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EU-Kanada-Freihandelsabkommen CetaDie Blaupause für TTIP

Der Handelsvertrag mit Kanada gleicht dem umstrittenen Pakt mit den USA: Investoren werden geschützt, Menschenrechte und Sozialstandards nicht.

Dieser Kanadier darf bald die ganze EU mit seinem Ahornsirup ertränken Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Offiziell wird das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada erst Ende September präsentiert – auf einem Sondergipfel. Doch seit die „Tagesschau“ den geheimen 1.500-Seiten-Text vor einer Woche geleakt hat, wächst auf beiden Seiten des Atlantiks der Widerstand gegen Ceta, so heißt das Abkommen im Fachjargon.

„Der Text bestätigt unsere schlimmsten Befürchtungen“, sagt Brent Patterson von der kanadischen Bürgerinitiative Council of Canadians. „Jetzt wird klar, was wir schon lange befürchtet haben“, klagt auch die grüne Europaabgeordnete Ska Keller. Beide ärgert das Kapitel zum Investorenschutz (ISDS), das ungeachtet massiver Proteste in das Kanada-Abkommen aufgenommen wurde. Dabei hatte die EU-Kommission noch im Frühjahr Einlenken signalisiert – und eine öffentliche Anhörung zum „Investor-state dispute settlement“ gestartet. Obwohl die Ergebnisse nicht vorliegen, kommt der Investorenschutz nun doch.

Europäische und kanadische Konzerne sollen damit das Recht erhalten, gegen missliebige Gesetze vor eigenen Schiedsgerichten zu klagen. Damit würden nationale Gesetze umgangen. „Hier entsteht eine Paralleljustiz“, kritisiert der grüne Finanzexperte Sven Giegold. „Alle roten Linien werden überschritten.“

Und das könnte erst der Anfang sein. Denn Ceta gilt als Vorbild für das nächste „große Ding“ – das geplante Freihandelsabkommen mit den USA. „Es dient als Blaupause für TTIP, und zwar als schlechte Blaupause“, sagt der Handelsexperte Thomas Fritz, der ein Gutachten über Ceta für die Gewerkschaft Ver.di geschrieben hat (PDF). Darin listet Fritz viele Mängel auf.

Briefkastenfirmen für undurchsichtige Geschäfte

So enthält das Investitionskapitel nicht nur die umstrittenen Schiedsgerichte. Es lässt auch weiter Briefkastenfirmen zu, mit denen viele US-Konzerne längst undurchsichtige Geschäfte in Kanada machen. Zudem fehlen Garantien für Arbeits- und Sozialstandards. Kanada wollte zwar die Möglichkeit erhalten, Verstöße gegen das Arbeitsrecht ahnden zu können. „Doch die EU weigert sich beharrlich“, so Fritz – die Kanadier konnten sich nicht durchsetzen.

Dabei beteuert EU-Handelskommissar Karel De Gucht immer wieder, an Arbeits- und Sozialstandards werde nicht gerüttelt. Doch einklagbare Garantien will er dafür offenbar nicht geben.

Sollte das Kanada-Abkommen in den laufenden Verhandlungen mit den USA Schule machen, werden auch die Menschenrechte zu kurz kommen. Denn Ceta enthält überraschenderweise keine Menschenrechtsklausel. Dabei würde sie demokratische Grundrechte, aber auch die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO absichern. „Die EU geht mit Menschenrechtsklauseln sehr willkürlich um“, kritisiert Franz. Während diese Klauseln in den meisten Abkommen mit Schwellenländern enthalten sind, klammert Brüssel das Thema aus. „Die Industriestaaten meinen wohl, sie seien über alle Zweifel erhaben“, so der Experte.

Keine Kapazitäten für individuelle Verträge

Auch im TTIP-Abkommen mit den USA dürfte der Passus über Menschenrechte fehlen. Denn die Amerikaner werden sich kaum etwas hineinverhandeln lassen, das die Kanadier nicht haben. Die EU-Kommission habe gar nicht die Kapazitäten, jeden Vertrag anders zu formulieren, sagt Franz. TTIP werde sich „nur im Detail“ von Ceta unterscheiden, dies ließen Entwürfe schon jetzt erkennen.

Vielleicht ist dies auch der Grund für die Geheimniskrämerei um Ceta. Bereits im vergangenen Herbst hatte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso lauthals eine „politische Einigung“ mit Kanada verkündet. Danach passierte monatelang gar nichts – oder wenn, so wurde es nicht bekannt. Auch die geleakte Endfassung ist offiziell noch unter Verschluss.

Immerhin hat das Ceta-Leak das Europaparlament aus dem Sommerschlaf geweckt. Derzeit versuchen Experten im Handelsausschuss, das Fachchinesisch zu entschlüsseln und mögliche Fußangeln zu finden. Zudem versuchen Ceta-Kritiker, das ISDS-Kapitel doch noch aus dem Abkommen zu streichen.

Damit dies gelingt, müssen allerdings auch die Sozialdemokraten mitziehen. Doch die prüfen noch. Das letzte Wort könnte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel haben. Der SPD-Chef hat sich zwar skeptisch geäußert. Doch wenn er Ceta unverändert abnickt, könnte aus der Blaupause eine Steilvorlage werden – für Investorenschutz im Freihandel mit den USA.

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5 Kommentare

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  • Nostalgie III

    In einer Dookumentation ueber den U Bootkrieg im 2. Weltkrieg hiess es, das die Alliierten nach dem Krieg die Leistungsfaehigkeit der deutschen Wirtschaft unter Adolf Hitler bewunderten. Allein die U Boot produktion stieg von 1941 bis 1945 von ca 230 auf 1600, mit einer technischen Innovation wo selbst google neidisch wuerde. Das ist Globalisierung. Die wirtschaftsstrukturen ueberall auf der Welt werden auf Kriegswirtschaft umgestellt. Globalisierung, das ist Wirtschaftskrieg, jeder gegen jeden. Die Buendnisse sind den wirtschaftlichen notwendigkeiten geschuldet und gelten nur partiell und auf Zeit, solange sie ihren Zweck erfuellen. Ein Wirtschaftskrieg, jeder gegen jeden bedeutet und das war unter Schwarz Gelb sichtbar, der Staat gegenueber den Laendern und Kommunen, die Laender und Kommunen gegeneinander, die Unternehmen und Konzerne gegen den Staat und Staatenbuende und gegeneinander. Auch innerhalb der Staatenbuende ist man nicht mehr nur in Konkurrenz, sondern im Krieg, im Wirtschaftskrieg. Kriegswirtschaft bedeutet krieg um die niedrigsten Loehne, bei hoechster effiziens und am wenigsten Steuern. Das bedeutet dann zB. das Zalando seine Sklavenfirma in einem SPD regiertem Land ansiedeln kann und damit in ganz Deutschland, auch andrren SPD regierten Laendern tausende Arbeitsplaetze kaputt gehen. Und durch die Lieferung von Waffen in Krisengebiete sollen Arbeitsplaetze in der Ruestungsindustrie gesichert werden und die Beschaffungskosten der Bundeswehr gestuetzt werden.

    • @Hady Khalil:

      Das ist eine einseitige rein quantitative Interpretation von Wirtschaftswachstum. Wachstum kann auch qualitativ sein, zB sparsamere Autos statt Sprittfresser. Oder geschlossenen Tiefbrunnen mit Elektropumpen statt mit verdreckten verschissenen Seilen mit Eseln das Wasser aus 50 Meter Tiefe ziehen in ariden Gebieten? Sollen die Leute auf ewig Durchfall haben?

  • Bei Null Prozent Wirtschaftswachtum und einem Handelsüberschuss der EU mit Kanada wäre CETA ein Faktor, um die EU-Wirtschaft zu fördern. Anderenfalls wird China und Indien in 20 Jahren die Weltwirtschaft komplett dominieren. Da wird dann auch keiner mehr nach Standards fragen. Schon jetzt werden chinesische Eier weltweit vermarktet. Und was sind das für Standards? Damit könnte sich die Taz beschäftigen, denn das ist real. Schon jetzt wird in Deutschland massenhaft chinesisches Gemüse verkauft. Oder nehmen wir die russischen Lebensmittelstandards. Die russische Lebensmittelbehörde geht gegen McDonald vor. Welche Standards werden hier angewandt? Dtschld hat mit den USA übrigens einen ganz erheblichen Außenhandelsüberschuss (88 vs 48 Mrd), während es mit Russland gerade andersrum ist. Irgendwie hat man das Gefühl, dass sich hier niemand für wirtschaftl. Realitäten interessiert, aber gerne Prinzipiendiskussionen führen möchte. Die Schiedsgerichte kommen erst zum Tragen nach erheblichen Gesetzesänderungen, die sehr kurzfristig eingeführt werden. Ich kenne keinen Fall, wo ein Staat entsprechend der Entscheidung eines Schiedsgerichts ein Unternehmen entschädigt hätte. Vielleicht gibt es den einen oder anderen Vergleich, aber das sind Verhandlungen, die nicht von einem Schiedsgericht geführt werden. Wenn Russland McDonald dicht macht, wären Entschädigungen vielleicht logisch?

  • Wenn Gabriel das Ding durchwinkt, dann hoffe ich instaendig, dass diese Partei (wie die FDP) von der Bildflaeche verschwindet. Je schneller, desto besser. Denn keine Partei ist schlimmer als eine solche, die so tut, als sei sie links und sich gleichzeitig einen feuchten Kehrricht um die Belange der Bevoelkerung kuemmert.

  • Die SPD soll uns retten? Dann sind wir verloren.

    Mit viel Tamtam wird verküdet werden das das so nicht geht um dann mit "Bauchschmerzen" zuzustimmen.