: Ende einer Anschuldigung
GERICHT Anders als bei der Aufarbeitung eines Polizeieinsatzes beim evangelikalen Christival verzichtet die Staatsanwaltschaft im Fall des Discogängers A. auf einen langen Prozess wegen falscher Verdächtigung
Atilla A. ist ohne einen Anwalt vor dem Amtsgericht erschienen, auch auf einen möglichen Pflichtverteidiger hat er verzichtet. Aber der 26-Jährige ist sich so recht auch keiner Schuld bewusst, sagt Sätze wie: „Wenn die Polizei einen zu etwas auffordert, dann muss man das tun.“ Doch die hat ihn jetzt der falschen Verdächtigung von Polizisten beschuldigt. Und darauf stehen bis zu fünf Jahre Gefängnis.
Die Anklage spricht von „bewusst wahrheitswidrigen“ Anschuldigungen, in „bewusstem und gewolltem Zusammenwirken“ mit Adam D. Der ist auch angeklagt, aber „mehr oder minder weg“, wie der Amtsrichter feststellt, man wisse es nicht so genau, vor Gericht erschienen ist er jedenfalls nicht. „Wider besseres Wissen“ sollen beide behauptet haben, dass die Polizei ihren gemeinsamen Freund K. nicht nur geschubst und geschlagen, sondern ihn auch, schon am Boden liegend, hinter einer Mülltonne, in den Rücken getreten hat.
Wobei es vor allem auf letzteres ankäme, denn: Ohne den Tritt „wäre alles nur halb so dramatisch“, sagt ein Polizist vor Gericht aus, so ein Schubser, ja, das könne immer mal vorkommen, aber eine Körperverletzung im Amt wäre es nicht, findet der Beamte. Zumal der K. damals, September 2009, sechs Uhr morgens, aus der Disco „Stubu“ kommend, die Polizei sehr unflätig beschimpft und ihr Widerstand geleistet haben soll, wofür er auch eine Geldstrafe kassierte.
Doch die Polizisten bestreiten den Fußtritt, die Ermittlungen gegen sie wurden mittlerweile wieder eingestellt, und auch Atilla A. will heute von einem Tritt vor Gericht nichts mehr wissen oder sagen. Oder davon, dass er einen solchen mal bezeugt haben soll. Für ihn sah der Polizeieinsatz nur „übermäßig“ aus.
Am Ende einigt man sich, die Staatsanwaltschaft hat nichts gegen eine rasche Einstellung des Verfahrens einzuwenden, Atilla A. muss 200 Euro Buße an einen guten Zweck zahlen. In einem anderen Fall indes hat die Staatsanwaltschaft ihre Anklage mit mehr Verve verteidigt: Derzeit wird, ebenfalls vor dem Amtsgericht, ebenfalls wegen „falscher Verdächtigung“ einer queeren Aktivistin der Prozess gemacht. Sie hatte 2008 beim evangelikalen Christival an einer Spontandemo teilgenommen und wirft der Polizei vor, sie dort mit einem Schlagstock geschlagen zu haben, was diese bestreitet. In diesem Verfahren – das noch länger andauern könnte – hat die Staatsanwaltschaft für den „nicht unerheblichen“ Vorwurf bereits eine „saftige“ Geldstrafe in Aussicht gestellt. Jan Zier
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