piwik no script img

Online-Anbieter Azov-Films„Erwarte, dass es an der Tür klopft“

In den Foren wurden Kunden des Online-Anbieters, bei dem auch Edathys Name auftaucht, früh vor Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden gewarnt.

Gut vernetzt: Übers Internet kommt die „Ware“ und dann auch die Warnung vor der Polizei. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Kundschaft des kanadischen Online-Anbieters Azov-Films war alarmiert, viele Monate bevor die Nachricht von der Hausdurchsuchung bei dem SPD-Politiker Sebastian Edathy das politische Berlin erschütterte: Womit musste man rechnen, wenn man vermeintlich „legale“ DVDs bei dem in die Schlagzeilen geratenen Versandhandel aus Toronto bestellt hatte?

In einschlägigen Pädophilen-Foren hatten sich Betroffene via Internet schon seit Mitte 2011 über diese Frage ausgetauscht – im englischsprachigen Raum, aber auch in Deutschland.

So berichtete ein besorgter Forenteilnehmer der Community in einem englischsprachigen Onlineforum, er habe einen Rechtsanwalt in Sachen Azov-Films konsultiert und wolle dessen Einschätzung allen potenziell Betroffenen zur Verfügung stellen. Der Anwalt soll demnach Azov-Kunden gewarnt haben: „Erwarte, dass es an der Tür klopft.“

Gerade wer mehrfach Filme bei Azov bestellt habe, müsse Überraschungsbesuch von Ermittlern befürchten. Die Betroffenen sollten deshalb sicherstellen, dass sie bis dahin alle kinderpornografischen Filme oder Fotos aus ihrer Wohnung schafften.

Azov-Kunden in Deutschland, zu denen auch der ehemalige Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy gehörte, konnten also früh gewarnt sein – unabhängig davon, ob sie Insiderinformationen aus den Sicherheitsbehörden von Tippgebern zugespielt bekamen oder nicht. Denn auch in deutschsprachigen Szeneforen setzten schon frühzeitig juristische Diskussionen über den Fall des kanadischen Versandhändlers ein.

Unter Überschriften wie „Haben Azov-Kunden in Deutschland Hausdurchsuchungen zu erwarten?“ oder „Tipps für Azov-Films-Kunden“ tauschten dort User im Juli 2011 beziehungsweise im Oktober 2012 ihre Informationen und Einschätzungen zur deutschen Rechtslage aus.

Gerichtsdokumente aus den USA

Ein Teilnehmer mahnte, auch hierzulande könnten Kunden ins Visier der Ermittler geraten. Hausdurchsuchungen bei allen in der beschlagnahmten Kundenkartei aufgelisteten Käufern seien nicht ausgeschlossen. Verlinkt wurden auch Gerichtsdokumente aus US-Verfahren gegen Azov-Kunden mit Details über die strafrechtliche Bewertung durch dortige Sicherheitsbehörden.

Eine unzweideutige Empfehlung an alle Betroffenen lautete: „Wer also dort mal was bestellt hat, sollte spätestens jetzt dafür sorgen, dass jegliches verfängliches Material aus seiner Wohnung und Datenträger verschwindet.“

In den Foren fand die aufgeschreckte Kundschaft darüber hinaus auch praktische Verhaltenstipps im Vorfeld beziehungsweise während einer Polizeirazzia – und obendrein detaillierte Handreichungen, welche Software geeignet sei, verfängliche Spuren auf dem Laptop zu tilgen.

Denn, so eine Einschätzung aus der Szene: Ermittelt werde bei solchen Videos „in der Regel auf jeden Fall“, auch wenn die Filme womöglich legal seien.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • So wie es dargestellt wird ist es schon konspirativ sich dieses Video anzusehen:

    https://www.youtube.com/watch?v=a0n1PNpB00g

    Oder schon im Grauzonenbereich verschlüsselungssoftware zu nutzen. Ich schreibe die Zeilen über TOR. Aus Prinzip.

     

    Das die Feds mal wieder viel zu langsam waren ist nichts neues. Das man noch weiter kriminalisiert hingegen schon, aber einen kritischen Blick erhält man in den Mainstreammedien nicht.

    Wer mehr wissen mag, der möge mal "„Tipps für Azov-Films-Kunden“ " in eine Suchmaschine eigeben, gibt nen interessanten Blog.

  • G
    GAST!

    Die wollen Vorratsdatenspeicherung, schaffen es aber nicht solche Kinderficker-Foren zuzumachen? Ist schön, dass Kriminelle sich gegenseitig Ratschläge geben können! Aber die Verbindungsdaten meiner Oma speichern wollen...

    • H
      Hummel91
      @GAST!:

      Das sind keine Kinderfickerforen, sondern Foren für Pädophile. Das ist ja wohl ein Unterschied. Die wenigsten begehen jemals eine Straftat

      • P
        @Hummel91:

        ach ja? und deshalb müssen sie die kinderpornos verschwinden lassen?

        • @Pü:

          Das sich in Foren für pädophile kriminelle tummeln ist so normal, wie sich hier kriminelle, Opfer und minderjährige aufhalten.

          Das man sog. Kinderpornos verschwinden lassen sollte ist nicht erst seit dem Spaten so! Das man nun gar nicht mehr einschätzen kann ab wann einem eine (un)rechtmäßge Strafverfolgung droht, wenn man die Paraphilie hat, verschlimmert die Lage nur, wie auch dieser Artikel.