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Kolumne Die gute AusländerinAlice Schwarzer ist so sexy

Kolumne
von Jacinta Nandi

Das Bankkonto der besten Feministin von allen macht sie so irre männlich, das kann ich nur attraktiv finden. Was ist Euer Problem?

Na, wer soll Dein Herzblatt sein? Bild: reuters

Würdest du lieber mit Angela Merkel oder mit Alice Schwarzer schlafen?“, fragt meine Freundin Katy.

„Ach“, sage ich. „Mit Alice, natürlich.“ „Echt?“, fragt sie.

In vielen Bereichen bin ich voll deutsch geworden. Ich merke das immer erst, wenn ich zurück in London bin. Wenn ich ein Glas Londoner Leitungswasser trinken soll, zum Beispiel. Da würde ich lieber eine Tasse Durchfall haben. Ich bin an Leitungswasser gewöhnt, das besser schmeckt als Mineralwasser.

Oder wenn ich in London in der Schlange stehe, am Postamt zum Beispiel. Die Schlange ist zweimal so lang wie die längste Schlange, die man je in Deutschland gesehen hat. Und trotzdem sind alle höflich – das Genervtsein wird nur durch solidarisches Seufzen demonstriert. Und die Leute am Tresen? Sie arbeiten ganz langsam und fröhlich, als ob wir in der Schlange nicht schon eine halbe Stunde gewartet hätten. Sie sprechen ganz relaxed mit den Kunden, die sie bedienen, quatschen über ihre Pläne für den heutigen Abend. Da will ich nur ausrasten. Da bin ich voll deutsch geworden. Ich will mit Zorn schreien: „Hier ist eine Schlange! Es gibt Menschen, die warten!“

Oder einmal im Zug von Stansted nach London. Ein Typ kam mit einem Getränkewagen vorbei. Ich weiß nicht, wie ich jetzt unrassistisch erwähnen soll, dass der Typ schwarz war, auf jeden Fall war er das.

„Wollen Sie ein Getränk für den Kleinen?“, fragte er mich. „Ja“, sagte ich. „Ein Mineralwasser, bitte.“ „Wollen Sie nicht lieber eine Apfelschorle?“, fragte er. „Nein, danke“, sagte ich. „Mineralwasser ist schon okay für das Kind.“

Er guckte mich beleidigt an. „Lady“, sagte er. „Lady, es tut mir leid, dass ich Sie genervt habe, aber bitte. Sprechen Sie nicht so mit mir, Lady.“

Ich guckte ihn verblüfft an. Ich war mir ziemlich sicher, dass er dachte, dass ich Rassistin bin, wusste aber nicht genau, warum. Ich entschuldigte mich und nahm das Mineralwasser, saß im Zug und guckte zu, wie die Landschaft von Essex langsam zur Londoner Hauptstadt wurde.

Erst als ich zu Hause ankam, fiel mir ein, was ich hätte sagen sollen: „Vielen Dank für diese Empfehlung! Aber nein, diesmal nicht, eigentlich mag er Apfelschorle nicht so sehr, der Kleine. Aber vielen Dank!“ Oh, fuck, dachte ich. Du bist so fucking deutsch geworden.

Nur bei einer Sache bin ich überhaupt nicht deutsch geworden. Nämlich dann, wenn es darum geht, Alice Schwarzer und Angela Merkel nicht attraktiv zu finden. Ich halte beide für sehr, sehr attraktive Frauen und verstehe nicht, was euer Problem ist. Seitdem Alice Schwarzer Steuern hinterzogen hat, finde ich sie sexyer als je zuvor. Es ist so männlich, so etwas Gieriges zu machen. Jetzt sehe ich sie mit neuen Augen.

Ich stelle mir vor, wie schön es wäre, ihre kleine ausländische Freundin zu sein, die sie immer einladen muss, zum Cocktail zum Beispiel, weil man selbst so ’ne arme Künstlerin ist und sie so erfolgreich, dass sie heimlich Geld auf Bankkonten in der Schweiz verstecken muss wie ein Terrorist oder Banker oder eine Kriminelle.

Bei manchen Dingen werde ich offenbar nie deutsch sein.

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14 Kommentare

 / 
  • B
    Brigitte

    @Thor

    Mich hat die Passage ärgerlich gemacht, in welcher Gier und Steuerhinterziehung als männlich (und damit sexy) attributiert wird.

     

    So, als sei Emanzipation nicht gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit. Sondern das Privatvergnügen einiger Flintenweiber, die keinen Kerl mehr abgekriegt haben. Und Merkel ist natürlich deshalb sexy, weil sie Macht hat. Nur so eine Sugarmutti. Obwohl sie eine Frau ist, gar keine mehr.

     

    Hier wird die Position von Schwarzer, die sich kaum noch einer wirklich runterlädt, mal wieder auf dem Niveau von Verona Pooth durch den Kakao gezogen.

     

    Dabei hat Schwarzer, und es ist bitter, wenn gerade junge Frauen sich drüber lustig machen, soweit erkennbar als einzige den Finger in dem, was hier jemand als "brennende Wunde" bezeichnet hat: Noch immer ist die Möglichkeit, sich emanzipiert zu geben, nur dran gekoppelt, dass die materiellen Grundlagen gegeben sind. Wer ein paar Millionen gescheffelt hat, wie Pooth, der kann so tun, als sei er emanzipiert.

     

    Und auch eine Reporterin kann das vermutlich, wenn sie sich die materielle Unabhängigkeit erst erschrieben hat. Die allermeisten Frauen in unserer Gesellschaft sind, trotzdem sie vielleicht dazuverdienen, unv. völlig unemanzipiert.

     

    Und das manifestiert sich eben überall: ob Kachelmann, ob Prostitution. Schwarzer zeigt uns, wie wir situiert sind. Und wenn sie dabei selbst grimmig, verbissen, herrisch geworden sein sollte, so ist das nicht lustig. Es zeigt nur, was es kostet, und wie gegen alle Wahrscheinlichkeiten sie anzukämpfen hat. Schwarzer hat kritische Aufmerksamkeit und ja, unseren Respekt verdient, nicht, dass man ihr in ein paar Nebensätzen was um die Ohren klatscht.

     

    Was den Rest der Kolumne angeht: hab ich nicht richtig verstanden. Und ehrlich gesagt hab ich in der Londoner Bahn noch nie Apfelschorle gekauft und kann dazu nix sagen.

  • T
    Thor

    Ich habe das Gefühl, dass keiner der bisher kommentierenden den Artikel verstanden hat

    • F
      fischkopp
      @Thor:

      Wenn es keiner versteht, ist es einfach schlecht geschrieben.

       

      Wie man gut so gut schreibt, dass man auch verstanden wird, kann man übrigens auch ganz gut bei Alice Schwarzer lernen.

      • T
        Thor
        @fischkopp:

        auch das eine Möglichkeit. Ich habe den Artikel als wohlwollende Beobachtung der unterschiedlichen Eigenheiten in GB und D verstanden. Manch anderer offensichtlich nicht

    • B
      balduin
      @Thor:

      Vielleicht haben Sie lediglich die Kommetare nicht verstanden.

      • T
        Thor
        @balduin:

        Das kann natürlich auch der Fall sein! Ich wundere mich nur manchmal über den (vielleicht auch von mir mißverständlich aufgefaßten) unnötig bissigen Tonfall mancher Kommentierenden (nicht von Ihnen)

  • R
    Ruhender

    Da, wo Sie glauben, deutsch geworden zu sein, sind Sie lediglich normal geworden.

  • C
    Cheval

    Vielleicht sollten Sie mal nach Deutschland ziehen und hier ein wenig leben, so abseits der Politik.

     

    Alice und Angie sind sexy?

    Deutsche denken immer gleich sie werden als Rassisten aufgefasst?

     

    Wo haben Sie das her?

  • P
    Passagier

    Mich hast du jedenfalls endgültig soweit gekriegt, Jacinta, du und ein paar andere: jetzt bin ich solidarisch mit der Schwarzer, auch wenn ich ein Macker bin. Und ich werde mir die Witzchen runtertrinken, die das generiert, so wie die Mädchen im Dschungelcamp es mit dem Hirschsperma auch machen.

     

    Wärste ma abgehauen, Alice, um aus solch einer beneidenswert vornehmen Pariser Dissidentenwohnung oder einem Schweizer Exil alle zehn Jahre einen edlen Philosophiebestseller rauszuhauen. Statt dessen biste mit hochgekrempelten Ärmeln bei der Putztruppe geblieben. Was auch bedeutet, beim Kerner und Lanz zu antichambrieren, und via Bild beim Wegwischen der Nässe, die gebrauchte Wetterfrösche überall abtropfen lassen, angetroffen zu werden.

     

    Du hast es vorgezogen, einfach weiterzuleben, was bedeutet, einfach weiterzustreiten, auch schon im fortgesetzten Rentenalter, und jetzo sind es die Girlies, die dir London unterreiben, oder Verona, oder sonst was, die finden, dass du dich benimmst wie ne Oberputzfrau, so selbstsüchtig und gierig.

     

    Waaas, du bist gar nicht immer gut, Alice?! Kreischlachspotzbibber!!

     

    Darauf einen Schafhoden mit Nussaroma, aber sowas von. Und auf einmal bist du schier zur Trashqueen mutiert, arme Alice, alle schreiben einfach über dich, was sie denken wollen möchten, oder müssen.

     

    Allerdings: nichts wegzunehmen von der Schärfe des Verstandes dieser hervorragenden Journalistin und grossartigen Polemikerin, nichts zu beschönigen angesichts der Gesamtheit der Zuspitzungen, die sie sich erlauben konnte, weil sie durchdrungen hatte, was wirklich abgeht, wird euch am Ende gelingen. Dafür ist ihr Stil viel zu gut, ist die Auswahl ihrer Themen viel zu exakt, ist ihr gesellschaftliches Anliegen viel zu sehr eine brennende Wunde. Ganz egal, wo man sein Leitungswasser trinkt.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Schwarzer und sexy. Ich kann mir das nicht mal als Satire vorstellen.

  • P
    passopp

    Apfelschorle(!) im Getränkeverkauf in einem englischen(!) Zug ist in etwa so glaubwürdig wie Frau Nahles' Nähe zum Arbeitsmarkt. Aber ziemlich deutsch klingt Ihre Schreibe schon, Hut ab! :)

    • J
      Jacinta
      @passopp:

      Fruit Shoots.

    • J
      Jacinta
      @passopp:

      Die sind diese Shoot-Up Apfel Getränke. Shoot-up oder Apple Shot Up oder so was heisst das. Ich habe das einfach als Apfelschorle übersetzt. Ist so wie Lift.

  • RS
    Right Said Frieda

    I'm too sexy for my land, too sexy for my tax, too sexy for my truth ... soo seexieee ita hurts ...

    yeah yeah yeah