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Gesetz zum Arbeitnehmer-DatenschutzOffenes Bespitzeln wird legitimiert

Die Gewerkschaften kritisieren das neue Gesetz zur Überwachung am Arbeitsplatz. Auch die Piraten bemängeln die Einschränkung der Persönlichkeitsrechte.

Erwischt beim Arbeiten. Bild: dpa

BERLIN taz | Nach langen Debatten will die schwarz-gelbe Koalition den Datenschutz am Arbeitsplatz neu regeln. Der Gesetzentwurf, den das Kabinett vor zwei Jahren beschloss, wurde jetzt noch einmal überarbeitet. Trotzdem hagelt es Kritik, unter anderem vom Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar. „Die Änderungen bringen Verbesserungen, überwiegend aber Verschlechterungen“, sagt er.

Mit dem Gesetzentwurf reagiert die Regierung auf die Überwachungsskandale bei Unternehmen wie Aldi, Lidl, Bahn und Telekom. Die Bespitzelung von ArbeitnehmerInnen werde mit den Koalitionsplänen aber nicht verhindert, sondern lediglich legalisiert, kritisierte IG-Metall-Justiziar Thomas Klebe.

Heimliche Videoüberwachung soll zwar verboten werden. Doch Beschäftigte dürfen weiterhin gefilmt werden, wenn es dafür einen triftigen Grund gibt. Kameras, die beispielsweise vor Straftaten schützen, dürfen nach wie vor aufzeichnen, wenn es kein „milderes Mittel“ gibt. Leistungs- und Verhaltenskontrollen hingegen rechtfertigen keinen Einsatz von Videokameras.

Schaar lobte das Verbot von heimlicher Überwachung, befürchtet aber im Zuge dessen eine „deutliche Erweiterung der offenen Videoüberwachung im Arbeitsverhältnis“. Zudem kritisierte er, dass die Regeln zur Datenerhebung im Bewerbungsverfahren nicht eingegrenzt, sondern sogar gelockert wurden.

So dürfen sich laut neuem Entwurf Personalchefs etwa auf Facebook alles ansehen, was allgemein verfügbar ist. Außerdem blieben die neuen Regeln hinter der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Datenschutz-Grundverordnung zurück. Es sei nicht akzeptabel, so Schaar, dass ein Arbeitgeber nicht allgemein zugängliche Daten bei Dritten erheben dürfe.

Piraten kritisieren mögliche Diskriminierung

Laut der Piratenpartei seien die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten stark eingeschränkt: Fragen zu laufenden Verfahren in Bewerbungsgesprächen, zu Bluttests oder ärztlichen Untersuchungen seien in Bewerbungsgesprächen erlaubt.

Katharina Nocun, Landtagskandidatin der Piraten in Niedersachsen, sagt: „Das neue Gesetz verstößt nicht nur gegen die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung, sondern öffnet Diskriminierung Tür und Tor“, kritisiert sie. „Das Arbeitnehmerüberwachungsgesetz gehört daher auf direktem Weg in den Schredder.“

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3 Kommentare

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  • GB
    G. Büchner

    Schäuble hat die Karlsbader Beschlüsse erneut umgesetzt, Schily, Friedrich und andere erweitert.

    Sie gehen Inhaltlich zu Ratzinger, der sich ja ganz bewusst den Name Benedikt gab und mit der Zeit des Wiener Kongress/Karlsbader Beschlüsse begründete.

    Der Guttenberg konnte nicht inthronisiert werden, dafür haben wir den Gauck.

    Hurra, der feudale Ständestaat kommt näher. Angestellte dürfen nur noch erdfarbene Kleidungsstücke tragen.

     

    Haben heutige Gewerkschaften überhaupt ein standing, Biss? Oder gehen die Kassen immer noch vor?

  • A
    anke

    Wenn es in Deutschland noch Philosophen gäbe, könnten sie ja mal zum Spaß folgende Frage diskutieren: Kauft der sogenannte Arbeitgeber mit dem Lohn oder Gehalt eigentlich den ganzen Menschen, oder kauft er nur ein paar Stunden Arbeit? Mir scheint, gewisse Leute hätten gar nichts dagegen, wenn der Gesetzgeber die Sklaverei wieder einführen würde. Ganz demokratisch natürlich und vollkommen transparent.

  • SW
    S. Weinert

    Das Fragen hinsichtlich gesundheitlicher Untersuchungen, Bluttest etc. erlaubt sein sollen, befremdet in der Tat - auch wenn ich aus meiner Erfahrung heraus Zweifel hege, ob dies eine tatsächliche Relevanz besitzt (ich habe derartige Nachfragen bisher noch nicht erlebt).

     

    Das jedoch zum Zwecke der Beweissicherung Filmaufnahmen getätigt werden dürfen (wohl bemerkt: erst nach Einschaltung und mit Zustimmung des Betriebsrates!), halte ich für realistisch. Der weitaus überwiegende Teil von Diebstählen wird von Mitarbeitern begangen, wir sprechen hier in der Summe von Milliarden.

     

    Und ein Verbot des Arbeitgebers, einen Bewerber zu googlen oder sein Profil auf facebook zu sichten ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Warum soll einem Arbeitgeber verwehrt werden, was jedem Privatbürger erlaubt ist? Und wurde nicht gerade erst vor einigen Tagen ein großes Klinikum in der Presse zerrissen, weil sie einen in den Niederlanden angeklagten Arzt eingestellt haben? Es hieß unisono: Da hätte man nur googlen müssen, um den Skandal zu verhindern... Informationen einzuholen kann auch aus Sicht des Arbeitgebers durchaus legitim und richtig sein!