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Wahlrechts-Urteil in BremenAusländer dürfen nicht wählen

Der Bremer Staatsgerichtshof stoppt ein Gesetz, das das Wahlrecht auf Landes- und lokaler Ebene ausweitet. Wer wählen will, muss sich einbürgern lassen.

Der „Bremer Roland“ steht seit 1404 auf dem Rathausplatz. Seitdem sind viele Ausländer in die Hansestadt gekommen. Bild: ap

FREIBURG taz | Grundsätzlich dürfen in Deutschland nur deutsche StaatsbürgerInnen wählen. Das entschied jetzt der Staatsgerichtshof Bremen. Ausnahmen kann es nur für EU-BürgerInnen bei Kommunalwahlen geben. Weitergehende Pläne der Bremer Bürgerschaft wurden damit abgelehnt. SPD, Grüne und Linke wollten in Bremen das Wahlrecht deutlich ausweiten. Bei der Bremer Bürgerschaftswahl, die einer Landtagswahl entspricht, sollten nicht nur Deutsche, sondern auch alle EU-BürgerInnen wählen können.

Bei Wahlen zu den 22 lokalen Stadtteilparlamenten, die „Beiräte“ genannt werden, sollten nicht nur Deutsche und EU-BürgerInnen, sondern alle dort wohnenden AusländerInnen teilnehmen können. Letzteres hätte vor allem für türkische Staatsbürger Bedeutung gehabt. Mit dieser Reform hätten einige zehntausend Menschen in Bremen zusätzlich das Wahlrecht erhalten. Sie hätten also einerseits ihre Stimme abgeben können und sich aber auch selbst zur Wahl stellen können. Bremen wäre damit bundesweit Vorreiter gewesen.

Allerdings hatte das Bundesverfassungsgericht 1990 in zwei Urteilen zum Kommunalwahlrecht in Hamburg und Schleswig-Holstein die Einführung eines Ausländerwahlrechts gekippt. Da laut Grundgesetz alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe, dürften in Deutschland nur deutsche StaatsbürgerInnen wählen. Erst 1992 wurde das Grundgesetz im Zusammenhang mit dem Maastrichter Vertrag geändert und ein Kommunalwahlrecht für EU-AusländerInnen eingeführt.

Angesichts dieser Ausgangslage war es fraglich, ob die Bremer Pläne verfassungskonform sind. Die Bürgerschaft schob daher den Beschluss der Wahlreform auf und bat das Bremer Landesverfassungsgericht, das „Staatsgerichtshof“ genannt wird, um ein Gutachten.

Ausnahme nur für EU-BürgerInnen

Der Staatsgerichtshof entschied jetzt, dass die Wahlreform gegen die Bremer Landesverfassung verstoße. Der dortige Volksbegriff sei der Gleiche wie im Grundgesetz. Also gälten auch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts von 1990, dass in Deutschland grundsätzlich nur deutsche StaatsbürgerInnen wählen dürfen. Die im Grundgesetz später eingefügte Ausnahme für EU-BürgerInnen gälte nur für diese und nur für Kommunalwahlen.

Wie schon das Bundesverfassungsgericht verwies auch der Staatsgerichtshof auf das Staatsbürgerschaftsrecht. Wer mitwählen wolle, so die Argumentation, müsse sich einbürgern lassen. Das deutsche Staatsvolk könne sich dem gesellschaftlichen Wandel anpassen und sei nicht unveränderbar.

Die Entscheidung des Staatsgerichtshofs fiel mit sechs zu eins Richterstimmen. Gegen die Mehrheit stimmte nur die Rechtsprofessorin Ute Sacksofsky. Sie erklärte, dass nach der Grundgesetzänderung im Jahr 1992 die strengen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts obsolet geworden seien.

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18 Kommentare

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  • Was soll das Geschrei? Antrag auf Einbürgerung und dann kannst du mitmachen ...

  • Ich darf ja auch nicht in der Türkei wählen. Oder im Kongo. Das ist doch selbstverständlich. Heulen die hauptberuflichen Betroffenheitsbeauftragten unter Vorsitz von Frau Claudia Roth eigentlich immer, überall und bei jeder Gelgenheit ? Ich darf ja auch nicht im Bundestag mit abstimmen ohne Abgeordneter zu sein. Oder wird das für unsere Migrationshintergründler auch schon gefordert ?

  • Dem linken Spektrum schwimmen halt die Felle davon; die müssen sehen wie sie neue Wählerstimmen gewinnen und da ist der Gedanke einfach: Der Zuwanderer/Migrant/Ausländer wählt nicht rechts und deshalb ist es logisch, dass es Parteien wie die SPD, die Grünen und die Linken sind, die ein Ausländerwahlrecht fordern. Letztendlich geht es nur um Wählerstimmen und um nix anderes.

    • @Matthias D.:

      dass ausländerinnen nicht rechts wählen, gehört zu den urban myths.

      und dass bei im grunde kommunalwahlen nicht eine jeder mitwählen und gewählt werden dürfen soll, ist ziemlich vorgestrig. wird aber immer wieder gern genommen, weil es die kommunen schwächt.

      im übrigen: dass wer anders wählt als ich es gern hätte, muß ich auch bei deutschen und eu-niks aushalten. wieso sollte ich das bei nicht-eu-niks nicht auch aushalten?

      • @christine rölke-sommer:

        Die Ausnahme bei Eu-niks ist auch etwas was mir sauer aufstößt. Da sprechen Sie schon den richtigen Punkt an.

        • @DasNiveau:

          nun, die ausnahme ist eine regel und die kann von mir aus gern auf alle, wo da sind, ausgedehnt werden. das schöne dran: dann wäre sie keine ausnahme mehr.

          • @christine rölke-sommer:

            Das könnte man auch noch Ausbauen. Dann wäre man 24/7 mit Wählen beschäftigt.

            Trolliger Weise sucht man sich eine Wahl aus an der man per Briefwahl teilnehmen möcht und wählt Mist um da etwas Chaos zu schüren. Das wäre jedenfalls mein Ansatz für so ein freies und ausgedehntes Wahlrecht.

            • @DasNiveau:

              wußten Sie schon? Sie dürfen mit dem wahlrecht herumtrollen wie es Ihnen beliebt. hauptsache: geheim.

              • @christine rölke-sommer:

                Das tue ich ja auch. Aber ich kann halt nicht überall. Und das ist auch gut so.

  • Wer in diesem Land lebt, als Teil der Gesellschaft Steuern, Gebühren, Abgaben zahlt und dem hier geltenden Recht unterworfen ist, sollte auch die Möglichkeit besitzen - und sei es nur durch Wahlen - an der Konstituierung der Legislative mitzuwirken. Das man dazu unbedingt die Staatsangehörigkeit besitzen muss erschließt sich mir lediglich hinsichtlich des passiven Wahlrechts. Alles andere mag zwar Gesetz sein, jedoch weder notwendig noch zwingend logisch (wobei ich natürlich von einem gültigen, möglichst zeitlich unbefristeten Aufenthaltstitel ausgehe).

    • @Cerberus:

      Das mag ja alles sein, aber wie schon jemand hier richtig kommentierte: Wir dürfen doch auch nicht im Kongo, der USA oder sonstwo wählen, solange wir deren Staatsbürgerschaft nicht haben. Wo kämen wir denn da hin? Wer wählen will, weil er hier lebt, Teil der Gesellschaft ist und Steuern etc zahlt, der soll auch KONSEQUENT genug sein, sich einbürgern zu lassen.

       

      Wer an seiner Heimat so sehr hängt, dass er seine Staatsbürgerschaft nicht ändern möchte - trotz dessen, dass er HIER lebt und sich HIER anscheinend so heimisch fühlt, dass er aufheult, weil er nicht wählen kann - sollte sich vielleicht nochmal Gedanken machen, warum er so inkonsequent ist.

  • Dieses Urteil sendet ein verheerendes Signal aus! Und das im 21. Jahrhundert! Unfassbar!

    • @Michael KLlein:

      Nach dem Tonfall in diesem Artikel fordere ich die Taz auf, das bei der nächsten Genossenschaftssitzung auch jeder Passant mitwählen darf, ohne Genosse zu werden!

    • @Michael KLlein:

      Was hat das mit 21 Jh zu tun? Was ist an einer Einbürgerung so schlimm? Wer wählen will, muss teil des Clubs werden. Ich kann bei der Taz Genossenschaft auch nicht mitwählen wenn ich kein taz genosse bin. Und die Mitgliedschaft in der BRD-Genosschschaft heißt nunmal deutsche Staatsbürgerschaft. Das musste auch das Unterkommitee "Bremen" einsehen.

       

      Eine Ausnahme ist die EU. Da hat man gegenseitig sich anerkannt. Deutsche können auch in Barcelona auf lokaler Ebene wählen. Daher auch vice versa.

       

      Das sich nicht einbürgern wollen und trotzdem Wählen hat was von Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass.

    • @Michael KLlein:

      Wer dabei sein und mitspielen will, muss dem Verein beitreten. Ist doch gar nicht so schwer zu begreifen.

    • @Michael KLlein:

      Das nicht jeder überall Wählen kann und sich für eine "Stelle" entscheiden muss? (Außer mit der tollen doppelten Staatsbürgerschaft, die einem 2 Stimmen gibt)

       

      How terrible...

      • 1G
        164 (Profil gelöscht)
        @DasNiveau:

        Auf kommunaler Ebene geht es um das was einen an seinem Lebensmittelpunkt unmittelbar umgibt. Mir schleierhaft was Staatsbürgerschaft damit zu tun haben soll. Da könnte der erste Wohnsitz doch das Kriterium sein.

        • @164 (Profil gelöscht):

          Könnte. Muss aber nicht. Ich kann an meinem Wohnsitz ja auch nicht wählen, weil ich noch woanders gemeldet bin.

           

          Ansonsten ist auf den Kommentar von Herrn Tschernich über mir zu verweisen.