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Die Entsorgung der Familie SürücüKOMMENTAR VON HEIDE OESTREICH

Seit wann entscheiden eigentlich Bischöfe und Minister über Sorgerechtsfälle? Wolfgang Huber, Oberhaupt der Evangelischen Kirche in Deutschland, und Wolfgang Schäuble, Chef des Innenressorts, haben nun auch noch kundgetan, dass Familie Sürücü das Sorgerecht für den Sohn der ermordeten Hatun nicht erhalten soll.

So hemmungslos wie nach dem Urteil letzte Woche ist dem Rechtsstaat schon lange nicht mehr über den Mund gefahren worden. Alle wollen wissen, dass hier ein Ehrenmord vorlag. Mit Verlaub: Das Gericht konnte das nicht feststellen. Selbst falls zwei weitere Brüder beteiligt waren, wie Prozessbeobachter meinen: Ein klassischer Ehrenmord, vom Familienrat unter Führung des Vaters beschlossen, ist etwas anderes als ein Mord, den drei durchgedrehte Brüder begehen.

Dennoch ist es gerade schick, der gesamten Familie die Ausreise nahe zu legen. „Hau den Sürücü“ heißt die Jahrmarktsattraktion. Jeder darf mal. Man fordert höhere Gefängnisstrafen für Zwangsehen, obwohl diese bereits verboten sind. Doch damit werden sie nicht verhindert: Bisher ist noch kein einziges Urteil nach diesem Paragrafen gefällt worden.

Sind die Delinquenten aber erst einmal zum Abschiebefall erklärt, braucht man sich über die schwierige Präventionsarbeit in der eigenen Gesellschaft keine Gedanken mehr zu machen. Aber was macht ein Jugendlicher, dessen türkischer Name auf dem Bewerbungsschreiben automatisch zur Ablehnung führt? Er verschwindet in der florierenden Parallelwirtschaft türkischer oder arabischer Provenienz, etwa in einem Internetcafé – wie Hatuns Brüder.

Unter diesen jungen Leuten haben sich Milieus entwickelt, in denen zum Helden wird, wer im Knast saß. Strengere Strafen schrecken solche Jungs kaum. Eine Politik, die pausenlos Integration fordert, muss wohl oder übel auch die Lücke zeigen, in die man sich integrieren soll. Sie könnte die Einstellung junger MigrantInnen in Unternehmen unterstützen, eine Einwandererquote im öffentlichen Dienst fordern und mehr Türkisch sprechende LehrerInnen. Das macht zwar Arbeit – aber abschieben kann man das Integrationsproblem eben nicht.

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