piwik no script img

Finanzpolitik in Baden-WürttembergGrün-rotes Bildungssparen

Die Regierungskoalition streitet um ambitionierte Reformvorhaben. Die Haushaltsdisziplin lässt nur wenig Spielraum für Veränderungen.

Kultusminister Andreas Stoch beim Besuch einer Schule in Nürtingen. Bild: dpa

STUTTGART taz | Kaum hat das neue Schuljahr begonnen, steht der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg wieder Ärger ins Haus. Nachdem Kultusminister Andreas Stoch (SPD) erstmals mit 1.000 Lehrerstellen weniger auskommen musste, hat er nun weitere Einsparungen öffentlich abgelehnt. Bildungsreformen seien mit weniger Geld nicht umsetzbar. „Wir stehen deshalb vor einer Entweder-oder-Frage“, sagte der SPD-Minister in einem Zeitungsinterview.

Bis zum Ende des Jahrzehnts sollen 11.600 Stellen weniger stehen. So lautet der Plan der grün-roten Regierung. Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Muhterem Aras, verteidigte den Sparkurs. „Wenn es bei der derzeitigen Prognose der rückläufigen Schülerzahlen bleibt, sehe ich keinen Grund, warum wir von der Zahl 11.600 runtersollten.“

Doch Stoch hält mit den ambitionierten Reformvorhaben dagegen, etwa dem Ausbau der Ganztagsschulen oder der Umsetzung der Inklusion. „Ich habe durch die sinkenden Schülerzahlen zwar theoretisch frei werdende Stellen. Diese Mittel muss ich aber nutzen können“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. „Ich sehe keinen Königsweg, wie sich die geplanten Kürzungen vornehmen lassen. Und das werde ich dem Finanzminister und dem Ministerpräsidenten darlegen.“

Seit Stoch das Amt Anfang des Jahres von seiner Vorgängerin Gabriele Warminski-Leitheußer übernommen hat, konnte er sich einen guten Ruf als pragmatischer und besonnener Minister erarbeiten. Dennoch steht er mächtig unter Druck. Um weitere Gelder einzusparen, hatte er etwa in Erwägung gezogen, dass ältere Lehrer ab 2014 mehr unterrichten sollen. Prompt protestierte die Lehrergewerkschaft.

Streit ums G9-Abitur

Bislang unterrichten Baden-Württembergs Lehrer ab dem 58. Lebensjahr eine, ab dem 60. zwei Wochenstunden weniger. „Wenn die Landesregierung es wagen sollte, die Altersermäßigung zu streichen, ist der Ofen aus“, warnte die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz. Ohnehin würden Schüler, Eltern und Lehrer erwarten, „dass Bildung wieder mehr wert ist“.

Beim grün-roten Streit um die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium (G9) hingegen hatte es Stoch geschafft, dass seine SPD-Fraktion einen Rückzieher macht. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel, bislang der lautstärkste Befürworter von mehr G9-Gymnasien, erklärte kürzlich das Thema für diese Legislaturperiode für erledigt.

Nun aber machen Eltern aus Pforzheim für einen G9-Ausbau mobil. Mit einer Unterschriftenaktion wollen sie erreichen, dass im Schuljahr 2014/15 alle Fünftklässler, die wollen, ihr Abitur nach neun Jahren machen können.

Unterdessen hat auch Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) weiter mit Sparplänen im Bildungsbereich zu kämpfen. Vor der Sommerpause hatte sie ein Konzept zur Streichung von Studienplätzen an den Musikhochschulen vorgelegt und damit nicht nur die betroffenen Standorte gegen sich aufgebracht, sondern auch die SPD, mit der die Pläne nicht abgestimmt waren.

Nun will sie sich Anfang Oktober mit den Rektoren der fünf Musikhochschulen treffen. Es bleibe aber bei der grundsätzlichen Zielvorgabe, 500 Studienplätze und 50 Professuren zu streichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Die Eltern merken, dass G8 nur eine Sparmaßnahme ist... aber deshalb gibt es kein Zurück - sonst müßten wieder mehr teure Gymnasialstellen geschaffen werden. Kopfloses Hin- und Her. Wenn man die Motivation der BaWü-Lehrkräfte ganz vernichten will, ist die Abschaffung der Altersermäßigungen zu empfehlen... das gibt dann gesparte Stellen, aber höhere Ausfälle durch Verschleiss und Krankheit. Aber der geht ja auf den "Rücken" der Schüler/innen und Eltern. Man könnte, wie NRW, noch die Beamt/innen von den Gehaltserhöhungen abkoppeln...

    Welch ein dummer Zynismus dominiert die Bildungsdebatte! Die Steuern müssen rauf für die Zahlungskräftigen. Sonst geht vieles einfach kaputt. Auch die Hochschulen werden rasiert - wo bleibt die "Kulturnation"?

  • D
    D.J.

    Seltsam. Derzeit eine grünenkritische Schlagzeile nach der anderen in der taz. Versuch einer Abnabelung kurz vor der Bundestagswahl? Hintergründe wären interessant. Kommt noch so weit, dass ich aus Mitleid Grün wählen muss. Spaß beiseite, Auseinandersetzung mit aktueller grüner bzw. grün mitverantworteter Politik (im Guten wie Üblen) ist trotz aller notwendiger Beleuchtung der Vergangenheit sicher längerfristig ergiebiger als diese.

  • U
    Unvernunft

    Unter der CDU sollten ursprünglich wesentlich mehr Stellen wegfallen - wozu auch so viele Stellen, wenn es immer weniger Kinder gibt - hier von "Bildungssparen" zu reden, grenzt ja schon fast an Demagogie. Und wenn im Land BW gespart werden muss, dann doch auf Grund der jahrzehntelangen Ausbeutung des Landes durch die Schulden-CDU-Regierungszeit obwohl ja BW eines der wirtschaftsstärksten Bundesländer ist. Wie wäre es mit folgender Rechnung: CDU wollte vielleicht ca. 2-3.000 Stellen streichen, Grüne-SPD streichen nur 1.000, also sind 1.000 bis 2.000 zusätzliche Stellen vorhanden - wo wird da bildungsgespart?

  • R
    reblek

    "Die Haushaltsdisziplin lässt nur wenig Spielraum für Veränderungen." - Folglich handelt es sich bei Politik um ein Spiel. Wie wäre es mit "Handlungsraum"?