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Palästina fürchtet Bürgerkrieg

Hamas macht Fatah für Anschlag auf palästinensischen Premier Hanijeh im Gaza-Streifen verantwortlich. Schießereien zwischen beiden Fraktionen breiten sich aus

JERUSALEM taz ■ Nach einem Mordversuch an dem palästinensischen Premierminister Ismael Hanijeh droht die innerpalästinensische Krise in einen Bürgerkrieg zu eskalieren. In Ramallah und Gaza lieferten sich gestern palästinensische Sicherheitsangehörige, Aktivisten der Fatah-nahen Al-Aksa-Brigaden und vermummte Hamas-Anhänger Schießereien auf offener Straße, bei denen es bis zum Nachmittag zu über 30 Verletzten kam.

Die Hamas-Führung machte den ehemaligen Sicherheitschef Mohammed Dahlan (Fatah) für den „von Verrätern verübten Mordversuch“ an der Grenze des Gaza-Streifens verantwortlich, bei dem ein Leibwächter Hanijehs starb und sein Sohn verletzt wurde. Dahlan spielte Mitte der 90er-Jahre eine zentrale Rolle bei der Verfolgung palästinensischer Extremisten. Er gehört seit dem Wahlsieg der Islamisten zu den schärfsten Kritikern der palästinensischen Regierung.

Versuchten die Führungen der zerstrittenen Bewegungen bislang die Spannung zu beruhigen, so spitzt sich der zumeist von bewaffneten Banden geführte Straßenkampf zwischen den Fraktionen zu offener Hetze zwischen Politikern und Funktionären zu. Sollte zum Angriff geblasen werden, stünden mehrere Tausend Sicherheitsleute der Hamas einer deutlich größeren Zahl von Uniformierten gegenüber, die unter dem Kommando der Fatah stehen.

Die Mehrheit der Bevölkerung im Gaza-Streifen stützt jedoch die Hamas. Deshalb bestehen kaum Zweifel, dass die Islamisten den Kampf für sich entscheiden würden. Beide Seiten rüsten seit Monaten auf. Waffenschmuggel via Ägypten brachte in dem einen Jahr seit dem israelischen Abzug aus dem Gaza-Streifen mehr militärisches Gerät in die Region als in den 40 Jahren der Besatzung insgesamt.

Beide Seiten wollen Stärke demonstrieren. Die Hamas postierte bewaffnete Sicherheitstruppen an zentralen Verkehrspunkten in Gaza. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte bereits Anfang der Woche die ihm treuen Streitkräfte im Gaza-Streifen verteilt, nachdem drei Kinder eines ihm vertrauten Sicherheitsoffiziers erschossen worden waren. Den vereitelten Mordanschlag an dem Regierungschef bedauerte der Palästinenserpräsident, allerdings machte er die Hamas für die Eskalation mitverantwortlich.

Der Angriff auf den Konvoi Hanijehs ereignete sich unmittelbar nach der Rückkehr von seiner ersten Auslandsreise als Premierminister. Nach intensiven Verhandlungen am Grenzübergang von Ägypten in den Gaza-Streifen war er gezwungen, die in Koffern verpackten 30 Millionen Dollar zumeist iranischer Spenden in Ägypten zurückzulassen. Die Israelis verweigerten die Einfuhr mit dem Argument, das Geld sei zur Finanzierung von Terrorangriffen gedacht. Kaum hatte Hanijeh die Grenze passiert, eröffneten Fatah-Aktivisten das Feuer.

SUSANNE KNAUL

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