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Syriza fordert SchuldenerlassGriechen für deutsche Lösung

Im Londoner Abkommen wurde Berlin 1953 ein Teil der alten Schulden erlassen. In Athen fordert nun Syriza einen vergleichbaren Schritt.

Brauchen die Griechen den Schuldenerlass? Die linke Partei Syriza denkt: schon. Bild: ap

BERLIN taz | Auch wenn die Bundesregierung eine solche Lösung für die Griechenlandkrise derzeit vehement ablehnt: Deutschland hat selbst einmal von einem Schuldenerlass profitiert. 1953 erließen die Westalliierten der frisch gegründeten Bundesrepublik rund die Hälfte der Altschulden – und erleichterten damit den Start ins Wirtschaftswunder.

London, acht Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs: Die USA, Großbritannien und Frankreich sind zum Kompromiss bereit.

Knapp 30 Milliarden Mark schleppt die Bundesrepublik als Rechtsnachfolger des Dritten Reiches noch an Altschulden mit, unter anderem resultieren sie noch aus dem Versailler Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg. Dem ehemaligen Deutsche-Bank-Manager Hermann Josef Abs gelingt es, die Forderungen auf knapp 14 Milliarden Mark herunterzuhandeln. Rund 16 Milliarden Mark – umgerechnet auf heutigen Wert etwa 28 Milliarden Euro – werden erlassen. Den Rest zahlen die Deutschen in zumutbaren Raten aus Exporterlösen ab. Die Höhe der Zahlungen lässt genug Spielraum im Bundesetat für den Wiederaufbau.

„Die Wiederherstellung ihrer Kreditwürdigkeit war eine wichtige Voraussetzung für die Reintegration der Bundesrepublik in das Netz der internationalen Wirtschaft“, schreibt der Historiker Werner Abelshauser. Interessanterweise gehörte damals auch Griechenland zu den Unterzeichnern des Londoner Abkommens. In Athen fordern Politiker die Bundesregierung nun auf, sich ebenso wohlmeinend zu verhalten. John Milios, Chefökonom der linken Partei Syriza, sagte Spiegel Online: „Die Eurozone sollte für Griechenland eine ähnliche Lösung finden.“

Staatsschulden von etwa 320 Milliarden Euro

Syriza werden gute Chancen zugesprochen, nach den Wahlen Ende Januar den nächsten Regierungschef zu stellen. Auch Attac unterstützt die Forderung. „Griechenland braucht dringend eine Erleichterung, um gegen die Krise handlungsfähig zu werden“, sagt Werner Rätz vom Koordinierungskreis der Globalisierungskritiker. Auch Ökonom Werner Sinn vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung befürwortet einen Schuldenschnitt – meint aber, dass die Griechen die gemeinsame Eurowährung verlassen und zur Drachme zurückkehren müssten.

Trotz der Sanierungsbemühungen steigen die Staatsschulden in Griechenland. Inzwischen haben sie eine Größenordnung von etwa 320 Milliarden Euro erreicht – trotz eines Schuldenschnitts vor allem für private Gläubiger im Jahr 2012. Rund zehn Prozent des Staatshaushalts gehen für Zinsen drauf. Damit kann also weder die Wirtschaft angekurbelt noch die Armut gelindert werden.

Allerdings: Das Staatsdefizit sinkt und die Wirtschaft beginnt wieder zu wachsen. Deshalb beharrt Berlin darauf, dass das südeuropäische Land den bisherigen Weg fortsetzen müsse. Schuldenerlasse sind nicht ungewöhnlich. Deutschland hat sich beispielsweise an einem entsprechenden Programm zugunsten von Entwicklungsländern beteiligt. In den 50er Jahren hatten die Siegermächte Interesse an einem prosperierenden Westdeutschland als Teil ihres Bündnisses. Der Kalte Krieg hatte damals begonnen und in Asien war der Koreakrieg im Gange.

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15 Kommentare

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  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    Der Prophet von Cambridge: John Maynard Keynes sagte 1919 die Katastrophe voraus, in die der Vertrag von Versailles führte.

    http://www.spiegel.de/einestages/j-m-keynes-und-der-frieden-von-versailles-der-prophet-von-cambridge-a-948386.html

  • Die Syriza Forderung wird, wenn ich mich recht erinnere, auch vom IWF unterstützt oder nicht? Dieser ist nun nicht gerade als Hort linker Geldpolitik bekannt...

    Ich jedenfalls denke auch, dass ein wichtiger Schritt zur Sanierung des öffentlichen Haushalts ein Schuldenschnitt wäre, der sicherlich vor allem öffentliche Forderungen umfassen würde.

    Bezeichnend, aber nicht überraschend ist, dass ,,unsere" Bundesregierung meint, dass die wirtschaftlichen Daten Griechenlands wahrlich positive Anzeichen liefern würden, weshalb man nun ein ,,bloß weiter so!" ausruft. ,,Das Staatsdefizit sinkt und die Wirtschaft beginnt wieder zu wachsen."

    Griechenlands Wirtschaft wuchs im letzten Jahresquartal im Vgl. zum vorherigen um 0,7 Prozent, was in hiesigen Medien Jubelstürme ausgelöst hat. Die Arbeitslosigkeit liegt noch immer bei rund 25 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit sogar bei knapp 50. Seit Beginn der Austeritätspolitik ist die Arbeitslosigkeit stark angestiegen und dieser Trend ist noch nicht abgewendet. Zudem ist die Binnenmachfrage geradezu lächerlich gering, was logische Folge der Arbeitslosigkeit und prekären Beschäftigung durch Liberalisierung und Flexibilisierung des Arbeitslebens ist...

    Der Tourismusboom (der ja nur saisonal bedingt ist (17 Prozent mehr Besucher als zuvor, was sich bei einer dahinsichenden Wirtschaft bereits stark bemerkbar macht)) ist hauptverantwortlich für die ,,boomenden" Wachstumszahlen. Zudem darf man nicht vergessen, dass auch wirtschaftlich zu Grubde gerichtete Ökonomien irgendwann wieder zu wachsen beginnen.

    Man könnte noch viele weitere Gründe anführen, ich spare mir es aber lieber... Zum Feiern oder am Kurs festzuhalten, weil alles dufte sei, wäre mir nicht zu Mute... Der Bundesregierung offensichtlich schon. Nun denn...

  • Keine Verjährung für das Kapital der Bundesrepublik Deutschland.

     

    Für historische Verbrechen und materielle Wiedergutmachung gibt es keine Verjährung.

     

    Nimmt man die bundesdeutsche Ökonomie zur Grundlage einer Aufrechnung, so müsste die Bundesrepublik Deutschland heute an die Nachfolgestaaten der vormaligen Sowjetunion wenigstens 20.000 Milliarden Euro (Zwanzig Billionen) an berechtigter Wiedergutmachung zahlen. Dabei kann man die verlorenen Menschenleben niemals verrechnen. Auch dürfte Polen heute einen berechtigten Anspruch gegenüber dem Nachfolgestaat des kapitalfaschistischen Dritten Reichs von wenigstens 6.000 Milliarden Euro haben. Hierfür müssten alle großen Privat- und Kapitalvermögen in der Bundesrepublik Deutschland herangezogen werden. Insbesondere die Unternehmen, Personen und Erben, die an den Verbrechen im Kapitalfaschismus von 1933 bis 1945 unmittelbar und mittelbar beteiligt waren. Von einer demokratischen, freiheitlichen und menschenrechtlichen Gesellschaftsordnung wäre dies zu erwarten. Die hierfür notwendigen ideologischen, humanistischen und politischen Voraussetzungen sind aber im heutigen Deutschland nicht gegeben.

    • @Reinhold Schramm:

      Das Thema Reparationen ist durch. Endgültig. Der 2. WK ist Geschichte.

       

      "Hierfür müssten alle großen Privat- und Kapitalvermögen in der Bundesrepublik Deutschland herangezogen werden."

       

      Dieser Satz wäre vor 50 Jahren völlig richtig gewesen. Allerdings lebt heute kaum noch jemand, der in der Nazizeit volljährig war. Die nachfolgenden Generationen haben sich ihren eigenen Wohlstand geschaffen und sie sind nicht für die (Un-) Taten ihrer Vorfahren haftbar. Und was ist mit dem Vermögen von Zuwanderern? Wollen Sie ernsthaft einen Geschäftsmann türkischer Abstammung für die Verbrechen des 3. Reiches bluten lassen?

      • 7G
        7964 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        "Die nachfolgenden Generationen (...) sind nicht für die (Un-) Taten ihrer Vorfahren haftbar."

         

        Das ist zu einfach gedacht. Natürlich sind die Deutschen - nicht als Individuen - aber als Volk verantwortlich. Ansonsten hätte man Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg komplett "auflösen" müssen, wie es übrigens nicht nur de Gaulle vorgeschlagen hatte.

         

        Als Repräsentanten eines Volkes - und das sind nicht nur die Regierenden, sondern auch du und ich - sind wir für die Taten und Untaten verantwortlich. Entweder Volk mit Verantwortung oder eben kein Volk und keine Verantwortung.

        • @7964 (Profil gelöscht):

          " Natürlich sind die Deutschen - nicht als Individuen - aber als Volk verantwortlich."

           

          Eine Menge unschuldiger Individuen ist als Gesamtheit schuldig? Willkommen in der völkischen Rassentheorie...

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Die ökonomische, ideologische und politische Wurzel ist die historische bürgerlich-kapitalistische Gesellschaftsformation. Der Imperialismus auf der Grundlage des Privateigentums an den gesellschaftlichen Produktionsmitteln und des bürgerlich-ideologischen Nationalismus (Militarismus, Antisemitismus und Rassismus).

             

            Sozialdarwinismus und Rassentheorie sind historische Herrschaftsideologie, so im Feudalismus und Frühkapitalismus, im Kapitalismus und Imperialismus. Auch in der (modifizierten) sogenannten "Sozialen Marktwirtschaft" der herrschenden deutsch-europäischen Finanz- und Monopolbourgeoisien -- und deren ökonomischen, geo-militärischen, ideologischen und gesellschaftspolitischen (analogen) BND-Überwachungs- und NATO-Administrationen.

             

            Rassismus bzw. Biologismus ist ein ideologisches kapital-faschistisches Ablenkungsmittel von der realen Macht, Herrschaft und Gewalt des Kapitals (des Finanz- und Monopolkapitals: der Finanz- und Monopolbourgeoisie und Administration).

            • @Reinhold Schramm:

              Danke für den Auszug aus den Unterlagen fürs FDJ Studienjahr. Meinen Sie, mit solch sperrigen Sätzen erreicht man im 21. Jahrhundert jemanden?

              • @warum_denkt_keiner_nach?:

                Sie müssen damit aufhören, ihre antikommunistische und kleinbürgerliche Ideologie zu bemühen, indem Sie Unterstellungen anwenden. Denken Sie über den Inhalt des Kommentars nach und überwinden Sie ihre Vorurteile.

                • @Reinhold Schramm:

                  In mir steckt vielleicht mehr Kommunismus, als sie glauben. Allerdings hat es mich schon in der DDR gestört, wenn einfach nur irgendwie passende Schlagwörter aneinandergereiht wurden, um komplizierte Dinge zu "erklären". Mit solch einer Art "Argumentation" erreicht man nur sehr schlichte Gemüter. Die Klassiker würden im Grabe rotieren.

        • @7964 (Profil gelöscht):

          Völkische Argumentation. Im Prinzip rassistisch. Das Individuum in Sippenhaft nehmend. Was hat ein Kind das vor 30 Jahren auf die Welt kam mit irgendwelchen Verbrechen zu tun? Was das Kind vor 20, 10 Jahren? Was das Kind heute das soeben auf die Welt kommt? Weil es deutsch ist? Waren überhaupt damals wirklich alle Nazis, auch die heute 90 jährige Omi? Ist das nicht eine Stigmatisierung ein Brandmal? Es ist völlig richtig, dass die Historie aufrecht erhalten wird, den Verbrechen gedacht wird, auch als warnendes Erbe an die Menschheit, was passieren kann wenn der kollektiv nationalistische Wahnsinn um sich treibt. Wenn das Mitläufertum in Politik, Medien, Eliten aus Bequemlichkeit einen gleichgeschalteten Kurs fährt und diesen auf ein Kollektiv, das Volk, überträgt. Aus kollektiver Korrektheit Feindbildmaschinen anlaufen. Die Frage ist ob in der breiten Mase solche Schlüsse gezogen werden um künftige Katastrophen zu verhindern. Ich wage das zu bezweifeln, siehe aktuelle Krisen, wo nur allzu leichtfertig Meinungsmache betrieben wird. Es ist auch richtig, dass ein Staat für die Konsequenzen die daraus resultierten einsteht. Aber wenn das dann zu einer Art Erpressernummer mutiert. Das ist falsch. Die historische Schuld bleibt bestehen, so oder so. Aber aktuelle und kommende Generationen dafür in Sippenhaft zu nehmen, falsch.

        • @7964 (Profil gelöscht):

          Na dann schreiben Sie doch einen Scheck über ihr privates Vermögen und schicken diesen Zweckgebunden an die UN.

  • Wenn es zum Bruch zwischen Berlin/Brüssel und Athen käme, wem würden sich die Griechen zuwenden? Russland vielleicht?

    Kann das im Interesse der EU sein?

    Ich denke doch eher nicht. Ein Schuldenschnitt und ein anständiges Aufbauprogramm wären ein wichtiges und Notwendiges um den Griechen und anderen "Wackelkandidaten" zu Zeigen das die EU ein solidarischer dem Wohlstand aller Nationen verpflichteter Staatenbund ist.

  • Wenn es zum Bruch zwischen Berlin/Brüssel und Athen käme, wem würden sich die Griechen zuwenden? Russland vielleicht?

    Kann das im Interesse der EU sein?

    Ich denke doch eher nicht. Ein Schuldenschnitt und ein anständiges Aufbauprogramm wären ein wichtiges und Notwendiges um den Griechen und anderen "Wackelkandidaten" zu Zeigen das die EU ein solidarischer dem Wohlstand aller Nationen verpflichteter Staatenbund ist.

  • Ich hoffe auch, dass die Reparationszahlungen Deutschlands wegen der Verbrechen während der Deutschen Besatzung beglichen werden.