Kolume Über Ball und die Welt: Dschungelcamp seriöser als Fifa
Die Fifa behauptet, sie habe mit Politik nichts zu tun. Und den Bewerbern auf den Chefposten ist wenig zuzutrauen. Vielleicht bietet genau das eine Chance.
E igentlich fehlt nur noch der Walter Freiwald unter den Gestalten, die sich um das höchste Amt des Weltfußballs beworben haben, die Fifa-Präsidentschaft. Im Mai wird gewählt. Gucken wir uns die Herren Bewerber mal genauer an: Das ist zunächst der 78-jährige Amtsinhaber, der wieder antritt und von „interplanetarischen Meisterschaften träumt – vermutlich, um nach dem Traumfinale Venus vs. Jupiter einen Pokal übergeben zu dürfen.
Ein prominenterer Konkurrent ist ein 39-jähriger Prinz, der schon einmal die Leibgarde des Königs befehligt hat. Dann gab es auf der Bewerberliste noch einen niederländischen Spielervermittler, einen früheren Weltfußballer (nein, es ist nicht Lothar Matthäus), der, seit er keine Trikots mehr tragen darf, sich als „Markenbotschafter“ eines Finanzdienstleisters verdingen muss, und wir haben zwei ewige Verbandsfunktionäre, die im Apparat ein wenig hochklettern wollen.
Auch ein französischer Diplomat hat sich beworben, der schon die Fußballverbände von Palästina, Kosovo und Zypern beraten hat – bestimmt megaerfolgreich. Fehlt nur noch der Exprofi, der für einen irischen Wettanbieter kandidiert.
Das sind die Herren, die tatsächlich glauben, sie könnten den Weltfußball führen. Bei so viel Kompetenz ist es keine polemische Überspitzung, wenn man feststellt, dass das Personal, das sich in rheinischen Kleinstädten um das Amt des Karnevalsprinzen drängelt, nachweislich seriöser ist. 1985 etwa hatte die bei Köln gelegene Kreisstadt Siegburg mit Prinz Wolfgang I. einen echten Fußballweltmeister zum Prinzen gekürt, Wolfgang Overath.
Weitgehend lebensuntauglich
Die Macht der Fifa, die demnächst in deutlich halbseidenere Hände gelegt werden soll (oder in solchen bleiben soll – vermutlich bleibt ja alles beim Alten, 78), basiert ganz wesentlich darauf, dass sie unterschätzt wird. „Ist ja nur Fußball“, heißt es, „ist ja die schönste Nebensache der Welt“. Verbandsfunktionäre gelten gemeinhin als ältere Herren, die, wenn sie nicht gerade Pokale überreichen, weitgehend lebensuntauglich sind, von ihren Ehefrauen in Vorstandssitzungen geschickt werden, wo sie nicht selten dem Alkohol zugeneigt sind.
Sehr hilfreich für diese Unterschätzung der Funktionäre und ihres Verbandes, der immerhin jährlich einen mehrstelligen Milliardenumsatz erwirtschaftet, ist die Behauptung, das habe nichts mit Politik zu tun, vielmehr stehe die Fifa für die Gesundheit aller Menschen, gegen Hass und Diskriminierung, für die Völkerverständigung, gegen das Böse, für das Gute.
Auf dieser völligen Entpolitisierung basiert die Macht der Fifa. Aber zugleich ist sie der Grund, warum ihre Macht so wackelig ist, dass sogar Finanzjongleure, die in keiner Sparkassenfiliale die Probezeit überstünden, sich Chancen aufs Weltführungsamt ausrechnen.
Wenn der organisierte Fußball die juristische, politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit bekäme, die er verdient, hätte das die üblichen Modernisierungsprozesse zur Folge: professionelle Manager, Offenlegung von Bilanzen et cetera. Sogar ein Mindestmaß an demokratischer Kontrolle wäre denkbar, analog zu Mitbestimmungsinstanzen, die in entwickelten Industrieländern die Macht von Unternehmen zwar nicht eindämmen, aber doch ein wenig transparenter machen.
Das fehlt bei der Fifa, und damit wird auch klar, warum der „Preis ist heiß“-Verkäufer Walter Freiwald, der im RTL-Dschungelcamp bekannt hatte, er wäre gerne Bundespräsident geworden, für die Fifa eine Nummer zu seriös ist. Aber denken wir doch positiv: Mit einem Profi wie Walter Freiwald hätte die Fifa vermutlich länger Bestand; mit dem sich derzeit um den Chefposten kloppenden Personal hingegen stehen die Chancen, dass wir diesen Laden irgendwann mal so gründlich los sind wie die FDP, gar nicht schlecht.
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