Kommentar Proteste in Bulgarien: Total korruptes Establishment
Gegen Bulgariens amtierende Regierung wird nicht ohne Grund täglich protestiert. Doch auch Neuwahlen würden an der Lage kaum etwas ändern.
D as war’s wohl mit der sozialistisch dominierten Regierung. Gerade einmal seit zehn Wochen ist sie im Amt, und täglich gehen die Menschen auf die Straße. Noch weigert sie sich zurückzutreten und hofft, die Krise aussitzen zu können, aber dafür spricht nicht mehr viel.
Es ist nicht das erste Mal, dass wütende Demonstranten das Parlament belagern. Bereits im Februar 1997 hatten Demonstranten nach wochenlangen Massenkundgebungen die Volksversammlung gestürmt, angezündet und dadurch das damalige Kabinett unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten Schan Widenow zum Rücktritt gezwungen. Auch jetzt ist die Geduld der Bulgaren, wieder einmal, am Ende.
Aus gutem Grund: Der so sehnlich erwartete Beitritt zur Europäischen Union 2007 ist für viele gleichbedeutend mit einem totalen sozialen Absturz. Bei Durchschnittsgehältern von umgerechnet 200 Euro und steigender Arbeitslosigkeit ist mittlerweile die Mehrheit der Bevölkerung in die Armut abgerutscht. Junge Leute kehren ihrem Land in Scharen den Rücken. Und eine grassierende Korruption in staatlichen Institutionen und vielen Bereichen der Wirtschaft ist so allgegenwärtig wie eh und je.
Doch anstatt sich dieser drängenden Probleme anzunehmen, präsentiert sich den Bulgaren ein politisches Establishment, das ziel- und planlos herumeiert. Und sich die Zeit vor allem damit vertreibt, alte Seilschaften zu pflegen und mit den notwendigen Mitteln auszustatten.
Zugegeben: Angesichts dieser verfahrenen Situation ist zweifelhaft, ob ein Rücktritt der Regierung und vorgezogene Neuwahlen ein Ausweg sein könnten. Denn viel spricht dafür, dass die Ergebnisse sich nicht wesentlich von denen im Mai unterscheiden werden. Doch nichts zu tun ist erst recht keine Lösung.
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