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Kommentar Linke und EU-KrediteEin Schrittchen in Richtung Realpolitik

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Dass die Linke den Finanzhilfen zustimmt, ist richtig. Alles andere ist zynischer Verbalradikalismus, der Griechenland ins Desaster stürzen würde.

Hier hofft man auf die Zustimmung der Linken: das Parlamentsgebäude in Athen Bild: dpa

D ie Linksfraktion ist, anders als bisher, nicht mehr gegen EU-Kredite für Athen. Die Bedingungen für Griechenland sind zwar nur ein wenig besser als bisher, allerdings regiert nun Syriza – und damit gibt es die Chance einer gerechteren Politik in Athen. Wer den Wandel des Abstimmungsverhaltens der Linksfraktion für inkonsequent hält oder doch mit Nein stimmt, folgt der Logik der Sekte. Erst muss die Welt perfekt sein, ehe sie es verdient, akzeptiert zu werden.

Ein Nein ist auch deshalb hohler, ja zynischer Verbalradikalismus, weil damit für abstrakte Gesinnungsreinheit eine Katastrophe für Griechenland in Kauf genommen wird. Denn der Zwangsaustritt aus dem Euro hätte für die Ärmeren in Griechenland noch verheerendere Folgen als die von der Troika verordnete Sparpolitik. Schlimmer als der Euro ist für Athen nur kein Euro.

Griechenland, das sogar Nahrungsmittel importieren muss, würde mit einer radikal abgewerteten Drachme und ohne Zugang zu Finanzmärkten auf eine nationale Katastrophe zusteuern. Ganz Griechenland? Keineswegs – denn das obere Fünftel hat seine Euro in Sicherheit geschafft. Allein im Januar sind 12 Milliarden Euro ins Ausland transferiert worden – Tendenz steigend.

Syriza ist ein Symbol, auch für die Linkspartei. Wer regiert, bekommt es mit mächtigen Gegnern und Sachzwängen zu tun und muss Kompromisse schließen. Ja, man kann, muss viel an dem realpolitischen Deal kritisieren, den Tsipras mit der EU ausgehandelt hat. Dass die Genossen großteils diesen Deal unterstützen, zeigt, dass die Linkspartei doch noch Bodenhaftung hat. Die nächste Prüfung in Sachen Politikfähigkeit dürfte ins Haus stehen, wenn der Erfurter Ministerpräsident Bodo Ramelow im Bundesrat bei Strittigem zustimmt. Die Linkspartei bewegt sich in Richtung Realpolitik. Jedenfalls in Zeitlupe.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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3 Kommentare

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  • Wesentlich ist doch die Entkopplung der Kreditvergabe an die halsbrecherischen Bedingungen.

    Die reine Marktlösung, die Generierung von Konjunktur, diese Ideen zeigen in der Praxis perverse Wirkungen: je niedriger die Einkommen und je privater öffentlichen Versorgungsstrukturen, desto besser - für die Bonität eines Landes.

     

    Klar her mit dem Geld, aber nicht zu den unmenschlichen Bedingungen.

  • Rettungspaket.

     

    Und wieder eine dieser Sprachregelungen. Eine Wortkapsel.

     

    Wer wird da gerettet? Die Opfer, die Bevölkerung ohne Einkommen oder Zugang zu ärztlicher Versorgung?

     

    Wohl kaum; Da war von Lebensmittelkarten die Rede, und auch dass nur, wenn keine zusätzlichen Kosten entstehen.

     

    Wer ist der Retter? Die Geldgeber.

     

    Auch hier muss man sich doof stellen, um zu übersehen, dass hier Kredite, also Zahlungsverpflichtungen, vergeben werden. Das geliehene Geld, und mehr als diese Ausgangssumme, fließt zurück zu diesen "Wohltätern". Die Samariter selbst, sind sich nicht sicher ob die damit eben steigenden Zahlungsverpflichtungen überhaupt von Griechenland zu leisten sind. Dieselben Kredite werden populistisch wie ein Geschenk kommuniziert, um anschließend die Rückzahlungswilligkeit zu bezweifeln. Gerade die "Wahlgeschenke", jede Rücksicht auf Bevölkerung, dient hier als Nachweis.

     

    Dieselbe Kreditsumme, Griechenland fordert teilweise(Schulden)Streichung, Europa besteht auf Einhaltung von Verträgen, ginge im Fall eines Grexit verloren. Selbst ein Totalausfall derselben Kredite ist den Rettern lieber als ein Bruch ihrer Prinzipien.

     

    Diese Sorte Rettung nutzt das Notleiden von Bevölkerung, in beiden Fällen, Grexit oder Programmfortsetzung, als Verhandlungsargument und Erpressungsmittel gegen die Bittsteller. Lieber nehmen diese Retter den Bankrott ganzer Staaten hin, und schreiben dann auch das Geld ab, als das Prinzip dieser, ihrer, Bereicherungsquelle zu verzichten. Das nennt man dann Vertrauen, was sich bekanntlich leicht verflüchtigt. Dann ist man Zahlungsunfähig, in deren Welt, wo alles deren Preis hat.

     

    Das ist der Inhalt der Wortkapsel "Rettungspaket". Dankeschön.

  • Herr Reinecke erteilt der Linken Absolution ... wie wunderbar.

    Sie hat "doch noch" Bodenhaftung hat er ihr zugestanden und bewege sich in die von Herrn Reinecke als "Realpolitik" angesehene und somit richtige Richtung.

    Sei vielfach bedankt, oh Herr, für deine milden Worte.