: Verträglichkeit ist angesagt
NATURKOSMETIK Der Handel verbuchte in Deutschland im ersten Halbjahr 2009 einen Umsatzzuwachs von 7,6 Prozent. Der Trend geht zur Eroberung jüngerer Zielgruppen
VON SOPHIE DIESSELHORST
Finanzkrise hin oder her – der Naturkosmetikmarkt wächst. Einer Stichprobenanalyse des Nürnberger Marktforschungsinstituts Information Research (IR) zufolge verbuchte der Handel mit naturkosmetischen Produkten in Deutschland im ersten Halbjahr 2009 einen Umsatzzuwachs von 7,6 Prozent. Auch international sieht es gut aus für die Naturkosmetikbranche: Laut IR-Schätzung sind die europäischen Verkaufszahlen im letzten Jahr um 13 Prozent gestiegen. Das schnellste Wachstum verzeichneten Frankreich und Deutschland. Auch in den USA und in Asien – dort vor allem auf dem japanischen und dem koreanischen Markt – boomt die Naturkosmetik.
In Deutschland sind es vor allem die Drogeriemärkte, die zunehmend zum wichtigsten Vertriebspartner für Hersteller von Naturkosmetik werden. Mehrere Märkte haben mittlerweile eigene Naturkosmetiklinien entwickelt.
Alterra von Rossmann und Alverde vom dm-Markt zählen zu den großen Gewinnern der steigenden Nachfrage nach Naturkosmetik. Beide Marken sind im Verband „Kontrollierte Naturkosmetik“ organisiert, in den nur Hersteller aufgenommen werden, die den Kriterien des BDIH-Gütesiegels zufolge ausschließlich mit natürlichen Rohstoffen wie pflanzlichen Ölen, Fetten und Wachsen, Kräuterextrakten und Blütenwässern oder ätherischen Ölen und Aromen aus kontrolliert biologischem Anbau oder Wildsammlung arbeiten. Das Gütesiegel des 1951 gegründeten „Bundesverbands Deutscher Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und Körperpflegemittel e. V.“ (BDIH) tragen mittlerweile die Produkte von 111 Naturkosmetikfirmen.
Den alten Vorwurf, dass naturkosmetische Produkte zwar hautverträglich, dafür aber wirkungsschwächer als herkömmliche Kosmetika seien, straft der Naturkosmetikboom Lügen. Trotzdem versucht zum Beispiel der Traditionshersteller Weleda nach wie vor aktiv, ihn zu entkräften. In einem Interview mit der Dermatologin Eva Maria Lohmüller im Weleda-Magazin ist nachzulesen, wie genau Weleda-Produkte auf Verträglichkeit und Wirksamkeit getestet werden. Am Beispiel des neu auf den Markt gebrachten Granatapfel-Regenerationsöls, das laut Lohmüller „vorzeitiger Hautalterung entgegenwirkt“, wird erklärt, wie natürliche Produkte die Hautentwicklung beeinflussen können: „Granatapfelkernöl ist reich an antioxidativen Substanzen wie Flavonoiden und Vitamin E. Diese binden freie Sauerstoffradikale im Zellgewebe. Gerade die freien Radikale sind für eine vorzeitige Hautalterung verantwortlich“, erläutert Lohmüller.
Das Angebot der marktführenden Naturkosmetikhersteller hat sich lange vor allem an zwei Zielgruppen ausgerichtet; so führen nach wie vor alle Marken sowohl eine Mutter-Kind-Pflegelinie als auch eine Pflegelinie für ältere Haut. Doch der Trend geht zur Eroberung jüngerer Zielgruppen – zum einen durch preisgünstige Angebote, wie sie Alterra und Alverde bieten, zum anderen durch Imagekampagnen wie dem Auftritt des Naturkosmetikherstellers lavera als Mitsponsor der Berliner Fashion Week.
Ein weiterer Trend, den auch die Vivaness 2010 aufgreift, ist die Nachfrage nach Kosmetika, die nicht nur bio, sondern auch fair gehandelt sind. Fairness bezieht sich in diesem Kontext nicht nur auf Hilfsprojekte in Entwicklungsländern. Kriterien für fair gehandelte Produkte sind sowohl die Partnerschaft mit Bauern und Rohstofflieferanten auf regionaler, nationaler oder internationaler Ebene als auch die langfristige Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern. Hinzu kommen der Aufbau beziehungsweise die Unterstützung sozialer Projekte.
Das Ziel: Rohstofflieferanten und Bauern profitieren von der Unterstützung ihrer Geschäftspartner, und die Herstellerfirmen polieren ihr Image auf. Beim Konsumenten, so Vivaness-Sprecherin Barbara Böck, sei der Wertewandel ohnehin schon im vollen Gange.
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