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Militäreinsatz in MaliFrankreich läuft prima

Französische Flaggen wehen auf Autos und in Malis Straßen. Viele Menschen zeigen so ihre Begeisterung über die Intervention der früheren Kolonialmacht.

In Mali ein Renner: französische Flaggen Bild: dapd

BAMAKO taz | Taxifahrer Moussa zeigt stolz auf die beiden Flaggen, die er mit einem Saugknopf in die Windschutzscheibe seines alten Golfs gepappt hat. Mali und Frankreich flattern einträchtig nebeneinander im Wind, der durch die heruntergedrehten Scheiben weht. Es ist früher Nachmittag, und auf der alten Brücke über den Niger ist ausnahmsweise kein Stau. Das Auto rappelt gemächlich. Moussa lächelt. „Die Franzosen sind gekommen, um uns zu helfen. Darüber freuen wir uns natürlich sehr.“

Vor allem für Autos sind französische Flaggen seit Beginn der Militärintervention eine beliebte Dekoration geworden. Wer besonders viel Zuneigung für die Franzosen hat, gibt sich nicht mit dem kleinen Saugknopf-Exemplar zufrieden, sondern spannt eine große einmal quer über die Motorhaube. Manchmal wehen die auch über kleinen Marktständen oder von einem Balkon herunter. Es ist kein Flaggenmeer. Mali ist nicht blau-weiß-rot. Aber es ist auffällig. Ausgerechnet die Tricolore, die Flagge der alten, so oft verhassten Kolonialmacht.

Noch vor einem Monat wäre es undenkbar gewesen, in Mali französisch zu flaggen. Die Wut war groß. „Warum macht Frankreich nichts?“, fragten Anfang Dezember 2012 ärgerliche Demonstranten auf dem Platz der Unabhängigkeit, an dem das französische Kulturzentrum liegt. Die alte Kolonialmacht hatte bei vielen den Ruf: „Sie redet viel, gern und lange. Aber wenn es brenzlig wird, lässt sie uns allein.“

Mali ist mittlerweile seit 52 Jahren unabhängig. Damals war Modibo Dicko (Name geändert) achtzehn Jahre alt. Heute ist er ein grauhaariger Mann, der jeden Abend Gymnastik macht. „So halte ich mich fit“, sagt er und schiebt lächelnd seine große Brille zurück auf die Nase.

Er sitzt in einem kleinen, fensterlosen Büro. Vor ihm liegen haufenweise rote und grüne Aktenordner. Sein Handy klingelt. Jemand fragt nach einem Kollegen. Der sei gerade im Unterricht, erklärt Dicko ruhig und wünscht dem Anrufer einen schönen Tag. Aus den übrigen Zimmern dringen laute Kinderstimmen.

Dicko ist 70 Jahre, arbeitet aber noch immer jeden Tag. Er ist Direktor einer kleinen Grundschule in der Hauptstadt Bamako. „Was haben wir uns gefreut“, erinnert sich Dicko an die Zeiten der Unabhängigkeit 1960. „Die Stimmung war so euphorisch.“ Gespielt, getanzt und applaudiert hätten sie am Tag der Unabhängigkeit.

Aus seiner Sicht waren die Malier damals so begeistert, weil sie mit Modibo Keïta einen überaus charismatischen Präsidenten – 1968 wurde er durch einen Militärputsch gestürzt – bekommen hatten. „Es war deshalb nicht nur eine Stimmung gegen Frankreich, sondern für den Präsidenten.

Drogen- und Waffenhandel

Dieses Bild hat sich im Laufe der Jahre immer wieder gewandelt. Gerade im vergangenen Jahr verärgerte das Verhalten Frankreichs viele Malier. Für einige galt die alte Kolonialmacht als mitverantwortlich für die prekäre Situation, in die Mali seit Anfang 2012 geriet. Gerade bei lautstarken Demonstrationen in der Hauptstadt Bamako, bei denen zum Jahresende hin immer häufiger die militärische Intervention gefordert wurde, lautete der Vorwurf oft: Die einstige Kolonie hat in Mali in der Vergangenheit nichts gegen die Terroristen der al-Qaida im Islamischen Maghreb unternommen.

Dass deren Mitglieder seit längerer Zeit den Drogen- und Waffenhandel in der Sahara kontrollieren, sei schließlich hinlänglich bekannt. Deutlich wurde das etwa durch einen spektakulären Entführungsfall von vier Touristen in der Stadt Timbuktu im November 2011. Dabei kam ein Deutscher ums Leben.

„Vive la France“

Auch beim Kampf gegen die Befreiungsbewegung von Azawad (MNLA) wurde Mali Anfang Januar 2012 nicht unterstützt. Die MNLA gilt mittlerweile zwar nicht mehr als politischer Machtfaktor, aber doch als Türöffner für die radikalen Islamisten von Ansar Dine (Verfechter des Glaubens) und die Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika. Durch ihren Kampf gegen die malische Armee hat sie die Region dermaßen destabilisiert, dass sich Islamisten und Terroristen anschließend ungehindert ausbreiten konnten.

Heute ist das alles Gerede von gestern. „Vive la France“, ruft Taxifahrer Moussa zum Abschied, hält den Daumen hoch und deutet noch einmal auf seine kleine Flagge. Weiße in Bamako hören den Spruch seit Beginn der Militärintervention am 11. Januar oft – ganz egal ob sie tatsächlich aus Frankreich kommen oder nicht. Auch Deutschland soll hochleben. „Ihr seid doch jetzt auch dabei und habt uns die beiden Flugzeuge geschickt“, erklärt Moussa.

Florence Delon muss angesichts dieser Begeisterung lächeln. „Die Menschen winken. Ab und zu klopfen sie auch ans Auto“, sagt sie. Allerdings sei es eine Minderheit, die so deutlich ihre Zustimmung zeigt. Florence sitzt in einem kleinen Hotel im Stadtteil Badalabougou.

Abends fallen die Temperaturen auf unter 20 Grad. Im Vergleich zu der trockenen Hitze, die während des Tages in Bamako hängt, ist es kalt. Florence trägt eine Fleecejacke und fröstelt trotzdem etwas. Vor sieben Jahren kam sie zum ersten Mal nach Mali. Über das Land, aber auch über Afrika wusste sie wenig, gibt sie zu.

Natürlich, dass Mali eine ehemalige französische Kolonie war. Damit geht sie gelassen um. Es sei schließlich eine Tatsache, die sich nicht ändern ließe. Stolz darauf ist sie selbstverständlich nicht, in Grund und Boden schämt sie sich aber deshalb auch nicht. Sie will nicht über die Vergangenheit nachdenken, sondern die Zukunft Malis mitgestalten, das sei viel wichtiger.

„Ich hoffe, dass ich noch lange hier leben kann“, sagt sie. Sie ist nicht ausgereist wie viele andere Europäer seit Beginn der Militärintervention. Und sie plant es auch nicht. Einen großen Kompromiss musste sie allerdings Mitte Dezember machen: Sie ist nach Bamako gegangen und zumindest vorübergehend in das kleine Hotel gezogen. „Die Lage war ungewiss. Es gab viele Polizeikontrollen und Einschränkungen. Außerdem wollte ich nicht, dass meine Leute vielleicht wegen mir in Gefahr geraten.“

Verzerrtes Bild

Über Afrikaner, die bei Entführungen von Weißen ebenfalls ums Leben kommen, weil sie als Touristenführer gearbeitet haben oder einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren, wird selten gesprochen. Aber auch das passiert.

Zu Hause fühlt sich Florence in der Hauptstadt aber nicht. Am liebsten möchte sie zurück in ihr Dorf, das kurz vor Sévaré und – wie sie sagt – mitten im Busch liegt. Dort hat sie während der vergangenen Jahre Projekte gegen die Ausbreitung von HIV/Aids und Genitalverstümmelung aufgebaut und mit den Menschen gelebt.

„Es schafft viel Akzeptanz, wenn die Menschen sehen, dass ich wie sie lebe, Wasser aus dem Brunnen hole, keinen Strom zu Hause habe.“ In Bamako wird sie vor allem als Europäerin wahrgenommen, viel häufiger um Geld gebeten und von jungen Menschen angesprochen, die unbedingt in Frankreich studieren und arbeiten wollen.

Florence schlägt nach ein paar Moskitos, die um ihre Füße summen. „Das Bild von Frankreich ist gerade hier in der Stadt oft ein verzerrtes. Bei uns gibt es zum Beispiel auch Menschen, die zu wenig Geld für eine Wohnung haben“, sagt sie.

Seit zwei Wochen hat Frankreich nun jedoch das Image der „Grande Nation“, die Mali retten soll. Für Alou N’diaye ist es zumindest so. Er steht in der Nähe eines riesigen Klotzes, dem Hotel l’Amitié. In seinem Arm hält er große und kleine Flaggen. Die meisten sind grün-gelb-rot – Mali. Der Junge grinst: „Das kommt davon, weil sich die französischen so gut verkaufen lassen.“ 20 bis 30 wird allein er jeden Tag los.

Flaggen als Ladenhüter

Bei seinem Freund, der mit einem wartenden Autofahrer verhandelt, sei das ganz ähnlich. „Frankreich läuft einfach gut.“ Den kleinen Geschäftsmann freut es. Wer die Tricolore in klein will, muss 600 CFA (90 Cent) zahlen. Für die malische Flagge kann er nur 500 CFA verlangen. Sie sind Ladenhüter und das, obwohl gerade Afrikameisterschaft im Fußball ist und Mali sogar sein Auftaktspiel gegen Nachbarland Niger gewonnen hat.

Aber wer will schon eine kleine Flagge? Alou N’diaye empfiehlt die große. Er faltet sie auseinander und hält sie mit beiden Händen hoch. „2.000 CFA kostet sie. Damit kann man Frankreich viel besser unterstützen.“

Schulleiter Modibo Dicko hat sich keine solche Tricolore gekauft. Das findet er übertrieben. Er muss nicht jede Mode mitmachen. Außerdem kämpfe die malische Armee doch auch. „Die Begeisterung wird sich wieder legen“, schätzt der 70-Jährige. Eins hofft er aber doch, bevor er die Glocke zur Pause läuten will: „Vielleicht schaffen wir so eine Beziehung, die mehr auf Partnerschaft basiert als auf dem alten Gerüst von Kolonie und Kolonialmacht.“

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8 Kommentare

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  • DP
    Daniel Preissler

    @Ulli Müller

    "Aber warum lese ich nichts von den Goldminen in Mali"

     

    Auch weil es nur eine sekundäre Rolle spielt. Man sollte den Maliern (Malinesen sagte man früher mal, Jochen) schon ihre Souveränität und eigene Interessen zugestehen und sie nicht immer noch in der Rolle der Kolonisierten sehen (auch wenn es sich um eine ungleiche Partnerschaft handelt).

    Zu dieser Eigenständigkeit gehört auch, entscheiden zu können, wann man einer Situation nicht mehr alleine gewachsen ist. Die Westafrikaner (deren Eingreifen geplant und weltweit erwünscht war), haben sich nicht schnell genug organisieren können. Daher erging in der sich verschärfenden Situation die Bitte um Hilfe an Frankreich.

     

    Über die ökonomischen Interessen von Franzosen und Briten bei der Kriegserklärung an Deutschland nach dem Angriff auf Polen liest man auch selten. Die gab es sicherlich auch, konnten aber keine entscheidende Rolle gespielt haben, da beide Staaten zu der Zeit alles andere als kriegsbereit waren und Aufwand (Kriegswirtschaft, Todesopfer etc.) und möglicher Ertrag (Beschränkung der wirtschaftlichen und militärischen Vormachtstellung Deutschlands in Europa) in keinem günstigen Verhältnis zueinander standen. Entscheidend war der Beistand für das verbündete Polen und die "Ehre" der beiden Staaten.

     

    Hollande konnte sich sicher sein, dass es für ihn ein politisches Risiko ist bei mehr als zweifelhaftem "Gewinn". Entscheidend war die Einstellung der Malier und im Besonderen der Interimsregierung.

     

    Freundliche Grüße,

    DP

  • J
    Jochen

    Ach die Malinesen freuen sich, daß die Franzosen da sind? Da muß doch was faul sein, das kann doch nicht stimmen, da muß doch der Westen schuld sein an dem ganzen Schlamassel, bitte nochmal genau recherchieren, Sie finden bestimmt etwas.

  • M
    Marco

    Ich wage zu bezweifeln, das die Freude anhält sollten die Franzosen länger im Land bleiben.

     

    Da wird aus Helfern/Befreiern schnell mal der Besatzer (in der öffentlichen Wahrnehmung)

  • K
    Kommentator

    Wow! Wie wohltuend, endlich mal ne positive Nachricht von diesem Ausmaß hier lesen zu dürfen.

     

    Jetzt muss den scheiß Islamisten nur noch die Basis entzogen werden: durch das Ende der Waffen- und Drogenprohibition, durch viel Freiheit und breit gestreuten Wohlstand.

  • J
    Jochen

    Da bin ich ja mal gespannt. War da nicht doch Frankreich oder "der Westen" an allem schuld?

  • DP
    Daniel Preissler

    Anmerkung zur "Freude von 1960":

    Diese war fast gar nicht gegen Frankreich gerichtet (mich hätte auch der französische Wortlaut der Aussage des Maliers interessiert, das ist natürlich für einen Artikel viel zu viel).

     

    Die Sudanesen hatten erst 2 Jahre zuvor dem Referendum de Gaulles zugestimmt: "The new constitution would see the country become part of the new French Community if accepted, or result in independence if rejected. It was approved by 97.54% of voters." (wikipedia, french sudan constitutional referendum)

     

    Vor allem kann die Freude über Modibo Keita nicht mit der Freude "gegen Frankreich" verwechselt werden, da dieser erst Präsident werden konnte, als die Senegalesen die Malier abgesägt hatten - das war 3 Monate nach der Unabhängigkeit. Hauptstadt von "Mali" wäre andernfalls Dakar geworden und Präsident sicher Senghor.

     

    Die Autorin erkennt glücklicherweise die Freude der Malier über den französischen Einsatz an, überstrapaziert jedoch immer noch den Gegensatz Kolonialmacht-Kolonie. Keita gegen de Gaulle oder die Rep. Mali gegen die Communauté Francaise zu stellen, ähnelt der Annahme Lenin hätte den Zaren gestürzt.

     

    Ist mir klar, dass man das nicht alles in einem (bereits sehr langen und informativen) Artikel erwähnen kann oder sollte. Aber die reduzierte Darstellung sollte der Geschichte auch nicht widersprechen. Daher diese Ergänzung.

     

    Freundliche Grüße,

    Daniel Preissler

  • UM
    Ulli Müller

    Toll, Franz-Fähnchen in Mali!

    Aber warum lese ich nichts von den Goldminen in Mali,

    davon, das der französiche Atomkonzern an den Uranvorkommen (Kupfer- und Bauxitvorkommen)interessiert ist und auch daran, dass man da billig drankommt!

    Kolonie bleibt eben doch Kolonie!

    Liebe TAZler, das ist Yellow-Press-Journalismus,

    mir reicht es solche unreflektierten (ausgewählte) Nachrichten in anderen Medien, einschließlich Staatsfernsehen zu hören/lesen.

  • WO
    wird ohnehin nicht veröffentlicht

    Mali ist unfähig und Frankreich hilft, die Bewohner sind begeistert.

     

    Mal sehen, wann taz & Konsorten die ersten Anzeichen von "Rassismus" erkennen und den Abzug der Franzosen fordern.

     

    Mein Tipp: April 2013