Der NSA-Skandal und die Folgen: Aufreger Wirtschaftsspionage
Der Verfassungsschutz warnt schon lange, dass sich Firmen zu wenig vor Industriespionage schützen. Die USA hatte man dabei bisher nicht im Blick.
BERLIN taz | Aus einem globalen Überwachungsskandal wurde binnen weniger Tage ein globaler Spionageskandal. Erst dadurch wurden Edward Snowdens Enthüllungen für die Bundesregierung wirklich gefährlich.
Am Anfang stand ein Überwachungsskandal: Der US-Datengeheimdienst NSA sollte mit seinem Prism-Programm Zugriff auf die Datenspeicher von US-Firmen wie Google, Amazon und Facebook haben oder zumindest unproblematisch Daten abzweigen können. Anlasslos und ohne Verdacht war plötzlich jeder, auch in Deutschland, im Fokus eines mächtigen US-Geheimdienstes. Niemand wusste genau, was die NSA-Leute mit den Daten machen. Datenschützer hat das empört, die deutschen Bürger beunruhigt, doch die Bundesregierung blieb relativ zurückhaltend.
Solange US-Geheimdienste gegen Terroristen, Drogenhändler und Atomschmuggler vorgehen, agieren sie doch gegen einen gemeinsamen Feind. Sie mögen zwar mit ihren Methoden etwas zu weit gehen, letztlich dürften aber auch deutsche Sicherheitsbehörden von den Erkenntnissen profitieren, hoffte man wohl in deutschen Regierungskreisen.
Ökonomische Konkurrenz?
Dass die USA die internationale Kommunikation von und nach Deutschland überwachen, wurde nicht als Kampfansage gesehen, sondern eher als Unterstützung. Schließlich gibt es auch in Deutschland islamistische Terroristen.
Die Wende der Debatte brachte am Wochenende daher nicht die Spiegel-Meldung, dass die NSA täglich 20 Millionen deutsche Telefongespräche registriert, sondern dass die NSA die EU-Vertretungen in Washington und New York verwanzt hat. Hier ging es eindeutig nicht mehr gegen Terroristen, Drogenhändler und Atomschmuggler, sondern gegen Verbündete – die aber von den USA offensichtlich als unzuverlässige Partner oder sogar als ökonomische Konkurrenz eingestuft werden. Erst jetzt fiel das deutliche Regierungswort: „Abhören von Freunden, das geht gar nicht.“
Wanzen in Botschaften, das ist Spionage alter Schule, gegen Politiker und EU-Beamte, einigermaßen zielgenau. Das Zeug zum Wahlkampfaufreger hat das aber noch nicht, schließlich ist hier die große Masse der Bevölkerung nicht betroffen. Die Opposition versucht deshalb, den Überwachungsdiskurs mit dem Spionagediskurs zu verbinden.
Das Mittel dazu ist das Thema Wirtschaftsspionage. Wenn die Amerikaner schon flächendeckend Kommunikationsdaten in Europa absaugen, dann sind hier auch heikle Informationen deutscher Unternehmen erfasst: Baupläne, Kalkulationen, Marktanalysen. Der Verfassungsschutz warnt schon lange, dass sich mittelständische Firmen zu wenig vor Industriespionage schützen. Bisher dachte man vor allem an China und Russland, jetzt wird die USA als noch gefährlicherer Wirtschaftsschnüffler ins Spiel gebracht.
Ökonomische Chancen stehen auf dem Spiel
Die ökonomischen Chancen der Wissensgesellschaft stehen auf dem Spiel, „wenn die Integrität der Datennutzung nicht gesichert ist“, warnte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Dienstag im FAZ-Feuilleton. Dass die Opposition hier die richtigen Sensoren anspricht, zeigt die Resonanz im Regierungslager.
Auch Unions-Abgeordnete wie Hans Michelbach von der CSU-Mittelstands-Union befürchten, dass deutsche Unternehmen gezielt ausspioniert würden, um den USA „unlautere Vorteile“ zu verschaffen. Das klingt nun wirklich gefährlich. Wenn die deutsche Exportwirtschaft ihren Vorsprung verliert, das wissen alle, dann ist große Krise.
Die Warnung vor US-Industriespionage ist nicht unplausibel. Im Jahr 2000 wurde zum Beispiel das Abhörsystem Echelon bekannt, mit dem die USA und einige Partner die satellitengestützte Kommunikation in großem Maßstab abhörten. Wie das EU-Parlament 2001 in einem Bericht festhielt, wurde Echelon auch „zum Sammeln von Wirtschaftsdaten verwendet“.
Schützt die Regierung Deutschland nicht genug vor Wirtschaftsspionage, wie die Opposition nun behauptet? Das könnte als Wahlkampfthema taugen. Snowden müsste dafür aus seinem Dokumentenfundus noch entsprechende Belege zur Verfügung stellen. Die fehlen bisher.
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