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„Eine Woche in Flecktarn verändert dich“

Die Europa-Abgeordnete Angelika Beer war viele Jahre die Wehrexpertin der Grünen. Nun hat sie ein Praktikum bei der Bundeswehr gemacht. Sie habe „ein starkes Gruppengefühl“ erlebt. Den Einsatz deutscher Soldaten im Kongo lehnt sie ab

taz: Frau Beer, jahrelang waren Sie die Wehrexpertin der Grünen – und erst jetzt haben Sie eine Woche Schnupperkurs bei der Bundeswehr gemacht?

Angelika Beer: In der Tat. Ich habe die äußere Distanz zur Bundeswehr immer bewusst aufrechterhalten. Zu viele Leute wollten das Bild sehen: die Beer in Olivgrün. Jetzt – nach jahrelanger Arbeit im Verteidigungsbereich – war es an der Zeit, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das Leben in der Bundeswehr ist.

Und was haben Sie im Übungslager Munster gelernt?

Es war eine gute Chance, den Blickwinkel der SoldatInnen einzunehmen: Wenn du im Einsatz bist, musst du die Möglichkeit haben zu überleben. Das Ganze war gar nicht Kommiss-artig, aber geprägt von einem starken Gruppengefühl, und das war positiv. Eine Woche in Stiefeln und Flecktarn verändert einen. Schon am zweiten Tag habe ich meinen Laptop und die Mails nicht mehr angeguckt.

Hat Ihr Interesse an der Überlebensperspektive eines Soldaten mit dem riskanten Kongo-Einsatz zu tun?

Nein, mit allen Einsätzen. Aber ich appelliere an meine KollegInnen, die in den nationalen Parlamenten über die Einsätze abstimmen, die ganze Tragweite möglicher Folgen zu berücksichtigen. Von europäischer Ebene aus habe ich beobachtet, dass die nationalen Parlamente, die letztlich entscheiden, zu wenige Informationen für einen gut begründeten Beschluss zum Kongo-Einsatz hatten.

Welche Information fehlte dem Bundestag, die Sie hatten?

Auch im Europaparlament fehlt es an Transparenz. Aber was Hintergründe und Interessen angeht, haben bei uns schon mit dem Handkuss des französischen Präsidenten Jacques Chirac für Angela Merkel die Alarmglocken geläutet. Zu Recht, wie sich zeigt: Es geht um einen symbolischen Einsatz zur Gesichtswahrung der EU mit der Gefahr, zum Wahlhelfer von Kabila degradiert zu werden, da die größte Oppositionspartei ausgeschlossen ist. Für die Soldaten, die in diesen Einsatz müssen, ist das nicht überzeugend.

Die Grünen im Bundestag haben den Kongo-Einsatz geradezu umarmt. Die Skepsis bei Union und den Sozialdemokraten war viel größer – auch wenn diese Parteien nachher zustimmten.

Es gibt in der Tat unterschiedliche Sichtweisen zwischen grüner Bundestags- und grüner EP-Fraktion. Ohne politisches Gesamtkonzept lehnen wir diesen Einsatz ab und finden es bedauerlich, dass in Deutschland praktisch niemand mehr Kritik äußert – außer dem Bundeswehrverband unter Bernhard Gertz.

Sie vergessen die Position der Linksfraktion.

Oh ja, die Linksfraktion. Nun, die ist aber aus anderen Gründen gegen den Einsatz als wir: Die PDS-Linken reden von einer Militarisierung der EU. Das ist Quatsch. Die EU muss sich in Afrika weiter engagieren. Aber dieser symbolische Kongo-Einsatz bindet möglicherweise Kräfte, die wir für einen immer wahrscheinlicher werdenden Einsatz zur Beendigung des Völkermords in Darfur dringend benötigen. INTERVIEW:ULRIKE WINKELMANN

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