Bundeswehr bekommt Showroom: Kadercaching in Berlin-Mitte
Die Bundeswehr braucht mehr Personal. Wie kriegt sie das? Zum Beispiel auf den Straßen Berlins. Dort eröffnet sie jetzt einen Info-Laden.
BERLIN taz | Ursula von der Leyen will mehr Nachwuchs. Das ist offensichtlich nicht ganz leicht. Die CDU-Politikerin, 56, hat aber eine Idee, wie sie zu ihm kommt: Sie holt ihn von der Straße.
So jedenfalls lässt sich der Sinn des sogenannten Showrooms der Bundeswehr beschreiben, den die Verteidigungsministerin am heutigen Mittwoch in Berlin eröffnet hat. 40 Quadratmeter Ladenlokal im Herzen der Stadt, direkt gegenüber vom Bahnhof Friedrichstraße, rechts neben Rossmann. Grauer Teppich, Stehpulte, an den Wänden großflächige Fotos, täglich geöffnet von neun Uhr morgens bis abends um acht, außer sonntags.
Über dem Eingang markante blaue Schrift: „Wir. Dienen. Deutschland“. Im Schaufenster heißt es: „Bundeswehr in Führung. Aktiv. Attraktiv. Anders.“
„Hier kommen ja viele Touristen vorbei“, sagt Jörg Jankowsky vom Berliner Karrierecenter der Bundeswehr, einer Art militärischer Berufsberatung. „Die können dann vorstellig werden im Showroom. Wenn sie für sich befunden haben, ja, Bundeswehr, das will ich machen, dann werden sie eingeladen zu einem Zweitgespräch.“
Mangel und Schnupperkurse
Protokollsoldat, Marinebootsmann, Sanitäterin, Feuerwehrmann, Jurist, Bürokraft, Tierarzt. Bei der Bundeswehr kann man nahezu alles werden, in einer Berufsausbildung und in 55 Bachelor- und Masterstudiengängen. Die Bundeswehr lockt mit eigenen Hoch- und Fachschulen, mit 75 Ausbildungsorten und diversen Fortbildungen.
Aber seit die Wehrpflicht weggefallen ist, hat die Bundeswehr generell Probleme, Kader zu rekrutieren. 24.800 junge Männer und Frauen haben sich im vergangenen Jahr für eine zivile Laufbahn bei der Bundeswehr beworben, 58.000 für den Militärdienst. Genommen hat die Organisation 2.200 bei den „Zivilen“ und 20.000 fürs Militär.
Zur Showroom-Eröffnung hat sich die Ministerin sicherheitshalber junge Menschen eingeladen, die sich schon länger für die Bundeswehr interessieren: 14 Mädchen und Jungen einer 10. Klasse eine Berliner Sekundarschule. Manche waren schon vier Mal auf „Schnupperkurs“ bei der Bundeswehr: in Kasernen, im Verteidigungsministerium, im Karrierecenter.
Jetzt sitzt von der Leyen vor ihnen auf einer Hochbank, schwarze Hose, beigefarbener Blazer. Die Beine übereinander geschlagen, die Arme verschränkt. Sie lacht viel, schaut nach links, schaut nach rechts, nickt. So kennt man sie. Ursula von-der-Leyen-Show im Showroom. Draußen vor der Tür drängeln sich Journalisten. Dahinter hat ein Dutzend Militärgegner Transparente ausgerollt: „Schule ohne Militär“ steht darauf. In Sprechchören rufen sie: „Kein Werben fürs Sterben.“ Einer brüllt: „Neonazis raus aus eurem Verein.“
Fliegende Wortfetzen
Das macht es schwer, das Pressestatement der Ministerin nach ihrem Austausch mit den bereitwilligen Schülerinnen und Schülern zu verstehen. Wortfetzen fliegen durch den tristen Berliner November: Ausbildung etwa, Taliban und Auslandseinsatz. Machmal rutscht ein vollständiger Satz rüber: „Wenn wir über die Bundeswehr reden, schärft sich auch das Bild, wie viele Berufe es bei der Bundeswehr gibt“, sagt von der Leyen.
Plötzlich verstummt der Chor ihrer Gegner. Die Ministerin ist trotzdem kaum zu verstehen. Sie scheint in die Mikros der Journalisten Sätze zu flüstern wie: „Entscheidend ist, dass der Export von terroristischen Aktivitäten aus Afghanistan heraus eingedämmt werden muss.“
53.000 Berufssoldaten hat die Bundeswehr derzeit. Dazu noch 120.00 Zeitsoldaten und etwa 10.500 freiwillige Wehrdienstleistende. 4.700 Soldatinnen und Soldaten sind im Ausland eingesetzt.
Nadine ist 15 und hat sich gerade mit Ursula von der Leyen fotografieren lassen. Würde sie ins Ausland gehen? Nach Afghanistan? Keine Ahnung. Gerade überlegt sie, ob sie bei der Bundeswehr eine Ausbildung zur Bürokraft macht oder doch lieber etwas im medizinischen Bereich. Und dann sagt Nadine: „Die Ministerin ist sehr kinderfreundlich und sehr humorvoll.“
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