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Unterkunft für FlüchtlingeUmzug in den Container

In der Vahr ziehen Flüchtlinge aus einer Turnhalle in Wohncontainer. Die Anwohner zeigen sich solidarisch, der Flüchtlingsrat kritisiert die Massenunterbringung.

Neue Wohncontainer in der Vahr: Bis zu 60 Flüchtlinge müssen sich hier Zimmer, Küche und Duschen teilen Bild: Nikolai Wolff / Fotoetage

BREMEN taz | In der Vahr ziehen heute die ersten 34 Flüchtlinge in neue Wohncontainer. Zuvor kamen sie übergangsweise in der Turnhalle einer alten Schule in der Bardowickstraße unter. Gleich nebenan enthält der neue, zweistöckige Klotz Wohneinheiten für insgesamt 60 Menschen. Die kleinsten Zweibettzimmer haben 24 Quadratmeter, in den größten Zimmern leben sechsköpfige Familien auf 42 Quadratmetern. An einigen Türen hängen Namensschilder – die zukünftigen Bewohner haben sich schon Zimmer ausgesucht.

Viel ist im Inneren noch nicht zu sehen. Bettgestelle und Kühlschränke sind bereits da, Tische und Stühle kommen noch. Waschräume mit Duschen und eine kleine Küche sollen gemeinschaftlich genutzt werden.

Als Sozialstaatsrat Horst Frehe (Grüne) die Container Mittwoch besichtigt, wird noch an den Stromleitungen gearbeitet. „Das ist jetzt schon ansprechend – außen wie innen“, sagt er.

Auch Ortsamtsleiterin Karin Mathes (Grüne) und Beiratssprecher Bernd Siegel (SPD) sind zufrieden. Dass der Bau hier zustande kam, geht auf einen einstimmigen Beiratsbeschluss zurück. Und das ist in Bremen keine Selbstverständlichkeit: In anderen Stadtteilen wurde gegen die Unterbringung von Flüchtlingen protestiert, in Vegesack waren auf einer öffentlichen Anhörung rassistische Zwischenrufe zu hören.

„Wir sind hier von Anfang an auf die Anwohner zugegangen und haben sie in die Planungen einbezogen“, sagt Mathes. Die Ängste seien im Vorfeld immer größer als die tatsächlichen Probleme. Ein Unterstützungsnetzwerk vom Mütterzentrum bis zur islamischen Föderation habe Hilfe angeboten, Kleidung und Nikolausgeschenke für die Kinder gebracht. Auch Sportvereine planen Angebote für die Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und dem ehemaligen Jugoslawien.

Auch wenn das Projekt in der Vahr gut angelaufen ist, sollen solche Massenunterkünfte nur Notlösungen sein: „Wohncontainer sind nicht das, was wir uns für die Unterbringung von Flüchtlingen wünschen“, sagt Frehe. „Unter den gegebenen Umständen sind sie aber ein vertretbares Angebot.“ Dass die Räumlichkeiten der Schule weiterhin für Gemeinschaftsaktivitäten und Sprachkurse genutzt werden könnten, sei „ein besonderer Vorteil“.

Marc Millies vom Flüchtlingsrat begrüßt die Solidarität der AnwohnerInnen in der Vahr. „Trotzdem ist die Unterbringung in Containern keine menschenwürdige Einrichtung. Das sind Zeichen für verpasste Chancen, tragfähige Strategien im sozialen Wohnungsbau zu entwickeln“, sagt er und verweist auf einen Bericht des Gesundheitsamtes. Darin wurde schon vor Jahren festgestellt, dass die Unterbringung in Massenunterkünften schlecht für die Gesundheit ist. Letztlich sei privater Wohnraum sogar günstiger, so Millies: „Es müssen perspektivische Lösungen gefunden werden, damit wir die gleichen Fragen nicht im nächsten Jahr schon wieder diskutieren.“

Der Bedarf an Unterkünften wird weiter steigen, denn Bremen muss in diesem Jahr etwa 1.000 Flüchtlinge aufnehmen. Das ist knapp ein Prozent derer, die in Deutschland ankommen. Bernd Schneider, Sprecher der Sozialsenatorin, sagt, die Belegung der Zentralen Aufnahmestelle für AsylbewerberInnen sei auf 200 Personen ausgelegt, zwischenzeitlich hätten bis zu 290 Menschen darin gelebt.

Im nächsten Schritt sollen 60 Betten in der Bremer Jugendherberge an der Weser und 70 Plätze im ehemaligen Schwesternwohnheim am Klinikum Ost zur Verfügung gestellt werden – übergangsweise.

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4 Kommentare

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  • „Die kleinsten Zweibettzimmer haben 24 Quadratmeter“ – hallo? Geht’s noch?

    Soll ich jetzt meine Eltern verklagen, weil ich mir mit meinem Bruder ein 10 Quadratmeter – Zimmer und Etagenbett teilen musste? Zum Glück hatten wir fließend kaltes Wasser.

    Ich stimme Sabine, Gast 12.12.2003, 11:32 voll zu:

    „ Der Flüchlingsrat soll aufhören zu meckern. Die Kommunen tun was sie können. Es ist erst einmal wichtig, dass die Flüchtlinge eine warmen Platz zum Leben und zum Schlafen haben. Erst wenn ein Bleiberecht besteht kann man über den Umzug in eine Sozialwohnung nachdenken, alles andere wäre der zweite Schritt vor dem ersten.“

    Da 95% der Flüchtlinge eh wieder abgeschoben werden, sind flexible Container die bessere Lösung.

  • S
    Sabine

    Der Flüchlingsrat soll aufhören zu meckern. Die Kommunen tun was sie können. Es ist erst einmal wichtig, dass die Flüchtlinge eine warmen Platz zum Leben und zum Schlafen haben. Erst wenn ein Bleiberecht besteht kann man über den Umzug in eine Sozialwohnung nachdenken, alles andere wäre der zweite Schritt vor dem ersten.

  • G
    Gast

    Ist zwar nicht optimal aber ein weg in die richtige richtung. Hoffen wir mal das in den nächsten jahren schönere Wohnheime entstehen und die Container keine dauerlösung werden und den Flüchtlingen Sprachkurse und Freizeitaktivitäten angeboten werden, dass sie sich schnell integrieren und sich hier vielleicht auch zuhause fühlen und die unterstüzung der anwohner weiter bestehen bleibt.

  • K
    Kimme

    Sehr schön, endlich mal ein Beispiel wie man es richtig macht. Erst die Anwohner frühzeitig und umfangreich informieren, Ängste und Vorbehalte zerstreuen und sie dann bei der Suche nach der besten Lösung mitnehmen. So kommen dann auch keine Gegenstimmen auf und man erhält statt Protesten Unterstützung von den Bürgern. Danke für dieses Positivbeispiel.