piwik no script img

„Es ist Brunftzeit“

Für den Kabarettisten Fritz Eckenga ist es Propaganda, Günter Wallraff fehlt der rechte Glaube. Der Politologe Jürgen Falter sieht Jürgen Rüttgers gar als Konkurrenten der Kanzlerin. Die große taz-Umfrage zeigt, was Prominente wirklich von den Hartz-Vorschlägen des Ministerpräsidenten halten

Norbert Blüm Ex-Bundessozialminister

„Jürgen Rüttgers will den schröderschen Kahlschlag beim Arbeitslosengeld reparieren. Er greift dabei etwas auf, das die CDU selbst geschaffen hat: Die Staffelung der Arbeitslosenbezüge nach Alter haben wir unter Helmut Kohl eingeführt. Das entspricht auch heute noch meiner Vorstellung von Gerechtigkeit. Ich glaube nicht, dass sich die CDU auf dem Parteitag selbst dementieren wird. Eigentlich sollte das auch unser Bundespräsident wissen: Immerhin war der selber mal Staatssekretär unter Helmut Kohl.“

Guntram Schneider

DGB-Chef NRW

„Jürgen Rüttgers hat bei der letzten Landtagswahl 2005 ein ausgezeichnetes Ergebnis erreicht. Das kann er nur wiederholen, wenn er die Arbeitnehmer in NRW für sich gewinnt. Hinter seiner Forderung nach mehr Arbeitslosengeld I für ältere Arbeitnehmer stecken also wahlpolitische Ziele. In den Betrieben kommt das gut an, die Kolleginnen und Kollegen stehen hinter dieser Forderung. Allerdings ist der Rüttgers-Plan unsolide und teilweise reaktionär, weil Kinder und Eltern beim Arbeitslosengeld laut CDU-NRW wieder füreinander zahlen sollen. Das hatten wir längst überwunden. Ich glaube zwar nicht, dass dies Gesetz wird, aber der SPD in NRW kann Rüttgers damit gefährlich werden.“

Fritz Eckenga Kabarettist

„Was Rüttgers will? Sich wichtig machen. Den Lauten markieren. Gerade ist ja Brunftzeit, da will er persönliche Propaganda machen. Er muss ja auch gucken, wie sein Status in der Partei im Vergleich zu Roland Koch oder Christian Wulff aussieht. Vielleicht wird man aber auch so, wenn man den ganzen Tag in Düsseldorf in den Räumen von den ehemaligen Arbeiterführern rumsitzt. Da entwickelt man irgendwann Stallgeruch.“

Katharina Schwabedissen WASG-Chefin NRW

„Rüttgers besetzt in der CDU die Rolle des Fähnchenschwenkers fürs Soziale. NRW ist nach wie vor von der Arbeitswelt geprägt. Da kommen Rüttgers Forderungen gut an. Eine wirkliche Diskussion über soziale Gerechtigkeit führt Rüttgers nicht. Hier werden Stimmen gefischt. Vielleicht will er in seinem Größenwahn auch Kanzler werden.“

Jürgen Falter

Politologe

„Jürgen Rüttgers will NRW halten. Das ist noch immer ein schwieriges Pflaster für die CDU. Die Wähler erwarten von ihm einen sozialdemokratischen Kurs. Außerdem will er die Union im Bund dauerhaft aus dem 35-Prozent-Turm holen, dafür muss er Wähler links der Mitte ansprechen. Und natürlich ist nicht auszuschließen, dass er wie viele andere Ministerpräsidenten denkt, dass er den Job als Bundeskanzler besser machen könnte als Angela Merkel. Die Triebfeder ist bei denen allen noch gespannt – und jung genug ist Rüttgers ja.“

Hannelore Kraft

SPD-Fraktionschefin NRW

„Während Robin Hood die Reichen schröpfte, bluten bei Robin Rüttgers jüngere Arbeitslose mit Familie, Frauen und Ostdeutsche. Rüttgers hat drei Motive: Erstens Profilierungssucht, zweitens Merkel schädigen und drittens will er von seiner Politik der sozialen Kälte zu Lasten von Kindern und Familien in NRW ablenken.“

Günter WallraffSchriftsteller„Es geschehen Zeichen und Wunder. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“

Gerhard Papke

FDP-Fraktionschef NRW

„Wer länger eingezahlt hat, sollte auch länger ALG I beziehen können. Das wäre gerecht. Die FDP regt daher eine Bundesratsinitiative an, bei der die Rüttgers-Vorschläge mit der FDP-Forderung nach mehr Deregulierung verbunden werden.“

Gabi Allendorf

Managerin von Stefan Raab

„Was Ministerpräsident Rüttgers vorschlägt, ist meiner Meinung nach in der Sache richtig. Bezahlbar ist es aber nicht. Insofern muss zwischen dem Wünschenswerten und dem Machbaren unterschieden werden. Die CDU in NRW hat traditionell eine starke sozialpolitische Ausrichtung, die auf den ersten frei gewählten Ministerpräsident nach dem Krieg, Karl Arnold, zurückgeht. Er verkörperte innerhalb der Partei die christlich-soziale Idee von Partnerschaft und Mitbestimmung und war ein Verfechter des sozialen Wandels und des sozialen Fortschritts. Daran knüpft Rüttgers an. Ihm Populismus vorzuwerfen, finde ich zu einfach und zu oberflächlich.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen