piwik no script img

Protest gegen rechten Ball in WienErfahrene Randalierer

Deutsche Mitglieder des Schwarzen Blocks greifen in den Protest gegen den rechten Ball in der Wiener Hofburg ein. Die FPÖ wettert gegen den „Linksmob“.

Ärger in Wien: Nach den friedlichen Protesten wurde die Polizei von kleineren vermummten Gruppen angegriffen. Bild: dpa

WIEN taz | Zwanzig Verletzte, mindestens elf beschädigte Fahrzeuge und Sachschäden von über einer Million Euro lautet die vorläufige Bilanz von Krawallen und Polizeieinsatz anlässlich einer Demonstration gegen den rechten Akademikerball in Wien. Die vom Netzwerk jetztzeichensetzen.at organisierte Demo richtete sich dagegen, dass der von der Wiener Freiheitlichen Partei (FPÖ) veranstaltete Ball der rechten Studentenverbindungen in den Prunkräumen der Hofburg, also dem feierlichsten Rahmen der Republik, stattfinden darf. Die Gewalt ging von gut organisierten Gruppen des Schwarzen Blocks aus, die teilweise eigens aus Deutschland angereist waren.

Mit einem Overkill an Präventionsmaßnahmen hatte sich die Polizei auf den erwarteten Showdown vorbereitet. Für das Gebiet rund um die Hofburg wurde ein Platzverbot verhängt, im Zentrum und in den Bezirken rund um die Innenstadt galt seit dem frühen Nachmittag ein Vermummungsverbot. 2.000 Polizisten wurden aufgeboten, um etwa halb so viele Ballbesucher abzuschirmen. Vor dem Justizpalast stand ein Wasserwerfer bereit – angesichts der herrschenden Frosttemperaturen eine gefährliche Drohung.

Augenzeugen stimmen überein, dass die friedliche Demonstration mit mindestens 6.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern praktisch vorbei war, als schwarz gekleidete Vermummte auf dem Stephansplatz auftauchten, bengalisches Feuer warfen, die Scheibe eines ORF-Sendewagens zertrümmerten und eine Einheit der Polizei einkesselten. Später schlugen Mitglieder des Schwarzen Blocks noch Schaufensterscheiben ein und versuchten, ein Juweliergeschäft zu plündern. Mülltonnen flogen als Wurfgeschosse auf Polizisten.

Auf soviel gewalttätige Effizienz war die Antiaufruhrpolizei nicht vorbereitet. Sie ging gegen Grüppchen von Demonstranten mit großer Härte vor. Mehrere Personen bekamen Pfefferspray ins Gesicht, mehr als ein Dutzend wurde festgenommen. Über 400 Demonstranten mussten sich ausweisen. Dabei ließen sich die Beamten viel Zeit. Bei klirrender Kälte mussten die Leute zwei Stunden im Polizeikessel warten. Das wurde damit begründet, dass sich gewalttätige Demonstranten unter die friedlichen gemischt hätten.

Rudolf Gelbard, Überlebender des KZ Theresienstadt, der aufgerufen hatte, den Rechten die ehemalige Kaiserresidenz zu verweigern, zog nüchtern Bilanz: „Strache wird jetzt den teuersten Champagner öffnen.“ FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache fand am Samstag mit dem Neujahrstreffen seiner Partei die perfekte Plattform, um „Gewaltexzesse linksfaschistischer Stiefeltruppen“ zu brandmarken. „Die rot-grüne Stadtregierung ist eigentlich rücktrittsreif“, wetterte er. Denn die hätte „dem linksextremen Gewaltmob auch noch politisches Rüstzeug mit auf dem Weg“ gegeben. Die SPÖ hatte den Ball als „Vernetzungstreffen für Rechtsextreme“ bezeichnet.

Nikolaus Kunrath, Sprecher der Plattform //jetztzeichensetzen:jetztzeichensetzen, ist ratlos, wie man in Zukunft vorgehen soll. Dass erfahrene Randalierer aus Deutschland angereist seien, steht für ihn außer Zweifel. Offenbar sind sie mit österreichischen Anarcho-Gruppen vernetzt. „Ich bin viel zu brav. Mit mir reden die gar nicht“, gibt sich der Aktivist machtlos. Der Akademikerball, früher Wiener Korporations-Ball, zog in den vergangenen Jahren auch immer Prominenz aus Europas rechtsextremer Szene an. Letztes Jahr tanzte Marine Le Pen in der Hofburg. Die Geschäftsführung des Kongresszentrums Hofburg zieht sich auf „eine politisch neutrale Position“ zurück, solange „die Veranstaltung nicht gegen das Gesetz verstößt“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • S
    Sowieso

    Es wäre möglich gewesen,die Busse mit dem schwarzen Mob an der Anreise zu hindern. Alles sieht nach einer konzertierten Aktion zwischen Berlin und Wien aus. Wie die NPD so ist auch der schwarze Block an maßgeblichen Stellen von V Leuten des Verfassungschutzes unterwandert, die diesen Pöbelzur Manipulationsmasse machen.

  • Die Fehler wurden schon in der Vergangenheit begangen. Erst wurden sie entnazifiziert,dann holte sie Kreisky in die Regierung,Broda tat alles mögliche um rechtliche Schritte gegen Altnazi zu verhindern. Medial wurde jeder Rülpser belohnt.

    Heute haben wir ein Situation, wo 10000 Antifaschisten schon im Vorfeld als Gewalttäter vorverurteilt wurden, natürlich gehört das zum Szenario und ich behaupte, dass FPÖ nahe Polizeigrössen, schon im Hinblick auf die Arbeiterkammer - und EU Wahlen durch Vermummungsverbot und unverständliche Abgrenzung - grösser als beim Busch Besuch die Eskalierung bewusst wünschten und ausnutzten.

    Das war ein Probegalopp zum Polizeistaat.

    Man beschützt Neonazis, und das sind sie, zwar noch ein bisschen verdeckt und prügelt auf Demonstranten ein.

    Absolut ist Rowdytum und Gewalt von Demonstranten zu verurteilen, das ist es ja eben,ich traue es dem harten Kern der FPÖ zu, dass sie sich unter das gewaltbereite Potential mischen.

    Eigentlich sollte man deren Bälle total ignorieren aber sonst mit allen legalen politischen Mitteln,diese verdammt gefährliche Entwicklung verhindern.

    Eigentlich hätte ich es mit der geistigen Vorstellung,dass Strache am nächsten Morgen total verkatert sein Dusch WC umarmt,hineinwürgt und dabei versehentlich die Analspülung betätigt,abgetan

  • G
    Gast

    Es ist eine Schande, dass seit einigen Jahren in Wien ein Ball (!) zum Ziel von (gewalttätigen) Protesten der linken Szene wird. Dabei machten die Angreifer auch vor Frauen nicht Halt. Wie jede andere Gruppe haben auch Burschenschafter und ihre Gäste aus dem In- und Ausland das Recht, sich zu versammeln. Zu den Vorwürfen, die Burschenschaften würden die demokratische Grundordnung ablehnen, stelle ich als Burschenschafter fest, dass jede (!) Burschenschaft basisdemokratisch organisiert ist. Im deutschen Kulturraum waren die Burschenschaften die Vorreiter der National- und Demokratiebewegung. Sie waren die ersten, die für Demokratie und Bürgerrechte stritten und diesem Erbe fühlen sich die heutigen Burschenschaften verpflichtet. Damit ist die Burschenschaft die älteste Bürgerrechtsbewegung Deutschlands! Nicht umsonst sind die schwarz-rot-goldenen Farben der Burschenschaft heute die Farben der Bundesrepublik und auch im österreichischen Staatswappen enthalten.

    Die Polizei musste in Wien alles tun, um die friedlichen Besucher des Balls zu schützen und die Veranstaltung störungsfrei zu ermöglichen. Alles andere wäre eine Kapitulation des Rechtsstaates vor den linken Chaoten gewesen. Deren Motto ist ja vielsagend. Es lautet: „Unseren Hass den könnt ihr haben“ und was sie damit meinten, das zeigen die Ausschreitungen in der Nacht.

    • A
      Arne
      @Gast:

      Ja, was denn jetzt?

      Die Polizei hat "alles" getan, "um die Veranstaltung störungsfrei zu ermöglichen." Also hat der Rechtsstaat nicht kapituliert, sondern eben die Versammlungsfreiheit gewährleistet.

       

      Ebenso ist es das Grundrecht, seine Meinung frei zu äußern. Und wenn man eben diese Burschenschaften hasst, dann hat man auch das Recht dazu. Ein Grundrecht, von allen lieb gehabt zu werden, gibt es im Rechtsstaat nicht.

  • GA
    Gast aus Wien

    Ich hab mich schon auf den taz-Artikel zu dem Ball gefreut und eine differenzierte Aussensicht zu dem in Österreich mittlerweile komplett zerrissenen Thema erwaret. Wurde aber enttäuscht. Kommt leider nicht an das gewohnte taz-Niveau herran.

     

    1.) Jetzt-Zeichen-Setzen war nicht der Veranstalter. JZS ist eine mehr oder weniger zivilgesellschaftliche Plattform, die normalerweise eine bisher immer friedliche Standkundgebung am Heldenplatz abgehalten hat. Das wurde durch die im Vergleich zum Vorjahr nochmals ausgedehnte Sperrzone unmöglich gemacht (betraf nämlich den gesamten Heldenplatz).

     

    2.) Es gab zwei Demozüge. Einen von gemäßigten Linken (offensivegegenrechts.org) und einen linksradikalen/autonomen (NoWKR-Bündnis. Letztere ist am Endpunkt (Stephansplatz) gekesselt worden, und dabei kam es dann zu einer etwa 5 minutigen Eskalation (ca. 50- 100 BlackBlock vs. Einssatzkräfte). Der Rest der 8.000 Demonstranten fiel durch gewaltfreie und erfolgreiche Blockadeaktionen auf. Tatsächlich schrumpfte die Zahl der Ballbesucher auf 400 (2008 waren es noch 2.500).

     

    3.) In Österreich wird derzeit fast ausschließlich über die 5 min Eskalation gesprochen, wobei wichtigere Punkte wie das rießige Sperrgebiet inkl. ausgesperrten Journalisten (man durfte nur mit Begleitung eines Pressesprechers der Polizei hinein, und auch nur zw 20:15 und 20:45), und ein über die halbe Stadt verhängtes Vermummungsverbot (Mitführen von Schals verboten!) sowie überbordernde Polizeigewalt gegen die friedlichen (nicht die Randalierer aus dem Black Block!) Demonstranten unter den Tisch fallen.

     

    Bitte korregiert oder ergänzt den Artikel, den der entspricht derzeit nicht eurem Standard. Infos und Quellen gibts auf Twitter und Youtube zu Hauf. Lg

  • B
    Blick
  • D
    D.J.

    Es ist natürlich das gute Recht der Leute, friedlich gegen den doch ziemlich rechten Aufmarsch zu demonstrieren. Es würde freilich der Glaubwürdigkeit der Linken dienlich sein, wenn auch nur ein Teil an ähnlichem Engagement stattfände, wenn die faschistischen Grauen Wölfe in einer deutschen oder österreichischen Stadthalle tagen (ja, ich weiß, dass es da auch linke Initiativen gegen gibt, doch ist der Rückhalt da eher gering).

  • AW
    aus wien

    oberflächlich, ungenügen,unkritisch - allein das ss zwei demonstrationen gab ist nicht im artikel enhalten. das es massive polizeigewalt gab ist ebenso nicht erwähnt. ebenfalls wurde z.b. die bildende von der polizei eingekesselt und der dortige rundgang samt gästen festgesetzt. zumindest basic infos wären von der taz zu erwarten, o-töne wurden ja immerhin gesammelt. das deutsche berufsdemonstraten klische wird übrigens seit rund 20jahren immer wieder gewälzt, vorallem von rechten partein und konservativ/rechten medien wie der krone, jetzt auch von der taz reproduziert...