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Kolumne Luft und LiebeDieser schwule Schnickschnack

Es braucht keine „Pick-up-Artists“, wenn es um Gender-Stereotype geht. Fragen Sie einfach mal Berliner Oberstufenschüler.

Vielfalt ist manchmal auch unübersichtlich. Bild: cw-design / photocase.de

A ch, man muss das nicht machen. Man muss dieses „Sexuelle Vielfalt“-Zeugs nicht in der Schule unterrichten. Über Stereotype reden, über sexuelle Orientierungen, verschiedene Lebensformen. Man muss all die zarten Seelen nicht mit dem Fickkram anderer Leute belasten. Die Vorstellung ist doch gruselig genug, dass da irgendwelche „Gender-Sexualpädagogen“ mit Dildos vor Kinderaugen rumwedeln. „Pornografisierung der Schule“ ist das, stand im Focus. Ja, ja, nö, nö, muss man nicht machen.

Dann bleiben die Jugendlichen eben so gebildete kleine Tierchen wie die OberstufenschülerInnen, die ich neulich in Philosophie unterrichten durfte. Es ging um Menschen als Subjekte und Objekte, um Diskriminierung und Sexismus. Gendersachen. Schwieriges Thema! Es ist nämlich kaum möglich „sachlich über Gender-Theorien zu streiten“, stand in der FAZ, weil die „Anhänger der Gender-Theorie“ alle so persönlich verstrickt in ihre Themen sind, „womöglich noch biographisch motiviert“. Geht mir ganz ähnlich. Ich wär gern aus purem finanziellen Interesse motiviert, aber ach, man sucht es sich ja nicht aus.

Der Unterricht: Ich hatte Titelseiten mitgebracht, mit nackten oder halbnackten Frauen, zu Themen wie Krebs, Esoterik und Treue. Witziger Zufall, dass der eingangs erwähnte Focus da ganz gut vertreten war. Dass so viele Themen mit nackten Frauen bebildert werden, das fanden die SchülerInnen „übertrieben“. Nur die zwei ganz vorne fanden’s geil und zeigten sich auf ihren Smartphones ähnliche Fotos.

Generell fanden es die meisten aber logisch, das mit den nackten Frauen, „sex sells“ und so. Auch logisch, wenn Männer Anzüge tragen und Frauen dünne Kleidchen. „Das ist von der Natur so vorgegeben“, sagte einer. „Frauen müssen aufreizen und Männer reagieren darauf. Das ist auch bei Tieren so: Weibchen sehen krasser aus als Männchen.“

Ein Sturm namens Lady Lukas

37 Millionen Erpel flatterten daraufhin empört auf und ein paar Löwen schüttelten genervt ihre Mähnen. „Okay“, korrigierte er, „bei Tieren ist es irgendwie andersrum, aber bei Menschen ist es so.“ Frauen müssen locken und Männer müssen sie dann halt nehmen. Buchen Sie keine teuren „Pick-up-Artists“, fragen Sie Berliner Oberstufenschüler!

Wobei denen durchaus diverse Konzepte von Geschlechteridentitäten bekannt sind. Dass Hurricanes mit weiblichen Namen tödlicher sind als solche mit männlichen, weil sie weniger ernst genommen werden, das fanden alle absurd. Der Vorschlag war dann, den Stürmen „Namen von Transsexuellen“ zu geben. Lange Diskussion, was das denn sein könnte. Ergebnis: „Lady Lukas“. Wobei das wiederum „auch schwul“ klang.

Kompliziert. Wir lasen einen kurzen Textauszug von Laurie Penny über das Wort „Schlampe“. Was wäre wohl ein vergleichbares Schimpfwort für Männer? „Schwul“, sagte einer, „schwul ist das Schlimmste, was man über einen Mann sagen kann.“ Warum? „Weil’s schwul ist.“

Doch, ich denke, man kann diesen schwulen Vielfalts-Schnickschnack an Schulen weglassen. Man sollte dann nur wenigstens stattdessen unterrichten, wann ein Argument gültig ist und wann nicht.

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Margarete Stokowski
Autorin
Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff
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14 Kommentare

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  • Ja isset denn!? Da will man einer Oberstufenklasse

    (junge Menschen die mit ihrem Abitur beweißen sollen, das sie Wissen nicht und wieder geben sondern auch damit arbeiten können)

    was über "sexuelle Orientierungen, verschiedene Lebensformen", "Menschen als Subjekte und Objekte, um Diskriminierung und Sexismus"

    erzählen, und da nehmen die das nicht einfach an sondern machen sich ihren eingenen Kopf. Skandal!!!

    Es sollte man als Pädagoix eingendlich wissen, dass es schwierig ist jungen Menschen zu erklähren was richtig und falsch ist,

    weil sie grundsätzlich alles in Frage stellen was Erwachsene ihnen erzählen.

    "gebildete kleine Tierchen" sind se dann.

    "Sex sells", habe sie richtig erkannt. Und Männer schauen sich gerne schöne Frauen an.

    Das war so, ist so und wird immer so bleiben. Da nützt alles erziehen nichts. Warum sollen pupertiernde Jungs auf dieses Vergnügen verzichten?

    Weil eine Lehrerin ihnen erzählt das das falsch ist!?

    Haben sie denn auch die, bis vor wenigen Jahren, für Männer verbindlichen Zwangsdienste Thematisiert?

    Die selstsame Tatsache, dass sich junge Männer vor alternden Frauen nackig machen und sich dann im Beisein junger hübscher Schriftführerinnen

    an den Genitalien rumtasten lassen mussten, hätte doch gut zum Thema Sexismus und Diskriminierung gepasst. Immerhin möchte man den jungen Männer doch erklähren,

    warum es schlimmer ist einer Frau auf den wohl geformten, in enger Jeans bekleideten, Hintern zu schauen als sich vor zwei Frauen nackig machen und sich betasten lassen zu müssen.

    Philosophie bedeutet doch "Liebe zum Nachdenken" und bietet sich als Schulfach geradezu an um über kontroverse Umstände "Nachzudenken".

    • @Marco Schmitt:

      "Pupertierende Jungs" wär ein prima Name für die kommende Boygroup.

  • "Man sollte dann nur wenigstens stattdessen unterrichten, wann ein Argument gültig ist und wann nicht."

    Mensch mag meinen das dies eigentlich die Grundlage für das Verständniss jedes Wissens ist, im heutigen Schulsystem ist davon aber nichts zu sehen. Niemand außer Philosophen weiß doch wie ein Argument wirklich funktioniert. Der wohl gravierendste Fehler unseres Bildungssystems, neben der fehlenden moralischen Bildung der Jugend natürlich.

    • @PhiloPunk:

      Einspruch: Eigentlich weiß so ziemlich jeder, wie ein Argument funktioniert - nämlich als Beweismittel für eine Aussage. Dazu muss man auch kein Philosoph sein. Nur die Qualität der Argumente lässt vielfach sehr zu wünschen übrig.

  • Meine Oberstufenzeut liegt 40 -jahre zurück. Als schwuler Jugendlicher reagierte ich natürlich sehr stark auch auf Bilder von halbnackten Männern in der Werbung, die es schon damals gar nicht so selten gab. Von wegen Männer immer nur im Anzug! In dem Alter ist das neu erwachte sexuelle Begehren gewaltig.

    Kann mir schon vorstellen, wieso da heterosexuelle männliche Jugendliche mit Abwehr reagieren, wenn da eine Tante ankommt, und ihnen erklären möchte, das Bilder von halbnackten Frauen schrecklich sind. Sie entwertet damit das sexuelle Begehren der männlichen Jungen. Eine neue Form der alten Prüderie und der alten Sexualfeindlichkeit, die mehr Schaden als Nutzen anrichtet.

  • Ja wenn die Schüler im Unterricht mit ihren Smartphones herumspielen dürfen, was soll denn dabei herauskommen? Dann kann man diesen Unterrichts-Schnickschnack tatsächlich gleich weglassen.

  • Das ist also heute Philosophie-Unterricht in einer Oberstufe!

    • @Age Krüger:

      Hier liegen die Probleme erkennbar viel tiefer, als nur in einem Desinteresse an "Gender-Kram".

       

      Weil wer zu wenig Gripps hat, um zu erkennen, dass sein Satz "schwul ist schlimm, weils schwul ist" eine sinnfreie Tautologie ist, dem kann man auch nicht damit helfen, dass man ihn über das Schwulsein aufklärt.

       

      Vergeudete Müh.

      • @Leo Ari:

        Da wäre ich eher vorsichtig, weil "schwul" bei diesem Satz "Schwul ist schlimm, weil's schwul ist" auch die mittlerweile umgangssprachliche Bezeichnung für "nicht mein Ding" bezeichnen könnte. Ich kenne mehrere jüngere Schwule, die den Begriff auch in diesem Sinne gebrauchen.

         

        Der Satz ist dennoch Schwachsinn, aber dann keine Tautologie mehr.

         

        Ich frage mich aber bei den ganzen nur, in welchen Zusammenhang die oben genannte Unterrichtsstunde im Philosophie-Unterricht eingebunden war. Baut man eine Gender-Debatte besser bei Nietzsche oder bei Schopenhauer ein?

        • @Age Krüger:

          "Ich frage mich aber bei den ganzen nur, in welchen Zusammenhang die oben genannte Unterrichtsstunde im Philosophie-Unterricht eingebunden war. Baut man eine Gender-Debatte besser bei Nietzsche oder bei Schopenhauer ein?"

           

          Ich bin da der genau gegenteiligen Meinung. Nietzsche und Schopenhauer kann man meinetwegen gerne in den Deutsch-Leistungskurs oder den Geschichtsunterricht verschieben. Philosophie (und der Philosophie-Unterricht in der Schule, sofern vorhanden), muss sich gerade mit den aktuellen gesellschaftlichen Themen, den aktuellen Konflikten um Normen und Werte beschäftigen!

           

          Und ihr Beispiel, dass "schwul" ja heutzutage eher "nicht mein Ding" bedeuten würde... glauben Sie das eigentlich selber? "Schwul" ist nach wie vor das Label, mit dem Männern - ob tatsächlich schwul, vermeintlich schwul oder auch gar nicht schwul - die Männlichkeit und damit die Existenzberechtigung als biologisch männliches Individuum abgesprochen wird. Gehen Sie mit ihrer mehreren jüngeren Schwulen doch mal auf einen Schulhof. (wobei, das könnte auch seltsam rüberkommen...)

        • @Age Krüger:

          Stimme Ihnen zu.

           

          Außer in einem Punkt und zwar das "schwul" mittlerweile diese Beudeutung hat.

           

          Dies war zu meiner Schulzeit vor 20 Jahren nämlich auch schon so. Schwul war ein Synonym für schlecht, kaputt, minderwertig usw.

           

          Ich würde das allerdings nicht überbewerten. Es ist das Privileg von Kindern, dummes Zeug zu reden ohne sich Gedanken darüber zu machen, was es wirklich bedeutet. Und irgendwann wächst man da heraus.

          • @Leo Ari:

            Es mag sein, dass man Kindern und Jugendlichen einen gewissen Welpenschutz zugestehen muss, aber wenn entwertende Sprache entwertendes Denken offenbart, sollte man darauf hinweisen, Du Opfer...

          • @Leo Ari:

            Diese sogenannten "Kinder" sind 18-19 Jahre alt und dürfen wählen.

          • @Leo Ari:

            zu Officer Doofy:

            Auch hier können wir den Lackmustest machen: Würden Sie genauso darüber reden, wenn (und das ist bisweilen tatsächlich der Fall) Jugendliche "du Jude" als Schimpfwort verwenden? Nicht überbewerten, hat gar nichts zu bedeuten, da wachsen die raus?