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Pestizidwirkung bei GärtnerInnenDie Fortpflanzung ist beeinträchtigt

Hormonell wirksame Pestizide können laut einer Überblicksstudie die Fruchtbarkeit schädigen. Vor allem GärtnerInnen sind betroffen.

In der PAN-Studie sind über 60 derzeit zugelassene hormonell wirksame Pestizide aufgeführt. Bild: dpa

BERLIN taz | Gärtner und Gärtnerinnen leiden häufiger unter Fruchtbarkeitsstörungen und fehlerhaft entwickelte Geschlechtsorgane als der Bevölkerungsdurchschnitt. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) am Mittwoch veröffentlichte Überblicksstudie. Auslöser sind nach Meinung von PAN Pestzidwirkstoffe, die auch das menschliche Hormonsystem beeinflussen. Hormonell wirkende Pestizide sollten daher „nicht zugelassen werden“, fordert Carina Weber, PAN-Geschaftsführerin.

Dass Pestizide auch eine ähnliche Wirkung haben können wie Hormone, ist bereits bekannt. So entdeckte man in älteren Studien, dass das inszwischen bei uns verbotene Insektizid DDT den Menstruationszyklus stört, indem es den Eisprung verhindert. Bei anderen – inzwischen ebenfalls weitgehend verbannten – Wirkstoffen gab es klare Hinweise, dass sie die Pubertät von Mädchen hinauszögerten – bis zu anderthalb Jahren.

Befragungen von Gärtnerinnen in zwei dänischen Regionen mit der landesweit höchsten Dichte von Gewächshäusern ergab, dass der Eintritt einer erwünschten Schwangerschaft länger dauerte als bei Kontrollgruppen. Dabei wirkte es sich positiv aus, wenn Gärtnerinnen Handschuhe bei der Arbeit trugen. Auch trat „ein Unterschied zwischen Frauen, die Pestizide selbst versprühten, und solchen, die nur mit Pflanzen hantierten“, auf. Ähnliche Ergebnisse zeigten italienische und finnische Studien mit Gewächshausarbeitern.

Betroffen sind aber nicht nur die Menschen, die selbst mit den Pestiziden in Kontakt gekommen sind. Auch bei ihrem Nachwuchs gibt es klare Hinweise auf die Wirkungen der Giftstoffe. Die Auswertung von dänischen Bevölkerungsregistern im Zusammenhang mit Befragungen von Betroffenen habe laut PAN-Studie ergeben, dass Gärtnerinnen ein bis zu dreifach erhöhtes Risiko haben, einen Jungen mit sogenanntem Hodenhochstand zu gebären. Bei dieser Fehlbildung verbleiben die Hoden in der Bauhöhle, sie wandern nicht in den Hodensack. Unfruchtbarkeit oder Hodenkrebs können die Folgen sein.

Ob in all diesen Fällen tatsächlich Pestizide verantwortlich sind, darüber wird gestritten. Dazu kommt, dass es auch Studien gibt, die keine Nebenwirkungen der Pestizide feststellen können. In der PAN-Studie sind über 60 derzeit zugelassene hormonell wirksame Pestizide aufgeführt. Für Carina Weber erfordert das „Vorsorgeprinzip“, dass der Schutz vor diesen Substanzen verbessert und ins neue L:2009:309:0071:0086:de:PDF:EU-Pestizidgesetz mitaufgenommen wird.

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3 Kommentare

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  • C
    Christian

    Gustav, lass doch mal diese Grabenkämpfe. Den prinzipiellen Unterschied zwischen systematischem Experimentieren und Wissenschaft musst du mir erst noch erklären. Es steckt sicher viel Wahres in dem, was du sagst, aber anzudeuten, die grüne Revolution hätte die Produktivität der Landwirtschaft nicht enorm gesteigert und wir könnten einfach mal Opa fragen, wie früher denn Landwirtschaft betrieben wurde und alles wird gut ... dieser Mythos hilft doch nicht einen Menschen mehr zu ernähren.

  • G
    gustav

    Wenn die Leute nicht immer auf ihren

    Chemiefirlefanz setzen würden, sondern

    in angemessener Anzahl die natürlich und

    spezialisiertesten Fressfeinde

    vermehren würden und Multikulturen

    statt Monokulturen anpflanzen hätten wir

    all diese leidigen Probleme nicht,

    aber a) es muss besonders wissenschaftlich

    b) teuer

    c) gefährlich

    d) umständlich

    e) viel Expertise voraussetzend

     

    sein. Weniger Wissenschaftsfetisch

    und mehr Experimentierwille wären hilfreich.

    Es gibt so zahlreiche Pilzsorten, Käfer-,

    Wespen- und Vogelarten das sich für jeden

    Schädling ein passender Gegenspieler finden ließe.

    Nur die natürlichen Freßfeinde haben über hunderttausende bzw. millionen Jahre sich bewährt.

    Gängige Unkrautvernichtungsmittel versagen

    schon nach wenigen Dekaden oder sind

    Massenvernichtungswaffen in abgereicherter Form.

    Da sollte es doch klar sein, welche preisgünstige

    Alternative man vorzieht.

    Heutige Biologen sollten mehr die adäquaten

    Fressfeindarten für Schädlinge identifzieren, vermehren und ökologische Folgeneinschätzung

    betreiben, anstatt immer neue Gifte

    in die Nahrungsmittelkette einzuspeisen.

    Ja das ist billig, die Gewinnmargen sind mickrig

    und Nobelpreise und Forschungsstipendien

    gibt es für derart triviale Ansätze auch kaum, aber

    es ist vernünftig!

    Wenn aber die Artenvielfalt dramatisch minimiert ist und man für kleine Bienen- und Marienkäferkolonien tausende Euro verlangen darf,

    dann ja dann gibt es dafür einen Nobelpreis.

  • MG
    Manfred Gerber

    Pestizide lassen sich gut durch einen desinfizierend wirkenden essentiellen Dünger ersetzen.

    Anstatt den Boden damit zu düngen wird dieser als Blattdünger appliziert.

    Durch Löschkalk werden Pilze, Bakterien und Schadinsektengelege auf den Kulturpflanzen völlig giftfrei abgetötet.

    Als Gärtner hatte ich schon immer eine großen Respekt vor Pestiziden, da ich die Wirkung der Gifte auf Bienen allzu gut kannte.

    Glücklicher Weise geht das auch alles giftfrei und ohne Ertragsverluste.

    Viele der Kollegen haben nicht nur Probleme mit hormonwirksamen Substanzen.

    Sie leiden an Demenzsymptomen und Parkinson. Kürzlich wurde diese Erkrankung als Folge einer subletalen Ratenonvergiftung (Bio-Insektizid) beschrieben.

    Besonders gefährlich ist das Arbeiten in gespritzten Gewächshäusern. Der "Pflanzenschützer" arbeitet im Vollschutz, Stunden danach gehen die Arbeiter ohne Anzug und Schutzmaske drin arbeiten. 100 mal erlebt.