: Letzter Kampf fürs rot-grüne Geschichtsbuch
Bei seiner Aussage zum Fall Kurnaz verteidigt Exaußenminister Fischer seinen Nachfolger Steinmeier – und sich selbst
BERLIN taz ■ Es gibt Politiker, die nach einem Auftritt im Untersuchungsausschuss möglichst schnell durch den Hinterausgang des Bundestags verschwinden. Joschka Fischer bleibt stehen. Der frühere Außenminister hat gerade seine Aussage zum Fall des Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz hinter sich gebracht. Aus seiner Sicht, die er nun gerne kundtut, mit Erfolg.
Es gab an diesem langen Montagabend kaum neue Erkenntnisse zum Umgang der rot-grünen Regierung mit dem Bremer Deutschtürken Kurnaz. Das freut den Grünen. Die Bilanz des FDP-Abgeordneten Max Stadler, Fischer sei ein „Weltmeister im Eiertanz“, ist für den 58-Jährigen ein Kompliment. „Dass ich noch auf Eiern tanzen kann, das würde ich mir bei meinem heutigen Alter und meiner heutigen Figur gar nicht zutrauen“, scherzt Fischer vor den Kameras. Auch die Feststellung der Union, es habe ein „Kommunikationsdefizit“ in der rot-grünen Regierung gegeben, steckt Fischer weg. Es gab schon schlimmere Vorwürfe. Bei seinem Auftritt lieferte er keine neuen Belege für schwere Fehler – darauf kam es ihm an. Denn bei aller Ironie: Es gibt kaum jemanden, der die Angriffe gegen die alte Regierung so persönlich nimmt wie Fischer. Der Politrentner mit Professur in Princeton ist der letzte Rot-Grüne, jetzt, nachdem die SPD ihrer schwarz-roten Wege ging und die Grünen ziellos herumampeln.
„Ich werde nie wieder einer Regierung angehören“, hat Fischer im Ausschuss gesagt. Umso wichtiger ist ihm, wie die rot-grüne Zeit, der Höhepunkt seiner Karriere, bewertet wird. Deshalb kämpft er. Auf seine Art. Mit seinem Politikverständnis, in dem Gegenangriff immer die beste Verteidigung gewesen ist.
Die Vorwürfe gegen Frank-Walter Steinmeier? „In der Sache falsch und im politischen Tenor infam“. Steinmeier, sagt Fischer, musste als rot-grüner Kanzleramtschef die Sicherheitsbedenken gegen Kurnaz ernst nehmen. Die Kritik der Union sei heuchlerisch: „Sie haben damals in der Innenpolitik wesentlich härtere Positionen vertreten als wir!“
Allen heiklen Fragen nach seiner eigenen Rolle weicht Fischer aus. Mit grotesken Formulierungen. Ob er von der Einreisesperre gegen Kurnaz wusste, ob er mit Steinmeier darüber sprach? „In meiner Erinnerung liegt mir da nichts vor und den Akten konnte ich diesbezüglich nichts entnehmen.“ So bleibt offen, ob Fischer Mitwisser oder Nichtswisser war.
Dass er sich, parallel zu Steinmeiers Einreiseverhinderung, bei dem US-Kollegen Colin Powell für Kurnaz’ Freilassung einsetzte, ist für Fischer kein Widerspruch. Kurnaz, macht er deutlich, hätte ja gegebenenfalls in die Türkei gehen können. Es gebe den Versuch, Rot-Grün „in Gut und Böse einzuteilen“, um Steinmeier zu schaden, sagt Fischer, doch da mache er nicht mit.
Nur einen bringt er in Schwierigkeiten: Gerhard Schröder. Ein Mitarbeiter habe 2005 „im Auftrag des Kanzlers“ bei den USA wegen Kurnaz angefragt, berichtet Fischer überraschend. Schröder nämlich hatte erklärt, er habe den Namen Kurnaz in seiner Amtszeit nie gehört. Nun muss auch er vielleicht noch in den Ausschuss. Und kämpfen. Für Rot-Grün. LUKAS WALLRAFF
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