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Kommentar Kein WaffenstillstandNahost-Krieg ohne Sieger

Kommentar von Susanne Knaul

Die Hamas verweigert einen Waffenstillstand und fühlt sich als Gewinner im Nahost-Konflikt. Zu Unrecht. Und der größte Heuchler sitzt in Ramallah.

Wenn es einen Völkermord gibt, trägt er Mitschuld: Mahmoud Abbas. Bild: dpa

D éjà-vu im Nahen Osten. Eine Woche fliegen Raketen aus dem Gazastreifen, die israelische Armee fliegt Luftangriffe, dann gibt es einen Waffenstillstand, den die Hamas abgelehnt hat, jetzt geht alles wieder von vorne los.

Die Hamas fühlt sich als Sieger, hat sie es doch geschafft, fünf Millionen Israelis in die Bunker zu scheuchen – und nicht klein beizugeben. Militärisch betrachtet, waren die Hamas-Raketen aber alles andere als effektiv. Nicht einen Toten auf israelischer Seite gab es bislang zu beklagen. Der einzige wirkliche Erfolg geht auf das Konto des israelischen Raketenabwehrsystems: Die Verteidigungswaffe „Eisenkuppel“ ist genial.

Warum, so könnte man fragen, lässt man die Hamas nicht einfach schießen und wartet ab, bis die Raketenwelle wieder abflaut? So läuft das eben nicht mit der Abschreckung. Stillhalten wird als Schwäche ausgelegt, und die provoziert neue Gewalt. Israel muss die Hamas angreifen, auch wenn abzusehen ist, dass zivile Opfer, hinter deren Rücken sich die feigen Hamaskämpfer verstecken, nicht zu verhindern sind.

Regierungschef Netanjahu lobt die Piloten, die tapfer die Infrastruktur des Feindes zerstören. Nur: welche Infrastruktur? Noch ein paar Wohnhäuser mehr werden zu Schutt und Asche gebombt. Der strategische Effekt geht gegen null.

Der größte Heuchler sitzt indes weder in Jerusalem noch in Gaza, sondern in Ramallah. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas protestierte gegen den „Völkermord in Gaza“ und lacht sich derweil ins Fäustchen, weil die Zionisten dem Erzfeind von der Hamas mal wieder ordentlich auf die Mütze geben.

Wenn es einen Völkermord gibt, ist Abbas mit schuld daran. Seine Autonomiebehörde ist für die Lieferung von Medikamenten in den Gazastreifen zuständig. Es sind Menschen gestorben, weil es zu wenige von diesen Medikamenten gibt.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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15 Kommentare

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  • Es ist für die meisten Kommentatoren hier wahrscheinlich unerträglich, wenn ein Artikel kommt, der Israel nicht dämonisiert oder verdammt.

     

    Damit kann man hier nichts anfangen, denn es würde ja bedeuten, eine in sich geschlossene Denkweise zu verlassen und sich für neue Informationen zu öffnen, die nicht ins eigene Weltbild passen

  • Guter Kommentar! Es verwundert darüber hinaus auch nicht, dass die Hamas auf den ägyptischen Vorschlag einer Waffenruhe nicht eingeht. Die Truppe braucht den Konflikt, sonst würde sie sich ihrer Existenzgrundlage berauben. Außerdem lässt sich ihr Endziel, ganz Palästina von Israel zu befreien, schwer in Verhandlungen mit ebenjenem Israel erreichen.

    Verhandeln können nur Gruppen, die an einer beidseitigen friedlichen Existenz interessiert sind. Hier wären das säkulare Israelis und säkulare Palästinenser, die sich nicht gegenseitig mit religiösen Zitaten das Existenzrecht absprechen. Solange Gruppen wie die Hamas signifikanten Einfluss haben, wird sich das Gewaltkarussel immer weiter drehen. Und solange solche Terrororganisationen offene bis (klamm)heimliche Unterstützung aus dem Ausland erhalten, erst recht.

    • @Oli Vau:

      Solange Netanjahu und seine Kumpels an der Macht sind, die sich in der Überlegenheitsphantasien des jüdischen Volkes austoben und den Palästinenser mit religiösen Schriften jedes Recht verweigern, kann es keinen Frieden geben. Insofern haben wir nicht nur Hamas und deren Radikalen, sondern auch Netanjahu und seine friedfertige Minister, wie Liebermann, der den Begriff Vernichtung so gut findet, das er den immer wieder wiederholt.

  • Eine deutsche Nahost-Korrespondentin die wirklich versteht, wie die Dinge im Nahen Osten laufen? Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Chapeau.

    • @Daniel Roth:

      früher, als man noch an aufklärung interessiert war, nannte man solches hofberichterstattung.

  • Voraussetzung für eine friedliche Koexistenz ist die Anerkennung des Lebensrechts des anderen.

  • Was für ein Wunder?

    Ich muss es aber teilen, weil ich es einfach wunderbar finde, dass Jürgen Todenhöfer direkt aus Gaza berichtet.

    Zitat: "Netanjahu will die Hamas in die Knie bomben. Vor allem nachdem sie sich mit der gemäßigten Fatah zusammengeschlossen hat und dadurch das palästinensische Lager gestärkt hat.

     

    Netanjahu will keine starke, geeinigte Palästinenserführung. Er will schwache, nachgiebige, gedemütigte Gesprächspartner wie Mahmoud Abbas, die er am Nasenring durch die Manege führen kann. Ohne dass sie sich wehren. Denen er nie echte Zugeständnisse machen muss. Weil ein Netanjahu keine Zugeständnisse macht. Das Leiden der Palästinenser unter der Besatzung Israels hat ihn nie interessiert und wird ihn nie interessieren.

     

    Netanjahu will keinen Frieden mit den Palästinensern. Jeder führende US-Politiker von Obama bis Kerry würde das resigniert bestätigen. Netanjahu will vor allem kein freies, unabhängiges Palästina."

     

    Zum gesamten Text:

    https://www.facebook.com/JuergenTodenhoefer?fref=photo

     

    Frau Knaul, wie finden Sie es, dass Herr Todenhöfer nach Gaza schafft aber sie in Tel Aviv oder Jerusalem noch sitzen?

     

    Danke Todenhöfer den Mut!!!

    • @Toyak Yakot:

      OMG Todenhöfer. In den 80ern saß er mit der sogenannten Stahlhelmfraktion der CDU im Bundestag. Haben Sie noch mehr solcher Mudschahedin-Flüsterer im Angebot? Dann gute Nacht.

  • welch ein nebelwerfer-kommentar!

  • "Die Verteidigungswaffe „Eisenkuppel“ ist genial.

    Warum, so könnte man fragen, lässt man die Hamas nicht einfach schießen und wartet ab, bis die Raketenwelle wieder abflaut?"

     

    Die Antwort ist einfach. Die Eisenkuppel ist eben alles andere als genial. Nimmt man die veröffentlichten Abschusszahlen, so werden ca. 20% der Geschosse abgefangen. Ein Abschuss kostet ca. 100.000$. (Was kostet eine Hamas Rakete?) Das Abwehrsystem ist wichtig und nützlich. Aber eine 100%ige Sicherheit bietet es, wie jede Abwehrwaffe, nicht. Und deshalb gibt es in Israel auch weiter Luftalarm. Übrigens ist der allgemeine Zivilschutz in Israel so gut organisiert, dass bei Beschuss auch früher schon äußerst selten Menschen getötet wurden.

     

    Wichtiger als die Loblieder auf die Eisenkuppel ist jedoch die Frage, warum die Hamas den Waffenstillstand abgelehnt hat. Dazu schweigt die Autorin. Nicht einmal die Bedingungen werden genannt. Dabei kam heute im Radio, dass Ägypten die Bedingungen vorher mit Israel, aber nicht mit der Hamas besprochen hat. Warum? Um sicher zu gehen, dass Israel annehmen kann und die Hamas ablehnen muss? Das ist doch mal einen Gedanken wert. Nachdem fast die ganze Welt die Bombardierungen kritisiert, startet man einen Luftballon, um die Wogen zu glätten. So kommen die Menschen in Israel und Palästina nie aus der Gewaltspirale heraus. Dazu braucht es glaubwürdige Initiativen.

  • Teil III: Schluss

    Dass Netanjahu mit aller Macht verhindern will, dass die Palästinenser sich versöhnen und so ihre Verhandlungsposition stärken können und konnten, wird ausgeblendet. Netanjahu gefiel überhaupt nicht, dass USA und EU erklärten, die Einheitregierung anzuerkennen. Auch vor der Bildung der Einheitsregierung gab es Raketenabschüsse, die gezielt erwidert wurden.

    Dann geschahen die drei Morde an den Jugendlichen, die von Netanjahu missbraucht wurden, um die Einheitsregierung den Todesstoß zu geben. Erst wurden alle im Rahmen der Friedensverhandlungen freigelassenen Gefangenen bei der Suche nach den Entführten gezielt wieder festgenommen, ohne dass ein Verdacht gegen sie besteht. Bei der Suche wurden 6 Palästinenser ermordet (nach Ansicht von Frau Knaul waren diese Morde bestimmt unvermeidbar.)

    Daraufhin verstärke die Hamas die Raketenabschüsse auf Israel.

    Entsprechend seiner Rache- und Vegeltungsgeilheit handelte Netanjahu.

    Wer solche Geschehnisse und die Hintergründe ausblendet, wird der Würde des Journalismus bei weitem nicht gerecht, Frau Knaul.

  • Teil II:

    4. Notwendigkeit einer Abschreckung

     

    Es bedarf keiner Abschreckung, wenn Israel seinerseits mit dem tagtäglichen Terrorismus aufhören würde und die Haftbedingungen der Palästinenser verbessern würde. Wie wäre es mit der Aufhebung der Blockade und Überwachung der Grenzen und Meer durch UN-Soldaten?

     

    5. Schwäche

    Während man von Hamas erwartet, das Schicksal der Palästinenser und den täglichen Terror Israels hinzunehmen, siehe oben 1., wird der Zwang zur Reaktion Israels damit begründet, dass man bei Nichtreagieren dies als Schwäche deuten kann. Für alle Palästinenser hat also Frau Knaul die Empfehlung, sich dem Schicksal, nämlich täglicher Erniedrigung, Entrechtung, Ermordung und Diskriminierung sowie Vertreibung, zu beugen und das tun, was die Wertegemeinschaft euch vorgibt. Die Palästinenser haben es satt, ständig mit Friedensverhandlungen hingehalten zu werden. Die Waffenruhe sieht für Palästinenser keinerlei Erleichterung Ihrer Haftbedingungen, die israelische Blockade bleibt. Genau damit begründete Hamas auch den Raketenbeschuss.

     

     

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  • Teil I:

    Wieder ein Artikel, der im Rauschzustand geschrieben wurde.

    Frau Knaul,

    es täte Ihnen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gut, wenn Sie sich einer Entzugstherapie begeben wurden, also die israelischen Medien nicht tagein tagaus reinziehen würden.

    Ich versuche mal Ihrer Logik zu folgen.

    1.Klein beigeben

    Weshalb gibt die israelische Regierung ihrerseits nicht klein bei und erleichtert die Haftbedingungen der Palästinensern, verzichtet auf Kollektivstrafen, wie Zerstörung von Wohnhäusern zur Bestrafung Einzelner. Das Märchen mit den Abschussrampen zieht deshalb nicht, weil die israelische Armee selbst erklärt, das Haus eines Hamas-Mitgliedes zu zerstören. Daher bitte das Märchen mit den Schutzschildern einfach sein lassen.

     

    2. Erfolge

    Israel feiert nun die Zerstörung von Wohnhäusern und Ermordung von 187 Menschen, wenn man natürlich Verbrechen als Erfolg feiern kann.

     

    3. Die Lüge der nicht vermeidbaren Zivilopfer:

    Wenn Israel die Zivilopfer nicht vermeiden kann, dann muss halt nicht angreifen und darf nur gezielt vorgehen. So ist einfach. Die Hamas kann bei aller Liebe gegen eine reguläre hochgerüstete Armee einen Krieg Mann gegen Mann nicht führen.

    Weshalb setzt Israel "nur" die Luftwaffe und die Marine, weil man Tote auf der Seite der Soldaten vermeiden will, also wenn man Tote auf Seiten der Soldaten so effektiv vermeiden kann, dürfte mit der Vermeidung von Zivilopfer nicht so schwierig sein. Aber die Realitätsverweigerung von Frau Knaul sieht das anders.

  • Abbas könnte aber auch die Frage stellen, warum die Hamas geschätzte 10.000 Raketen (zusammen ca. 1 Kilotonne zzgl. Verpackungsmaterial) ins Land schmuggeln muss - anstatt nur 9.000 Stck. und ausreichend Medikamente für die Bevölkerung?

  • Ich erkenne die Menschen, die dort leben jetzt und hiermit alle, ausnahmslos alle an. Ich erkenne Sie alle als Human being wie Du und ich und das ich im Du (Danke Rio) an. Mir ist egal welcher Religionsausübung der Mensch an sich dort nachgeht oder bei welcher Bank er sein Geld weniger werden lässt. Wir haben bei der WM quasi mind. 10 Mannschaften zugeschaut, deren Regierungen sowohl Israel als auch Palästina völkerrechtlich anerkannt haben. Gegen drei (Algerien, Brasil und Argentinien) wenn ich richtig gezählt habe, haben wir gekickt. Es geht also Bundesrepublik Deutschland. Die Frage wäre zu klären, haben wir historisch betrachtet ein Problem damit?