Defizite und blinde Flecken. Sei es die Staatsanwaltschaften, die so organisiert sind, dass sie per Dekret dort nicht ermitteln, wo es der politischen Führung nicht genehm sind. Seien es die Väter, denen kein Gericht hilft, wenn sie ihre Kinder sehen wollen, die aber bis zur Pfändungsgrenze Unterhalt bezahlen müssen. Oder eben ein Geheimdienst, der Terroristen unterstützt und eine Bundesanwaltschaft, die nicht auf die Idee kommt, gegen die Geheimdienste zu ermitteln.

    Der Rechtstaat ist nicht einmal installiert und funktioniert dann von alleine. Vielmehr hat er die Tendenz überall hintergangen zu werden und wir müssen dafür kämpfen, dies so oft wie möglich zu verhindern. Daran können wir glauben.

  • RB
    Rainer B.

    Ich teile Ihren Schmerz hinsichtlich des Deutschen Rechtsstaats uneingeschränkt.

     

    Wenn es aber etwas gibt, an das ich nach wie vor glaube, dann ist es die Macht vernünftiger Argumente. Womit sonst sollte man einen demokratischen Rechtsstaat zum Leben bringen und am Leben halten?

    Die Welt ist nie perfekt. Sie braucht unsere Wartung.

  • M
    materialismusAlter

    Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen... Das Wort Panne ist im Kontext des NSU Komplexes völlig unangebracht. Versagen ebenfalls. Denn diese Begriffe unterstellen, dass die Akteure nicht das geschafft haben was sie wollten und nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Die deutschen Behörden wollten Nazis unterstützen, beschützen und decken. Das haben sie getan. Niemand hat versagt.

  • L
    L´Andratté

    rechtsstaat...

     

    hahahahaha!!!

    schönes wortspiel!

    das ist erst der anfang von "rechts-staat"

     

    solange es nix kostet steht jeder gern moralisch da

    (;

     

    ein unglück, daß wir alle (noch) so gut zu fahren scheinen, mit unserem kopf im sand

     

    natürlich ist es hier besser als im kongo,

    wir habe noch raum nach unten...

     

    wir tragen alle klamotten aus kinderarbeit (o.ä.)und haben kein problem damit, oder?

     

    beste grüße und glück auf (hahaha-rechtstaat!)

  • M
    Maja

    Meinen Glauben an den Rechtsstaat hat mehr das Unrechtsurteil gegen Dynamo erschüttert. Obwohl es sich hier natürlich nur um die DFB- Sportgerichtsbarkeit handelt.

  • K
    Knast?

    Gefängnis bleibt Gefängnis, die Qualität unterscheidet sich wie Zeitungspapier von Klopapier zum Arsch abwischen.

  • H
    Hussein

    Deutschland ist ein Rechtsstaat, aber Geheimdienste haben eben eine Freifahrkarte zum Sündigen und das tun sie auch. Dass dabei Migranten/Muslime/Türken/Kurden auch mal niedergeballert werden, wird dann eben mit Mafia, Spielsucht und deren eigenen Beschaffenheiten erklärt. Vor Kurzem schrieb hier jemand, eigentlich seien die Polizisten harmlos, mittelschicht und nicht besonders rassistisch.

     

    Wenn man eine Vermutung lange wiederholt, bleibt das hängen, das glauben einige und zwar meist nicht die Leute, die die taz oder andere unabhängige Zeitungen lesen, also vermutlich eine große Merheit. Bei ard und zdf sitzen die in der ersten Reihe und diese Sender, senden mehr und mehr das, was eine bürgerliche Mitte fordert.

     

    So läuft das. 'Wir sind alle lieb und beruhigt', Probleme haben wir gelöst. Und wenn's wieder knallt, halten sie ein paar Reden vor Kerzen und geben ein wenig Geld für die Opfer raus.

  • L
    Luise
  • T
    tom

    @Sezgil: 2012 ist für mich eher ein Wendepunkt wie 1968 als Teile der Gesellschaft erstmals das Gewalt- und Machtmonopol des Staates in Frage gestellt haben. Heute ist der Staat und seine Organe nur zu schwach und schlecht organisiert, um diese Grundhaltung aus den Menschen herauszuprügeln.

     

    Ich sehe 2012 als Chance, dass durch die Delegitimierung der Polizei und Geheimdienste, diese jetzt auch von Mainstream Medien kritisch hinterfragt werden. Wenn dies sich nicht im Wahlergebnis 2013 auswirkt, wäre ich überrascht.

     

    Nur einer These von Ihnen kann ich nicht folgen. Das Leid der Flüchtlinge mit ihren Unterkünften und Residenzpflicht ist bekannt. Es gibt aber auch Regeln, die dazu dienen an Orten wie dem Brandenburger Tor nicht zu Dauerproteststellen abzuwerten. Das Brandenburger Tor ist ein Ort der Geschichte und sollte nicht durch Demonstrationen umgewandelt werden. Gestattet man den Flüchtlingen dieses Recht, dann muss dieser Ort auch allen anderen Gruppen zur Verfügung gestellt werden.

  • H
    Humankapital

    Traurig und zugleich ermutigend, wie Sie mir aus der Seele sprechen. Vielen Dank Frau Sezgin

  • TD
    teintloser Deutscher

    „Wir“ heißt jetzt mal: Wir mit dem migrantischen Hintergrund. Wir mit Teint. Wir werden nicht genug beschützt.

     

    Sie sprechen von Jonny K., der am Berliner Alex von mehreren Deutsch-Türken totgetreten wurde?

    Vor denen schützt uns Deutsche ohne Teint aber auch keiner.

  • T
    toni

    Ich habe den Glaube an den deutschen Rechtsstaat durch solche Skandalurteile verloren:

     

    http://www.bz-berlin.de/aktuell/berlin/manche-urteile-kann-ich-einfach-nicht-verstehen-article1598526.html

  • P
    Peter

    Willkommen im Klub! Dieser Rechtsstaat funktioniert schon lange nicht mehr, und zwar auf keinem Gebiet.

     

    Aber - was will man auch erwarten, wenn sich die BRD nicht einmal an ihre eigenen Gesetze halten will - siehe Art. 146 GG.