Kolumne Der Kommissar #7: Das Menschenhändler-Mekka
Rumänien und Bulgarien vereinen Europas Problem-Zonen Ost und Süd. Und so geht es dort zu: Hungerlöhne, Menschenhandel, Diskriminierung.
„Bulgarien und Rumänien liegen in Südosteuropa“, erläutert taz-Expertin Ulrike Winkelmann (42). Das heißt: Sie gehören sowohl zu Europas Problem-Zone Ost (Kommunismus, orientalische Despotie, Eiseskälte) als auch zur Problem-Zone Süd (Schlonzerei, Armut, Affenhitze). Das kann nicht gut gehen. Und: Das geht auch nicht gut.
Rumänien und Bulgarien sind das Mekka-Eldorado für Menschenhändler: Junge Frauen werden verschleppt, müssen ihre jungen Körper verkaufen. 12 Prozent aller Prostituierten in Europa stammen aus Rumänien, 8 Prozent aus Bulgarien. In einzelnen Ländern sind es viel mehr: In Belgien stammen 70 Prozent aller leichten Mädchen aus Bulgarien, in Bulgarien sogar fast 100 (!) Prozent. Zu willenlosen Sex-Sklavinnen versklavt, wie Vieh behandelt. Viele von ihnen Kinder!
Aber das sind kalte Statistiken. Hinter jeder (!) einzelnen Zahl steht ein Mensch, steht ein Schicksal, steht sogar ein Kinderschicksal.
Nicht „nur“ wegen der Prostitution ist es kein Kinderspiel, in Rumänien oder Bulgarien Kind zu sein. In Rumänien etwa muss jedes fünfte Kind (20 Prozent!) arbeiten – auf dem Bau, in der Landwirtschaft oder der Scheibenwischerindustrie. Durchschnittlicher Lohn: 50 Cent am Tag! Beamte und Polizisten tun nichts gegen diese Quälerei von Kinderseelen, machen die Augen zu und die Taschen auf.
Bakschisch ohne Ende
Überhaupt: Ohne Bakschisch (Bulgarisch für: „Gebührenverordnung“) läuft in diesen Ländern nichts. Aber wer in die Hände des rumänischen oder bulgarischen Staates fällt, ist verloren. Die Gefängnisse: schlimm. Die psychiatrischen Anstalten: schlimm. Die Kinderheime: schlimm. Besonders schlimm auch die Situation der Roma: diskriminiert, aus ihren Häusern vertrieben, keine Schulen, keine Ärzte – ausgerechnet in Romänien!
Dazu kommt: Bulgarien steht auf dem peinlichen 100. Platz in Sachen Pressefreiheit. Ein Medienkonzern beherrscht Fernsehen und Presse (nur Boulevard, keine seriösen Zeitungen), es fließt Bakschisch ohne Ende, unabhängige Journalisten werden eingeschüchtert.
Und: Die Löhne die niedrigsten in ganz Europa, niedriger als in China oder Thailand. Gut, die gehören nicht zur EU. Rumänien und Bulgarien aber auch nicht!
Leser*innenkommentare
Rainer B.
Mir sind in Bulgarien sieben Dinge besonders aufgefallen:
1.Die in Deutschland ausrangierten Linienbusse, die nur noch mit Draht und Eisenstangen provisorisch zusammengehalten werden.
2. Die entsetzliche Armut der alten Leute, die der Staat sich selbst überlassen hat. In den Städten sieht man sie kaum, aber wenn man mal etwas rausfährt ist sie unübersehbar.
3. Die mit sehr viel EU-Mitteln aufwendig restaurierten historischen Bauten.
4. Die vielen bildhübschen, sehr gepflegten und immer perfekt gestylten jungen Frauen, die den recht mondänen Einkaufszonen eine überaus angenehme Note verleihen.
5. Die nahezu völlige Abwesenheit junger bulgarischer Männer in den Innenstädten. Wenn überhaupt, dann trifft man nur vereinzelt mal auf finstere, unrasierte Typen in abgetragenen, versifften Trainingshosen.
6. Die unvorstellbaren Mengen von Plastikmüll an vielen Schwarzmeer-Stränden.
7. Die Schlangen im Schwarzen Meer nahe der türkischen Grenze, die ganze Inseln bevölkern und von denen ich bis heute nicht weiß, ob sie auch gefährlich werden können.
Holkan
Und wo werden die meisten Menschen in Europa verkauft und gehandelt? Richtig: in Deutschland! Dank offener Grenzen können Schwänze jetzt viel billiger beglückt werden! Juchhu, es lebe die EU!
AhaEffekt
Die sozialen Verhältnisse in Rumänien und Bulgarien sind schlimmer als zu Ostblockzeiten.
Auch Korruption und Kriminalität.
Und uns wird im besten Orwell-Stil vorgegaukelt, die EU sei ein Segen für die Menschen.
Sie ist es inzwischen fast nur noch für die 10 Prozent Vermögendsten, die Immobilienhaie, für die "steuerbefreiten" Konzerne, die Geldwäscher, die Schlepper, Spekulanten und Hedgefonds.
Waage69
Aus der EU muss Druck kommen, dass in allen Ländern die Sozial und Arbeitschutzstandards schrittweise angeglichen und zukünftig insgesamt angehoben werden.
Sinnstiftend wäre hierzu bei den Europawahlen die "linken" Parteien (welche nun dazugehört und welche nicht soll jeder für sich entscheiden) im EU Parlament zu stärken.