Mixed Martial Arts: „Ich fiebere immer mit“
Ende Mai kommt die Ultimate Fighting Championship (UFC) nach Berlin. Garry Cook, Europachef der UFC, über die Philosophie der Organisation und die Pläne in Europa.
taz: Herr Cook, haben Sie sich eigentlich schon für Kampfsport interessiert, bevor Sie für die UFC gearbeitet haben?
Garry Cook: Ich war Boxfan. Mein Vater hatte mich zum Boxen gebracht, wir haben die ganzen Kämpfe von Muhammed Ali gesehen. Wie alle in meinem Alter bin ich für den Thrilla in Manila mitten in der Nacht aufgestanden. Wenn es lokale Veranstaltungen gab, bin ich auch mal hingegangen. Aber klar: Ich komme eigentlich aus den traditionellen Sportarten, vor allem Fußball.
Wie kam dann der Kontakt zum MMA, also zu Mixed Martial Arts?
Das war, als ich Manager von Manchester City war. Wir sind mit der Mannschaft nach Los Angeles gefahren, und die Betreuer suchten nach einem Weg, die Spieler zu unterhalten. Wir konnten sie nicht dazu bringen, irgendwo hinzugehen. Ich hab dann den Besuch in einem UFC-Gym organisiert, und alle sind mitgekommen! Tito Ortiz war da, und einer der Spieler ist tatsächlich ins Oktagon gestiegen und fand sich nach acht Sekunden in einem Würgegriff wieder. Sie konnten es nicht glauben. Was ich da aber gemerkt habe: Jeder in der Mannschaft wusste etwas über die UFC.
Sie auch?
Nach fast vier Jahren Deutschlandabstinenz kehrt die US-amerikanische Organisation Ultimate Fighting Championship (UFC) nach Deutschland zurück. Am 31. Mai wird in der Berliner Mehrzweckhalle am Ostbahnhof das Oktogon aufgestellt. Den Hauptkampf bestreiten die Mittelgewichtler Mark Muñoz und Gegard Mousasi, die Nummer 7 gegen die Nummer 12 der UFC-Rangliste. Bei den insgesamt neun geplanten Kämpfen treten mit Nick Hein und Peter Sobotta auch zwei Deutsche an.
Die UFC hatte 2009 in Köln und 2010 in Oberhausen Veranstaltungen durchgeführt, die zu großem Streit in der deutschen Öffentlichkeit führten. Politiker jeder Couleur forderten damals das Verbot solcher Kämpfe, die sie als zu brutal ansahen. Da es dafür keinerlei Handhabe gab, einigte man sich mit den Veranstaltern, den Zutritt erst ab 18 zu gewähren, eine Einschränkung, die auch für Berlin gelten wird.
2010 untersagte die Bayerische Landesmedienstalt dem damaligen Sportsender DSF die Ausstrahlung der UFC-Programme – seither ist Mixed Martial Arts im deutschen Fernsehen nicht mehr zu sehen. Die UFC bemüht sich derzeit darum, durch Überzeugungsarbeit und auf rechtlichem Wege das Übertragungsverbot aufgehoben zu bekommen. Allerdings: Die UFC geht davon aus, eine große Fanbase in Deutschland zu haben – bei digitalen Zugriffen auf die Programme liege Deutschland stets unter den ersten fünf Ländern, heißt es.
Ich hab dann recherchiert und zu meiner Überraschung festgestellt, dass die arabischen Besitzer des Manchester City Fußballclubs auch Teilhaber der UFC waren. Denn in den Vereinigten Arabischen Emiraten ist Jiu-Jitsu Teil des Sportunterrichts. Ich arbeitete ja für die Königsfamilie von Abu Dhabi, und sie sind alle Fans und trainieren MMA! Ich habe dann begonnen, mir Kämpfe anzusehen. Zuerst fand ich das interessant. Dann fand ich es faszinierend: Gemischte Kampfkünste! Das sieht ziemlich kompliziert aus. Dann hörst du den Kommentatoren zu und verstehst immer mehr. Heute arbeite ich für die UFC, und ich kann die Live-Events kaum erwarten, denn ich fiebere wirklich immmer mit. Bei Live-Sport weiß man nie, was passieren wird. Und es gibt wohl nichts fundamentaleres und ursprünglicheres als zwei Männer oder Frauen, die miteinander kämpfen und du weißt nicht, wie es ausgeht.
Als Sie Manager von Manchester City waren, sind Sie mit dem Ausspruch berühmt geworden, Sie wollten sich nicht an Manchester United orientieren, sondern an Barcelona oder Real Madrid. Die UFC ist schon die größte Organisation der Branche – was sind hier Ihre Ziele?
Es gibt keine Ziellinie. Es stimmt, bei Manchester City ging es immer nur um die Frage: Haben sie Manchester United geschlagen oder nicht? Ob eine Saison gut war oder nicht wurde daran gemessen, wie man zuhause und auswärts gegen Manchester United spielte. Ich hab damals gesagt: Wenn man sich darauf konzentriert, verliert man den Blick für das große Ganze. Lasst uns darauf konzentrieren, wie wir die besten in Europa werden! Die UFC repräsentiert eine neue Sportart, die die sportliche Landschaft insgesamt verändert hat. Die Aufgabe für die UFC ist jetzt, es mit der NFL, der MLB, der NBA und dem Fußball aufzunehmen. Hier in Deutschland kämen noch Handball und Eishockey dazu. Die Frage ist: Wollen die Leute ein Wochenende mit der UFC verbringen, oder gehen sie zum Fußball? Je größer man denkt, desto eher wird man Erfolg haben.
51, ist in Birmingham, Großbritannien geboren. 1985 übersiedelte Cook in die USA, arbeitete von 1996 bis 2008 für den Sportartikelhersteller Nike. 2008 wurde er Geschäftsführer des Fußballclubs Manchester City, verhalf dem Verein zu sportlichem Erfolg, musste aber im September 2011 wegen einer verletzenden Email an die Mutter eines Spielers zurücktreten. Seite 2012 ist Cook bei der UFC für deren Expansion nach Europa, den Mittleren Osten und Afrika zuständig.
Dass MMA in Deutschland langsam ein bisschen Akzeptanz gewinnt, liegt ja nur zum Teil an der UFC, vor allem aber an den vielen lokalen und regionalen Veranstaltern. Es gibt die Kritik, die UFC sei zu groß und nehme anderen die Luft zum Atmen. Wie sehen Sie das?
Ich glaube an den Wettbewerb. Je mehr Leute sich um eine Sache bemühen, desto besser. Wir haben das Glück, ein funktionierendes Geschäftsmodell zu haben. Es hat in Brasilien funktioniert, in Kanada, in den USA. Aber wir können nicht an jedem Wochenende in jedem Land sein. Es gibt viele Leute, die sich die Bundesliga anschauen – aber sie werden nicht jedes Wochenende Borrussia Dortmund gegen Bayern München sehen können. Also werden sie auch woanders hingehen. Die kleineren MMA-Veranstalter füllen das Vakuum an den 51 Wochenenden, die wir nicht hier sind.
Wie wichtig ist es für die Zukunft der UFC in Deutschland, dass sich die Veranstaltung am 31. Mai gut verkauft, dass die Halle voll ist?
Wir garantieren, dass wir ab jetzt jedes Jahr nach Deutschland kommen. Wir waren 2009 in Köln, 2010 in Oberhausen, jetzt zum ersten Mal in Berlin. Warum Berlin? Weil die Welt darauf schaut. Die Veranstaltung wird in 800 Millionen Haushalten im Fernseher zu sehen sein, das ist gut und wichtig auch für Berlin. Wir wollen diesen Markt vergrößern. Der Ticketverkauf ist auch wichtig, aber er bestimmt unsere Strategie nicht. Wir sind keine Veranstaltungsorganisation, wir sind ein Medienunternehmen. Wir haben überall auf der Welt Fernsehverträge, und der UFC Fight Pass wird auch immer größer. Was die Veranstaltung in Berlin schon zeigen wird ist: Sind wir seit 2009 vorangekommen?
Zum ersten Mal in der UFC-Geschichte wird es zwei UFC-Veranstaltungen am selben Tag geben: Hier in Berlin und in Brasilien. Warum das?
Die Welt ist groß! Die Brasilianer wollten eine Veranstaltung, und darüber gibt es auch Verträge. Die Woche zuvor ist das Champions League Finale, später im Juni beginnt die WM. Es war also das richtige Wochenende. Es geht uns ja darum, eine globale Marke wie die UFC lokal relevant zu machen. Bei der Livestream-Übertragung über Fight Pass wird es sogar einen deutschen Kommentar geben!
Normalerweise hätte bei einer UFC-Veranstaltung in Deutschland auch Dennis Siver gekämpft, der bislang erfolgreichste Deutsche in der UFC. Er ist nun gerade wegen Dopings gesperrt worden. Wie schlimm war es für Sie davon zu erfahren?
Wir haben eine Politik der Null-Toleranz, und dann ist das eben so. Aber: Die Leute wollen die UFC sehen, nicht nur Dennis Siver. Im übrigen wird der junge Deutsche Nick Hein kämpfen, und die Leute werden wissen wollen, wie er sich auf großer Bühne präsentiert. Und im Publikum am 31. Mai hier wird mit Sicherheit der eine sitzen, der irgendwann in Las Vegas bei der UFC um einen Titel kämpft. Ich weiß es.
Es war ja erwartet worden, dass die UFC im Zusammenhang mit ihrer Rückkehr nach Deutschland weitere deutsche Kämpfer unter Vertrag nimmt, und das ist auch passiert: Peter Sobotta ist wieder mit dabei, Nick Hein ist neu, und Alan Omer gibt am kommenden Wochenende in Abu Dhabi sein UFC-Debüt. Werden noch weitere kommen? Suchen Sie aktiv?
Ja. Ich arbeite seit 18 Monaten an einem regionalen Businessplan. Teil davon ist: Ich brauche Talente aus Deutschland, Russland, Polen, der Türkei, aus all den regionalen Märkten. Ich habe jetzt grünes Licht von Dana Silva und UFC-Eigner Lorenzo Fertitta, den Matchmaker Joe Silva darum zu bitten, aktiv zu suchen.
Verglichen mit Ihren Erfahrungen bei Nike und Manchester City: Worin liegt der größte Unterschied, bei der UFC zu arbeiten?
Bei Nike repräsentiert man eine Marke. Man hält sich für ganz schlau, aber die Marke ist schlauer. Aber ich hab gelernt, auch in der Zusammenarbeit mit Michael Jordan, eine Marke zu managen. UFC ist auch eine Marke. Als ich nach Manchester kam, konnte ich zwar ein bisschen was verändern, aber da sind schon 100 Jahre Vereinsgeschichte, die kannst du nicht ändern. Die UFC ist noch so jung, alles liegt noch vor uns. Wenn ich die bisherigen Erfahrungen nehmen und hier einbringen kann, um ein Buch zu schreiben, das noch nicht geschrieben ist, dann ist das ziemlich aufregend!
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