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Mixed Martial Arts in DeutschlandEin Sport kämpft um Anerkennung

Der Kampfsport MMA wurde in Deutschland mit einem Fernsehverbot belegt. Für 2014 hofft die Szene auf einen Aufschwung.

Verknotete Körper: Nepomuk Minarik aus Wuppertal (unten) und Yannick Reyren aus (oben) aus Genf bei einem Kampf in Berlin, 2013. Bild: Promofoto „We Love MMA“

BERLIN taz | So groß hat es noch nie ein deutscher Veranstalter versucht: Wenn am Samstag die aus Berlin stammende Reihe „We Love MMA“ zum ersten Mal in die Arena in Oberhausen einlädt, dann wird das, mit 3.000 angebotenen Zuschauerplätzen, der bislang ambitionierteste deutsche Kampfabend in den „gemischten Kampfkünsten“ sein. Mixed Martial Arts, kurz MMA, führen in Deutschland nach wie vor ein Schattendasein.

Dabei gibt es immer mehr Veranstaltungen, die nur oder zumindest auch MMA-Kämpfe zeigen – und immer mehr Kampfsportschulen, die MMA in ihr Programm aufnehmen. Die Sportler, und zunehmend auch Sportlerinnen, kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten, haben alle Bildungsgrade. Die Komplexität des Sports mit Techniken aus dem Boxen, Kickboxen, Muay Thai, Ringen, Judo und Brazilian Jiu Jitsu reizt immer mehr Menschen.

2009 sah es so aus, als könne die MMA-Szene einen Sprung nach vorn machen: Die Ultimate Fighting Championship (UFC), der weltweit größte MMA-Veranstalter aus den USA, kam nach Köln und zog 11.000 Besucher in die Halle. Der damalige Sportsender DSF übertrug die UFC-Veranstaltungen am späten Samstagabend im Free TV.

Doch dann kam es Schlag auf Schlag: Im März 2010 entschied die Bayerische Landeszentrale für neue Medien, dass das DSF die Programme absetzen muss. „Der Fernsehausschuss hält die genannten Formate durch die Massivität der gezeigten Gewalt für nicht akzeptabel“, hieß es da und weiter: „Die darin stattfindenden Tabubrüche, wie das Einschlagen auf einen am Boden liegenden Gegner, widersprechen dem Leitbild eines öffentlich-rechtlich getragenen Rundfunks.“ Seither ist MMA im deutschen Fernsehen tabu.

Hallenverbot durch den Berliner Senat

In Berlin sorgte der Senat dafür, dass eine Veranstaltung in der Max-Schmeling-Halle nicht stattfinden konnte. Im Mecklenburgischen Landtag wurde ein Antrag von CDU, SPD und FDP verabschiedet, der das generelle Verbot von MMA-Veranstaltungen zum Ziel hatte. Peinlich, dass die Abgeordneten in der Debatte nicht einmal den Namen der Sportart richtig aussprechen konnten. Nur der NPD-Vertreter fabulierte über „Disziplin und Manneszucht“ und stimmte dagegen - was dem Sport auch nicht gerade half.. Die Szene zog den Kopf ein. Zwar wurden weiterhin überall in Deutschland Kampfabende durchgeführt, doch nach einer Flut negativer Medienberichte über die „Blutboxer“, die sich vor johlendem gewaltdurstigen Publikum die Köpfe einschlügen, scheute man den Kontakt zur Presse.

Das hat sich inzwischen geändert. Die Veranstalter von „We Love MMA“ rund um den Promoter Marcus Wortmeier und Matchmaker Frank Burczynski, die seit Ende 2010 schon sechsmal die Berliner Universal Hall ausverkauft haben, haben von Anfang an darauf gesetzt, den Sport aus der Schmuddelecke zu holen und aktive Medienarbeit zu betreiben, mit immer größerem Erfolg, zum Beispiel bei RTL und Berliner Zeitung. Andere ziehen mit. Die Szene jubelte, als vor knapp zwei Wochen eine gut recherchierte Dokumentation über drei deutsche MMA-Sportler auf Spiegel-TV erschien.

2014 will nun auch die UFC wiederkommen – so hieß es jedenfalls. Gerade erst hat das Unternehmen das Recht erstritten, gegen das Sendeverbot gerichtlich vorzugehen. „We Love MMA“ zieht im Juni ins Berliner Tempodrom, im September in die O2-World in Hamburg. Mit „Fair FC“ startet im Februar in Herne eine weitere Reihe, deren Veranstalter und Matchmaker Isa Topal schon lange im Geschäft ist.

„Die Weichen für ein erfolgreiches Jahr sind gestellt“, sagt Mark Bergmann, Chefredakteur des Kampfsportmagazins GroundandPound. Dennoch rät er zur Vorsicht: „Anfang 2013 dachten auch alle, jetzt ginge es richtig los.“ Stattdessen kündigte die bis dato größte Eventreihe „Respect FC“ an, sich zu verkleinern, die recht erfolgreiche „Superior FC“-Reihe ging ganz vom Markt. Im November scheiterte der Versuch, eine neue Reihe in Castrop-Rauxel aufzulegen, am Unvermögen der Veranstalter und endete in einem Skandal.

„Es reicht nicht, den Sport zu mögen“, sagt Marcus Wortmeier, „Veranstalter sein, ist heutzutage ein Ausbildungsberuf.“ Nur: Ihn kann jeder machen. Und auch der Versuch, einen einheitlichen Dachverband zu bilden, der sich darum kümmert, ging bislang schief. Derzeit sind gleich zwei Verbände mit diesem Anspruch am Start – ob sich davon auch nur einer durchsetzt, ist unklar. Bis dahin gilt: Einheitliche Regularien, Lizenzen, Kämpferpässe – Fehlanzeige. Der Weg in den Mainstream ist für MMA in Deutschland noch recht weit.

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15 Kommentare

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  • LA
    Law and Order

    Beim MMA sind Schläge und Tritte auf Gegner erlaubt, die am Boden liegen. Dies ist in den meisten anderen Kampfsportarten aus gutem Grund verboten. Wenn Jugendliche aus Problemfamilien ihre MMA Vorbilder bei solchen Verhaltensweisen sehen besteht die Gefahr, dass sie die MMA-Vorgehensweisen bei ihrem Kräftemessen oder bei Überfällen nachspielen. Im echten Leben haben die Menschen aber keine so durchtrainierten Körper wie die MMA-Sportler, daher können Tritte und Schläge auf am Boden liegende Gegner im echten Leben tödlich verlaufen; diese Differenzierung werden aber gerade Jugendliche aus Problemfamilien kaum vornehmen können.

  • DH
    Der Harfenspieler

    " Im November scheiterte der Versuch, eine neue Reihe in Castrop-Rauxel aufzulegen, am Unvermögen der Veranstalter und endete in einem Skandal." Meines Wissens war das Vote MMA und nicht Superior FC. Leider ist aber in der Peripherie nie ein einziger Kämpfer differenziert befragt worden. Ferner finde ich es bedenklich, dass das Regelwerk, welches im groben einheitlich ist, dem Leihen vorgestellt wird. Nur die Defenders FC Serie geht hier auf den Zuschauer und Leihen ein.

  • A
    Aberhallo

    Kleine Spritze mit Oxytocin und diese Kampfhähne fangen an Plätzchen zuz backen.

  • B
    Blechstein

    @know wogrea

    Natürlich war meine Aussage überzeichnet - natürlich ist bei Kampfsportlern genug Hirn und Intelligenz vorhanden, aber wofür nutzt man sie, um sich gegenseitig die Fresse zu bläuen - aus Sportsgeist, Ehrgeiz, Leistungsorientierung,

     

    RED: Kommentar gekürzt

  • W
    Wagner

    Ich bin als Fan natürlich nicht objektiv, kann aber einfach kein Verständnis für Verbote finden.

    Der immer wiederkehrende Vergleich zum scheinbar harmloseren Profiboxen wird spätestens dann absurd, wenn man sich mal medizinische Statistiken zu beidem anschaut.

    Und die Ethik der Regelwerke ist nicht wirklich unterschiedlich zu Lasten des MMA.

    Das ist ein klar reglementierter Sport unter professioneller Aufsicht, keine Alles-geht-Prügelei unter zwielichtigen Gesellen.

     

    Klar muss das nicht jeder mögen oder sinnvoll finden. Man kann ja auch Fußball oder Ballett oder Bowling schwachsinnig finden. Und das ist gut so. Aber verbieten? Da seh ich wenig Anlass.

  • A
    Aubacke

    Dachverband ist zutreffend, wenn man sich zwei Verbände um den lädierten Kopf wickelt.

    "Es reicht nicht, den Sport zu mögen," sagt der Veranstalter - man muß auch dran verdienen können.

  • MB
    Molocko Blechstein

    Einen Sieger gibt es vorab immer - das ist der Veranstalter.

  • S
    Sebastian

    Also meines Erachtens steht der klassische Boxsport, vor allem aber Gewaltdarstellung in Filmen welche auch im Fernsehen übertragen werden, dem Brutalitätsgrad von MMA in nichts nach. Kampfsport ist brutal, das liegt in der Natur der Sache. Trotzdem gibt es auch im MMA Regeln und - wie in jedem Sport - Leute die sich nicht an die Regeln halten.

    Viele Politiker scheinen ein großes Talent darin zu haben über Dinge zu urteilen ohne etwas davon zu verstehen (siehe auch Hanfverbot). Ich finde sowohl MMA als auch Cannabis interessant, das eine weil es eine sehr natürliche Form des Kampfsports darstellt und das andere weil es eine gute Alternative zum Alkohol ist. Beide Dinge haben ihre Licht- und ihre Schattenseiten, aber immer nur alles schwarz/weiß zu malen wird der Sache nicht gerecht.

     

    Sebastian

  • C
    Casi72

    Schöner, objektiver Artikel. Weiter so.

  • X1
    xerxis 1306

    Das ist ein Witz den sport zu verbieten! Bzw. Klein zu halten. In den 20 uhr Nachrichten werden oft genug schlimmere bilder oder Berichte gezeigt . Wo blut fließt oder filme am nachmittag laufen wo man sich nur an den kopf fassen kann . Beim boxen fließt auch genug blut und wenn es zu einer passenden Uhrzeit gesendet wird dann ist da nichts gegen einzuwenden

    • D
      Donut
      @xerxis 1306:

      Bei Boxen darf nicht weiter geschlagen werden, wenn der Gegner am Boden liegt. Das ist hier der wesentliche Kritikpunkt. Ob das beim MMA nun zulässig ist oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis. Wenn ja, kann ich die Argumentation nachvollziehen, stimme dem Sendeverbot trotzdem nicht voll zu.

  • B
    Blechstein

    Vielleicht sollte man den Jungs vor dem Kampf lustige Mützen aufsetzen, um den Unterhaltungscharakter zu betonen.

  • B
    Blechstein

    Anerkennung dafür, dass sich Menschen, die von Natur aus wenig Gehirn mitbekommen haben, sich den Rest auch noch gegenseitig rausprügeln?

    • KW
      know woGrea
      @Blechstein:

      Dein Antwort zeigt selbst weniger Hirn, als du den Martial Arts zutraust. Selbst im Artikel wird auf die breite Bevölkerungsschicht hingewiesen die diesen Sportarten nachgeht.

      ALLE MA sind Ableger von Kung-Fu, Karate, Jui-Jutsu und anderen Sportarten. Erfunden haben diese zumeist buddistische Mönche zur Verteidigung ihrer Klöster, weil sie keine Waffen tragen durften.

      WEr über die Hirne anderer spekuliert sollte wenigstens rudimentär ein eigenes zur Diskussion mitbringen.

      Und: plonk.

      • W
        Wagner
        @know woGrea:

        (Auch wenn du mit der Intention deiner Aussage an sich Recht hast und 'Kämpfen' eben keine stumpf-primitive Sache ist, sind natürlich Martial Arts wie Europäisches Boxen oder griechisch-römisches Ringen keineswegs von selbstverteidigungsaffinen Mönchen erfunden worden. Und auch die asiatischen Kampfkünste haben oft militärische Hintergründe und haben nicht alle mit freundlichen Mönchen zu tun. Nichtsdestotrotz bleibt es natürlich Unfug zu behaupten, (professioneller) Kampfsport wäre etwas für Menschen mit wenig Hirn.)