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Kommentar Bischofsynode in RomDie katholische Doppelmoral

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Im Vatikan tagten die Bischöfe zu den Themen Ehe und Familie. Sie zeigten einmal mehr, wie weit sie vom Alltag der Menschen entfernt sind.

Wie in einem Parallel-Universum: die Bischofssynode in Rom. Bild: AP

I m Vatikan hat hochwichtig die Sondersynode zu Ehe und Familie getagt – und wen interessiert es? Niemanden. Noch nicht einmal die Bischöfe selbst. Der katholische Alltag in Deutschland ist vom Schlussdokument aus Rom so weit entfernt, dass der Begriff „Paralleluniversum“ noch untertrieben ist.

Ein paar Beispiele: In einer Kleinstadt in Nordhessen weiß jeder, dass der örtliche Priester mit der Leiterin des städtischen Kindergartens liiert ist. Dazu muss man nicht durchs Schlüsselloch gucken: Die beiden sind ein Paar – und benehmen sich wie ein Paar. Unvorstellbar, dass der zuständige Bischof nicht darüber informiert ist, dass der Begriff „Zölibat“ hier sehr modern interpretiert wird.

Die Synode

Auf der Familiensynode im Vatikan haben sich die Bischöfe auf keinen breiten Konsens beim Umgang mit Homosexuellen und Geschiedenen einigen können. Das ging aus dem am Samstagabend vorgestellten Abschlussdokument der Familiensynode hervor. Die Kirchenoberen hatten zwei Wochen lang teils kontrovers beraten. In dem vorgestellten Dokument fanden drei strittige Punkte zum Umgang der Kirche mit Homosexuellen und Geschiedenen nur eine einfache, nicht die angestrebte Zwei-Drittel-Mehrheit, um die Haltung der gesamten Synode widerzuspiegeln. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi betonte am Abend, das nun verabschiedete Abschlussdokument diene als Grundlage für weitere Diskussionen und sei kein lehramtliches Dokument. Das Treffen der Bischöfe sollte eine Synode zum gleichen Thema im kommenden Jahr vorbereiten.

Die katholische Kirche ist außerordentlich knauserig, wer ihr Abendmahl empfangen darf. Protestanten sind genauso wenig zugelassen wie Geschiedene. Offiziell. Vor Ort sind die katholischen Priester sehr pragmatisch und froh, wenn sich ihre Kirche überhaupt füllt.

Besonders skurril ist der Umgang mit der Homosexualität. Denn in keiner anderen Institution sammeln sich so viele Schwule wie in der katholischen Kirche. Die Schätzungen schwanken nur noch, ob 25 oder gar 50 Prozent der Priester gleichgeschlechtlich lieben. Doch statt offen mit der eigenen Sexualität umzugehen, wird sie offiziell zur Sünde erklärt.

Die katholische Kirche ist bigott und lebt eine Doppelmoral. Mit einer einzigen Ausnahme: Lehre und Praxis decken sich komplett, sobald es darum geht, die Frauen von der Macht fernzuhalten. Nur Männer dürfen Priester sein, und an diese Vorschrift hält sich die männliche Kirchenhierarchie geschlossen und gnadenlos.

Die katholische Kirche sagt, sie sei eine Religion. In Wahrheit ist sie eine Karriereoption für Männer, die sich eine Sondergalaxie geschaffen haben.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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5 Kommentare

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  • Die Kirche - in Deutschlands Öffentlichkeit skuriler Weise gerne in Kirchenvolk und Amtskirche geteilt - lebt schon immer in sehr unterschiedlichen Fassetten. Vielen fällt es in der Tat heute schwer, sich mit christlichen Werten auseinanderzusetzen und deren befreiende Botschaft zu erkennen. Und dass Kirche ehrlich um einen guten Weg, orientiert am Evangelium in heutiger Zeit der Beliebigkeit ringt, ohne traditionelle Werte abzuschreiben, faule Kompromisse zu schließen, wie heute Viele, ehrt sie. Am Samstag kamen 1.500 Katholiken aus dem Erzbistum Berlin von einer Wallfahrt aus Rom zurück. Dort waren Geistliche und Kirchenvolk ganz anders zu erleben, als hier beschrieben. Das zeigt, dass es mit Ihrer absoluten Wahrheit nicht allzu weit her ist. Sie machen sich noch nicht einmal die Mühe, sich inhaltlich mit den Themen zu befassen.

     

    [...] Beitrag bearbeitet. Bitte beachten Sie die Netiquette. Die Moderation.

  • Da muss glücklicherweise in diesem Land niemand Mitglied sein.

    Viel schlimmer bleibt einzig, dass alle in diesem Land durch uralte Verträge gezwungen sind, diesen Verein zu finanzieren. Und CDUCSUSPDGRÜNE dagegen nix machen wollen.

     

    Eine der immer weniger werdenden Gründe, erstmal wieder LINKE zu wählen.

  • Ich kann sowieso nicht verstehen, wieso alte, graue Männer die sowieso nie (freiwilligen) Sex (zu) haben scheinen/dürfen/sollten in irgendeiner Art und Weise diesbezüglich als kompetent betrachtet werden.

     

    Ich meine, der Großteil der Leute aus dem Verein, die sich zu vorehelichem Sex (schlimm) Abtreibung (ganz besonders schlimm) und Pille danach (mindestens genauso schlimm) äussern, haben von der Materie Sex doch überhaupt keine Ahnung.

    Geschweige denn vom schwanger sein.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @pippilotta_viktualia:

      Ein Superargument, weil ja alle Frauenärzte auch so unendlich oft schwanger werden.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Sie haben leider nicht den blassesten Schimmer einer Ahnung, wie man mit solchen Systemen umgeht. Sie haben lediglich für ihr pseudolinkes Klientel einen Artikel verfasst. Wenn sie die katholische Kirche verstehen und sie kritisieren wollen, müssen sie sie von Innen betrachten und aufrollen.

     

    Dazu gehört: wer dem Schein genüge tut, ist gelitten, aber offene "Apostasie" wird nicht geduldet. Ähnlich wie die Menschen in der DDR stets bei öffentlichen Äußerungen einem Double-Think unterworfen waren, so sind es auch die Priester und Gläubigen, insofern sie über "die Kirche" sprechen.

     

    Was sie denken und fühlen, steht auf einem ganz anderen Blatt und hat mit der Amtskirche noch viel weniger zu tun, als die Absichtserklärungen der Parteien vor der Wahl. Die Kirche ist nicht der Papst in Rom. Der war es nie. Die Kirche sind alle, die zu ihr gehören, übrigens auch nach (theoretischer) Auffassung der Amtskirche in Rom.