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Kommentar Rede NetanjahuEin gewiefter Stratege

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Den engsten Bündnispartner USA brüskiert und den Iran dämonisiert: Was genau will der israelische Premierminister Netanjahu eigentlich? Viel.

Breitseiten auf allen Kanälen: Israelis diskutieren über Netanjahus Worte. Bild: ap

W ie verzweifelt muss jemand sein, um eine solch absurde Rede zu halten, wie der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu am Dienstagabend vor dem US-Kongress in Washington zum iranischen Nuklearprogramm?

Eine Rede, gespickt mit vom eigenen Geheimdienst Mossad längst widerlegten Lügen und Übertreibungen. Und eine Rede voller Anwürfe gegen die USA, immerhin seit der Gründung Israels vor fast 70 Jahren der wichtigste Verbündete des Landes. Nancy Pelosi, demokratische Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus und bislang wahrlich nicht als Kritikerin der israelischen Politik aufgefallen, empfand die Rede als „so selbstgefällig und beleidigend“, dass sie „mit den Tränen gekämpft“ habe.

Netanjahus Auftritt habe sie „an Dr Strangelove erinnert“, meinte die bekannteste Politikjournalistin der USA, Christiane Amanpour in Anspielung auf Stanley Kubricks berühmte Kalte-Kriegs-Satire. Darin löst ein paranoider, von sowjetischen Angriffsabsichten überzeugter US-General beinahe einen Atomkrieg aus.

Möglicherweise war Netanjahus Auftritt in Washington aber keineswegs paranoid, sondern entsprach – inklusive des Affronts gegen die Obama-Administration – einem kühlen Kalkül. Zum einen kurzfristig, um seinen Sieg bei den Wahlen in knapp zwei Wochen zu sichern. Denn angesichts des weitgehend demolierten Linksliberalismus in Iraels spielt sich der Kampf um die wahlentscheidenden Stimmen nur noch innerhalb des Blocks aus rechtskonservativen, rechtsradikalen, nationalreligiösen und orthodoxen Parteien ab.

Wobei jede der in diesem Block versammelten Parteien die je andere rechts zu überholen trachtet: je nationalistischer, je populistischer, je fremden-, europa- und weltfeindlicher, desto besser.

Verhandlungen über das iranische Nuklearprogramm gefährdet

Zum zweiten könnte Netanjahu mit seiner Beschwörung der angeblich drohenden iranischen Atombombe als wichtigster und einziger Herausforderung im Nahen und Mittleren Osten von seiner desaströsen, selbstzerstörerischen Palästina-Politik ablenken, die tatsächlich die größte Gefährdung darstellt für eine gesicherte Existenz Israels.

Das ist Netanjahu schon einmal gelungen, nachdem US-Präsident Barak Obama in seiner Kairoer Rede vom April 2009 eine „gerechte Zweistaatenlösung“ zum Ziel seiner Administration erklärt und von Israel den vollständigen Stopp des völkerrechtswidrigen Siedlungsbaus im Westjordanland verlangt hatte.

Auch diesmal könnte Netanjahus Kalkül aufgehen. Das von ihm vehement bekämpfte Abkommen zum iranischen Nuklearprogramm ist keineswegs in trockenen Tüchern. Mit seiner Rede hat Netanjau die Republikaner in ihrer Absicht ermuntert, mit ihrer Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses neue Sanktionen gegen Teheran zu verhängen.

Das könnte die laufenden Verhandlungen über das iranische Nuklearprogramm gefährden und Iran im Extremfall sogar dazu bewegen, das im November 2013 mit den fünf Vetomächten des UN-Sicherheitsrates und Deutschland (P5+1) vereinbarte Zwischenabkommen aufzukündigen und das seitdem eingefrorene Programm zur Urananreicherung wieder hochzufahren. Das würde Netanjahu dann erst Recht als „Beweis“ dienen für die Atombombenabsichten Irans.

Doch selbst wenn die Verhandlungen zwischen Teheran und den P5+1 bis zur gesetzten Frist Ende März eine Vereinbarung erbringen sollten, ist ein Abkommen noch längst nicht ratifiziert und in Kraft, die von Teheran angestrebte Aufhebung der Wirtschaftssanktionen ist noch nicht vollzogen. Die Kongressrepublikaner in Washington werden dem verhassten Präsidenten Obama diesen außenpolitischen Erfolg nicht gönnen und eine Ratifizierung des Abkommens mit Teheran bis zum Ende seiner Amtszeit im Dezember 2016 verweigern.

Das könnte dazuführen, dass die Hardliner in Teheran den Verhandlungskurs von Präsident Hassan Rohani beenden und der Iran wieder auf Konfrontationskurs mit den USA geht. Nicht auszuschließen, dass Netanjahu nicht nur seine Wiederwahl zum Premierminister gewinnt, sondern sich am Ende – nicht zuletzt dank seiner Rede vom Dienstag – auch als Sieger über Obama fühlen wird.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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7 Kommentare

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  • "Iran wieder auf Konfrontationskurs mit den USA geht" - da hat wohl jemand wieder keine Zeitung gelesen... Die letzten 30 Jahre nicht.

     

    Das ist ein von Verharmlosung und Täter-Opfer-Umkehr strotzender Text. Die taz will unbedingt an die Leserschaft der Jungen Welt. Warum?

    • @Felix Riedel:

      wenn man 1979 mit dem zeitung-lesen anfängt, dann wird es noch viel interessanter!

      bloß: mit "Verharmlosung und Täter-Opfer-Umkehr" kehrt sich das dann wieder um und um und um bis zum drehwurm.

      meine empfehlung: immer erst vor der eigenen haustür kehren!

  • "Darin [im Film Dr. Strangelove] löst ein paranoider, von sowjetischen Angriffsabsichten überzeugter US-General beinahe einen Atomkrieg aus. "

     

    Er löst ihn am Ende tatsächlich aus weil die Kette der initiierten Abläufe nicht mehr zu stoppen ist.

  • sicherlich könnte an dem kalkül, so es denn eines ist, das eine oder andere aufgehen.

    aber genausogut könnte der schuß nach hinten losgehen.

    und dann würde es bitter. schließlich gibt es in nah-ost nicht nur den einen 'partner'.

  • Netanjahu wird überhaupt nichts bewirken. Es wird auch ohne Ihn kein Abkommen geben. Der Iran würde nur zustimmen wenn es im US Parlament eine Mehrheit gibt und diese ist nicht in Sicht. In den letzten 18 Monaten hat sich das globale Gewicht verschoben. Der Iran kann aus der IAEA austreten. Gibt es kein Abkommen werden Russen und Chinesen den bilateralen Weg ebnen um mit dem Iran Handel zu treiben. Z.B Ueber ein Freihandels-abkommen der Eurasischen Union. Ausgenommen werden dann nur noch "Hochrisiko Güter für das Militär".

    Für die Russen könnten 70 Mio Kunden wichtiger sein - als noch eine Boykottrunde des Westens.

    Kann man den Iran von einer Bombe abbringen ? Alle Erfahrungen mit Ländern von mehr als 15 Mio. Einwohnern sprechen dagegen. Es misslang mit Russland, China, Pakistan, Südafrika.

  • "Zum zweiten könnte Netanjahu mit seiner Beschwörung der angeblich drohenden iranischen Atombombe .... von seiner desaströsen, selbstzerstörerischen Palästina-Politik ablenken, die tatsächlich die größte Gefährdung darstellt für eine gesicherte Existenz Israels."

     

    Nun bin ich wahrlich kein Freund von Bibis Palästina-Politik, allerdings geht es mir hier zu weit, was der Autor da von sich gibt. Herr Zumach sagt im Grunde genommen, dass die Siedlungspolitik Netanjahus verantwortlich ist für Angriffe aus Gaza, Selbstmordkommandos, etc. pp. Es mag ja sein, dass sich Israel mit dieser Siedlungspolitik keine Freunde bei den Palästinensern macht, aber gleichwohl ist es unbestritten, dass eine Apeacement-Politik oder Land-gegen-Frieden-Politik Israel auch nichts gebracht hat - und zwar seit seiner Staatsgründung 1948. Hinzu kommt, dass es den palästinensischen Hardlinern sowas von schnuppe ist, ob Israel den Siedlungsbau einstellt oder nicht. Selbst wenn Israel alle besetzten Gebiete aufgeben und sein Territorium - sagen wir mal auf Tel Aviv minimieren würde, Israel wäre den Palästinensern immer noch ein Dorn im Auge. Ganz zu schweigen davon, dass der Knackpunkt im Streit immer Jerusalem bleiben wird. Wie immer also wird auch in diesem Kommentar nur die eine Seite der Medaille betrachtet und Israel vertreten durch Netanjahu der schwarze Peter zugeschoben.

  • Ohne die Atombombe, die seit 20 Jahren quasi jede Woche fertig wird hätte Israel kein Druckmittel. Mal abgesehen davon, selbst wenn der Iran eine hätte, würde die natürlich sofort auf Israel geschmissen um in einem atomaren Gegenschlag paar Minuten später selbst vernichtet zu werden. Klingt auch logisch. Damit hält man die Welt nun eine Ewigkeit zum Narren. Ein atomar bestücktes Land wird man natürlich nicht einfach so angreifen wollen. Ein McCain sang schon vor Jahren "bomb, bomb Iran" . Sanktionen gegen Teheran (wofür?) stärken nur radikale Kräfte. Tja, die Methoden der hochgelobten "Demokraten".