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Kommentar RüstungsexportberichtKleine Schritte, unklare Richtung

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Sigmar Gabriel hat die Moral in die Debatte um die deutschen Rüstungsexporte geholt. Tatsächlich merkt man noch nicht viel davon.

Corporate identity still sucks: Gabi im Panzer. Bild: dpa

I m Sommer gab es einen Alarmruf der deutschen Rüstungsindustrie: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel mache Ernst mit seinem Wahlkampfversprechen, die deutschen Waffenexporte zu drosseln. Wenn man sich nun den Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für die ersten sechs Monate 2014 vor Augen führt, bleibt nur der Schluss: Die deutsche Waffenindustrie versteht sich auf den Slogan „Lerne klagen, ohne zu leiden“. Genehmigt wurden Exporte für mehr als zwei Milliarden Euro. Fast 99 Prozent aller Anträge wurden durchgewunken. Business as usual.

Es stimmt: Es gibt in dem Rüstungsexportbericht auch ein paar Anzeichen für zaghafte Verbesserungen. So sind nur noch halb so viele Kleinwaffen, die in den globalen Bürgerkriegen besonders fatale Wirkungen zeitigen, ins Ausland verkauft worden – für rund 20 Millionen Euro. Auch dass Gabriel die schon genehmigte Ausfuhr eines Gefechtsübungszentrums nach Russland auf Eis legte, war ein erfreuliches Signal Richtung Moralisierung der deutschen Waffenexportpraxis.

Müssen wir nicht also mehr Geduld haben und in Rechnung stellen, dass strukturelle Veränderung nicht per Reißschwenk geht? An der Rüstungsindustrie hängen etwa 300.000 meist gut bezahlte Jobs und ordentliche Profite. Um da etwas auszurichten, reichen gute Absichten und evangelische Rhetorik bei weitem nicht aus.

Was skeptisch stimmt, ist, dass auch in der Ära Gabriel sehr, sehr viele Waffen in Nicht-Nato-Staaten geliefert werden. So bekommt Algerien eine 70 Millionen Euro teure Fabrik für Panzer, die sich besonders für die Niederschlagung von Aufständen eignen. Moralisierung der Rüstungsexportpolitik? Warum gibt es kein Exportverbot für Kleinwaffen? Die Schritte, die Gabriel macht, sind so klein, dass kaum erkennbar ist, wohin er will.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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3 Kommentare

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  • Es wird immer wieder gerne – wenig verwunderlich – mit dem Verlust von Arbeitsplätzen gedroht. Gerne wird dabei eine Zahl von mehr als 200.000 Arbeitsplätzen in der Rüstungsindustrie kolportiert. Zweifel an dieser Zahl sind angebracht. Sie geht auf eine vom Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie beauftragte Studie zurück, die weit über den Kern der deutschen Rüstungsproduzenten hinaus alle möglichen Zulieferer und Schutztechnikproduzenten einschließt. Dabei machen diese nur einen Teil ihres Umsatzes mit der Rüstungsproduktion und wären durch Einschränkungen der Exporte kaum gefährdet.Offensichtlich wird hier bewusst Angst geschürt, obwohl keiner der Kritiker verlässliche Zahlen vorlegt, wieviel Arbeitsplätze überhaupt vom Rüstungsexport abhängen. Wirkliche Transparenz heißt, endlich Roß und Reiter bei den Exporten zu nennen: Lieferanten, genaue Beschreibung und Anzahl der Güter und Empfänger. Und nicht zuletzt muss die Regierung öffentlich Rechenschaft über die Berücksichtigung der Menschenrechte ablegen und endlich den Bundestag enger einbinden, um die Einhaltung der Regeln zu sichern.

  • Warum wird die U-Boot Lieferung an Israel nicht erwähnt? Oder sind Waffen für Israel Staatsinteressen (allerdings NICHT Bürgerinteressen!)?

    (15102014,17:38)