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Prozess um Prügel im Jugendknast

Ein Wärter in der Jugendstrafanstalt steht vor Gericht, weil er zwei Häftlinge, darunter einen Taubstummen, geschlagen haben soll. Mehrere Zeugen belasten ihn schwer. Doch der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe

Wegen körperlicher Misshandlung von zwei Häftlingen der Jugendstrafanstalt in Plötzensee muss sich seit gestern ein Wärter vor dem Amtsgericht verantworten. Dem Beamten wird vorgeworfen, in einer Nacht im Zeitraum zwischen März und Juni vergangenen Jahres einen 19-jährigen taubstummen Häftling mit der flachen Hand von hinten auf den Kopf geschlagen zu haben. Außerdem soll er Anfang Juli einen 15-jährigen Häftling geohrfeigt und gewürgt haben. Der 54-Jährige wies vor Gericht alle Vorwürfe zurück: Er sei in keinem der beiden Fälle handgreiflich geworden.

Der damals Inhaftierte gab an, in der fraglichen Nacht wegen starker Hitze gewaltsam den Fenstergriff zerstört zu haben und sich dann mit seinem Zellennachbarn unterhalten und „gependelt“ zu haben. Nach Aussage des Wärters ist dies unter den jugendlichen Insassen üblich: Sie würden aus zerrissenen Bettlaken Seile herstellen und damit Gegenstände von Fenster zu Fenster transportieren.

Plötzlich habe der Wärter die Zelle betreten und ihn grundlos auf den Hinterkopf geschlagen, sagte der 19-Jährige in Gebärdensprache. „Er war sehr aggressiv und wollte mich fertig machen. Außerdem hat er gelacht.“

Er habe sich durch den Schlag eine Beule am Hinterkopf zugezogen. Einen Arzt habe er erst jedoch aufgesucht, als er im Frühjahr dieses Jahres entlassen wurde. „Zu der Zeit habe ich geschwiegen, weil ich Angst hatte, wieder geschlagen zu werden“, sagte der frühere Häftling.

Der Wärter gab an, es sei für ihn neu gewesen, mit einem Taubstummen umzugehen. Da er sich nicht bemerkbar machen konnte, habe er den Insassen manchmal auf die Schulter tippen müssen. „Bestimmt ist es auch mal vorgekommen, dass wir ihn an der Schulter gezogen haben“, sagte der 54-Jährige. Er bestritt jedoch, den Häftling geschlagen zu haben.

Zwei damalige Mithäftlinge belasteten ihn jedoch: Sie sagten aus, den Schlag auf den Hinterkopf von ihren Zellen aus beobachtet zu haben. Ein weiterer Beamter soll die Szene von einem Wachturm aus verfolgt haben und sei bereit, auszusagen. Ein Zellennachbar gab zudem an, den Schlag gehört zu haben.

Der zweite Vorfall soll nach einer Sprechstunde geschehen sein, zu der die Mutter eines 15-jährigen Häftlings nicht gekommen war. Der Junge gab an, der Wärter habe sich über ihn lustig gemacht, „weil keiner kam“. Daraufhin habe er zwei Stühle auf den Boden geworfen, die zuvor aufgestuhlt waren. Der Wärter habe ihn daraufhin gegen eine Wand gedrückt und sei ihm „an die Gurgel gegangen“. Er habe in dem Moment nur schwer Luft bekommen. Verletzungen seien aber nicht sichtbar gewesen. Ein Mitinsasse habe angegeben, die Tat beobachtet zu haben. Diesen konnte das Gericht vor der Verhandlung aber nicht erreichen. Der Prozess wird am 7. Juli fortgesetzt. KARIN SCHÄDLER

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